Die südafrikanische Coronavirus-Mutation B.1.351 hat sich nachweislich in Tirol ausgebreitet. Der Impfstoff von Astra Zeneca soll dagegen weniger wirksam sein.

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Die Ausbreitung der Südafrika-Mutante des Coronavirus in Tirol wird immer sichtbarer. Am Mittwoch gab das Land Tirol bekannt, dass allein zwischen 4. und 8. Februar 48 neue Verdachtsfälle aufgetaucht sind. Insgesamt bestätigt wurden bisher 180 Verdachtsfälle im Bundesland: Hier wurden die Ergebnisse eines speziellen PCR-Vortests, die den Verdacht auf eine Mutation auslösten, bereits durch eine Voll- oder eine Teilsequenzierung verifiziert.

Zahlreiche weitere vorselektierte Verdachtsfälle, nämlich rund 250, werden derzeit aber noch untersucht. Die Zahl der bestätigten Fälle und teils noch unbestätigten Verdachtsfälle erhöhte sich jedenfalls auf 430. In Tirol geht man bei den Verdachtsfällen "nach den bisherigen Erfahrungen" davon aus, dass sich "der Großteil dieser Fälle bestätigen wird", wie es aus der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Landes heißt.

Aktuell 139 aktiv Positive

Von allen Fällen, die mit der Südafrika-Variante zu tun haben – also bestätigte Proben sowie Verdachtsfälle –, sind aktuell 139 aktiv Positive. Diese Zahl ist signifikant höher als jene, die der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser erst am Sonntagabend kommunizierte: Walser meinte zu diesem Zeitpunkt, dass nur noch acht bestätigte Infektionsfälle mit der südafrikanischen Mutation aktiv seien.

Für die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) steht fest: "Der größte bestätigte Cluster der Südafrika-Mutation außerhalb Südafrikas befindet sich derzeit in Tirol", wie es ein Sprecher formulierte.

Verschiedene Zahlen im Umlauf

Dabei waren zuletzt rund um die Ausbreitung der südafrikanischen Mutante B.1.352 in Tirol verschiedene Zahlen in Umlauf. Virologe Andreas Bergthaler, der mit seinem Team vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften bislang als Einziger Vollsequenzierungen durchführt, nannte am Montag mindestens 293 bestätigte Proben von B.1.351 in Tirol und neun bestätigte Proben in anderen Bundesländern. Das sind deutlich mehr als die 180 Bestätigungen, die das Land Tirol am Mittwoch kommunizierte – auf Basis von Zahlen, die von der Ages zur Verfügung gestellt wurden.

Welche Zahlen stimmen nun? Möglicherweise beide, meint die Ages – und verweist auf ein komplexes System. Demnach werden Proben einer Person, die sich als Verdachtsfall entpuppen, in vielen Fällen teil- und vollsequenziert. Theoretisch könnte ein Verdachtsfall also auch doppelt bestätigt werden. Die Aufgabe der Ages sei es, diese Daten dann so zu bereinigen, dass jede bestätigte Probe nur auf eine Person zurückzuführen ist.

Während die Ganzgenomsequenzierung nur durch Bergthalers Team durchgeführt wird, wird der Großteil der Teilgenomsequenzierungen von einer Forschergruppe am IMBA/IMP in Wien gemacht, die mit einer neuen Methode 2000 Proben pro Woche analysieren. Geringere Probenmengen sequenzieren unter anderem auch das Team um Dorothee von Laer und kleinere Privatlabore.

Am Mittwochabend veröffentlichte die Ages einen ersten Überblick über die Verbreitung von Mutationen in Österreich: Demnach wurden mit Stand Dienstag, 7 Uhr, in Tirol 529 Verdachtsfälle mit Mutationen registriert. Im Vorscreening wurden 221 Verdachtsfälle bestätigt. Konkret wurden 167 Fälle der Südafrika-Mutante nachgewiesen sowie 47 der britischen Variante B.1.1.7. Sieben Proben waren noch nicht sequenziert beziehungsweise nicht auswertbar. Diese Zahlen sollen laut Ages mindestens zwei Mal pro Woche aktualisiert werden.

In ganz Österreich wurden darüber hinaus bisher nur vier weitere Fälle mit B.1.351 bestätigt: Drei in Wien und ein Fall in der Steiermark.

Österreichweit 6631 Mutations-Verdachtsfälle

Insgesamt wurden bisher österreichweit 6.631 Verdachtsfälle auf eine Mutation verzeichnet. Neben den 171 bestätigten Proben auf die Südafrika-Mutante wurden bisher 580 Fälle des britischen Virus-Stamms bestätigt. Im Vorscreening auf eine der beiden Virus-Mutationen bestätigt wurden bisher 2199 Fälle.

60 Prozent werden Bezirk Schwaz zugeordnet

Laut dem Land Tirol wurden mehr als 60 Prozent der bestätigten sowie der Verdachtsfälle dem besonders betroffenen Bezirk Schwaz zugeordnet. 20 Prozent waren im Bezirk Kufstein zu verzeichnen und elf Prozent im Bezirk Innsbruck-Land.

Die Bundesregierung hat zur Eindämmung der Ausbreitung der Südafrika-Mutante unter anderem vereinbart, dass ab Freitag Ausreisen aus Tirol nur noch mit einem negativen Test möglich sind. Für Osttirol gilt das nicht. Testkapazitäten sollen massiv erweitert werden.

Neue Impfbestellung beschlossen

Am Mittwoch wurde von Türkis-Grün im Ministerrat zudem die Bestellung von sechs Millionen weiteren Impfdosen um 73 Millionen Euro beschlossen. Diese stammen aus dem EU-Kontingent, das die einzelnen Staaten zusätzlich abrufen können. 4,7 Millionen Dosen kommen von Moderna und sollen ab Ende des zweiten Quartals zur Verfügung stehen. Die weiteren Dosen anderer Firmen folgen um einiges später. Geimpft wurden bisher laut Regierung 350.000 Personen, 100.000 erhielten die notwendigen zwei Impfungen.

Zurückgewiesen wurde von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), dass man in Österreich zu stark vom nicht unumstrittenen Impfstoff Astra Zeneca abhängig sei. Die meisten Dosen habe man mittlerweile von Biontech-Pfizer mit 11,1 Millionen bestellt.

"Frage wird sich nicht stellen"

Dass mit dem Aufkommen der südafrikanischen Variante in Tirol der Impfplan durcheinandergewirbelt werden könnte, wies Anschober zurück. Auf mehrmalige Nachfragen, ob in Tirol weniger Astra Zeneca zum Einsatz kommen soll, weil der Impfstoff gegen diese Mutation nicht so viel Schutz biete, erklärte der Minister: Dies sei für ihn "überhaupt kein Thema". Zuvor hatte Anschober schon erklärt, dass es nun darum gehe, die südafrikanische Mutation in Tirol einzugrenzen – eben mit engmaschigen Tests in den betroffenen Bezirken und allfälligem Contact Tracing, Ausreisekontrollen aus dem Bundesland et cetera. Dann werde "sich die Frage" nach einer Adaption des Impfplanes "gar nicht stellen", meint Anschober.

Was die Situation in Tirol betrifft, erklärte er: Mittwochabend werde eine erste Bilanz gezogen. "Sollte es zusätzlichen Handlungsbedarf geben, werden wir uns mit dem Land Tirol verständigen." (David Krutzler, Nina Weißensteiner, 10.2.2021)