Blickrichtung Zielraum in Cortina d’Ampezzo.

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Die Besichtigung der Herren-Speedstrecke Vertigine ist unter derartigen Umständen kein Spaß.

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Die Strecken im Überblick.

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Cortina d’Ampezzo – Sie bleibt bis zum sehnlichst erwarteten Auftakt der WM die große Wundertüte: Die Pista Vertigine, die Speedstrecke der Herren, konnte von den Läufern im Vorfeld wegen Schlechtwetters nur bei Nebel inspiziert werden. Immerhin konnten sich die Rennläufer mit einer Kamerafahrt von WM-Botschafter Kristian Ghedina auf Youtube einen Eindruck verschaffen, was sie zunächst heute im Super-G (13 Uhr, ORF 1) erwartet.

Großes Knieschlottern ist nicht angesagt. Schwindelerregend ist die Piste Schwindel nicht. Auch wenn OK-Chef Alessandro Benetton überzeugt ist, dass sie einen "extremen Eindruck" hinterlassen werde. Nach dem Start in 2400 Metern Höhe und der Passage Valon di Tofana, wo sich Super-G- und Kombi-Start befinden, wartet der Vertigine-Sprung. Danach geht es über den Canalone-Schuss zur gleichnamigen Traverse und weiter zum Ghedina-Sprung, der bei Testfahrten vergangene Woche an die 50 Meter weite Sätze ermöglichte. Nach drei kleineren Sprüngen ist nach 2740 (Abfahrt) bzw. 2080 Metern (Super-G und Kombi) bald das Ziel erreicht.

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Mit Klassikern wie der Stelvio in Bormio (3600 m) oder der Streif (3300) ist die Vertigine nicht nur hinsichtlich Länge und Fahrzeit nicht zu vergleichen, weil wirkliche Kriterien fehlen.

Hannes Trinkl, der Renndirektor des Weltverbandes Fis, bezeichnet den technisch anspruchsvollen Mittelteil als Schlüsselabschnitt. Auch der steile Startbereich (Von null auf hundert in acht Sekunden) soll es in sich haben. Im flachen unteren Abschnitt sind ideales Material und perfektes Gleitvermögen gefragt. "Man muss gut am Ski stehen, es ist sicher etwas für die Paradeabfahrer", sagt Trinkl, der nicht mit "Zufallsweltmeistern" rechnet.

Sprengungen am Welterbe

Die seit dem Winter 2014/15 größten Schneemengen in Cortina haben die an schroffen Felswänden vorbeiführende Strecke zu einem Hochrisikogebiet hinsichtlich Lawinengefahr gemacht. Mit von Hubschraubern abgeworfenen Sprengladungen konnte die Situation entschärft und mutmaßlich größerer Schaden am Unesco-Welterbe – dazu zählen die Ampezzaner Dolomiten – vermieden werden.

Hinsichtlich Lawinengefahr ist die Olimpia delle Tofane im Vorteil. Die seit 1993 als Fixpunkt im Damenweltcup befahrene Strecke liegt wunderbar eingebettet zwischen schützenden Felsen und Bäumen. Gestartet wird die landschaftlich schöne Olympia auf 2320 Metern Höhe, der Super-G etwas weiter unten. Die 2560 Meter lange Strecke wartet mit einem Maximalgefälle beim Tofana-Schuss von 65 Prozent auf und übertrifft damit noch die Vertigine (61).

Die Herren treten erstmals nach 30 Jahren wieder in Cortina an und betreten großteils Neuland. Die WM-Generalprobe war wegen Corona abgesagt worden. Erfahrungen auf der Strecke konnten bisher lediglich die Hausherren bei den italienischen Meisterschaften 2019 sammeln. Christof Innerhofer riss sich damals das Kreuzband, hat also keine guten Erinnerungen an die Vertigine: "Nicht WM-würdig. Oben ist es flach, dann 20 Sekunden steil, danach brettleben."

Ob sie gefällt oder nicht, Kitzbühel- und Garmisch-Sieger Vincent Kriechmayr sowie Matthias Mayer zählen zu den Topfavoriten. Bei den Damen (10.45 Uhr, ORF 1) führt kein Weg an der zuletzt viermal erfolgreichen Schweizerin Lara Gut-Behrami vorbei, Tamara Tippler startet mit Medaillenchancen. (Thomas Hirner aus Cortina d’Ampezzo, 10.2.2021)