Chronische Herzschwäche ist eine ernste Erkrankung, bei der das Herz nicht mehr in der Lage ist, den Körper ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Im fortgeschrittenen Stadium ist die Überlebenschance oft schlecht. Ein von der Med-Uni Graz geleitetes Konsortium hat Hinweise gefunden, dass das Coenzym Nicotinamid zur Therapie der diastolischen Herzinsuffizienz beitragen könnte. Die Ergebnisse wurden im Journal "Science Translational Medicine" publiziert.

Das Krankheitsbild

Jahrzehntelange falsche Ernährung, zu wenig Bewegung und Bluthochdruck können dem Herzen massiv schaden und machen Menschen im Alter anfälliger für Herzerkrankungen. Simon Sedej von der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Med-Uni Graz forscht seit Jahren an den Zellmechanismen und metabolischen Veränderungen, die für die Herzmuskelschwäche verantwortlich sind.

Bei der diastolischen Herzinsuffizienz ist die Dehnbarkeit der linken Herzkammer gestört. Anzeichen für die sogenannte HFpEF (Heart Failure with preserved Ejection Fraction) sind laut Sedej unter anderem Kurzatmigkeit und Leistungsschwäche bei körperlicher Belastung: "Der Grund für diese Symptome liegt darin, dass der Herzmuskel aufgrund einer Versteifung nicht mehr richtig arbeitet."

Suche nach neuen Therapien

In einem über mehrere Jahre vom Forschungsfonds FWF geförderten Projekt hat das von ihm koordinierte europäische Konsortium nach neuen Therapiewegen für die heute noch schlecht behandelbare Erkrankung gesucht. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus Frankreich, Spanien, Portugal, der Schweiz und Deutschland hat er die jüngsten Ergebnisse rund um Nicotinamid – eine Substanz aus dem Vitamin B-Komplex – veröffentlicht.

Übergewicht, Rauchen und Bewegungsmangel führen in vielen Fällen zu schwerwiegenden Grunderkrankungen wie Fettsucht, metabolisches Syndrom und Bluthochdruck, die zu den größten Risikofaktoren für HFpEF gehören. Laut Sedej zeige sich, dass hier Medizin, die nur aufs Herz gerichtet ist, alleine nicht weiterkommt, vielmehr müsse der Stoffwechsel mit in den Blick genommen werden: "Die aus der Grunderkrankung resultierenden pathophysiologischen Mechanismen, die zu HFpEF führen und noch unzureichend erforscht sind, können potenziell durch eine Stoffwechsel-Therapie, die auf das Herz und periphere Organe wirkt, behandelt werden", schilderte er die Stoßrichtung der Forschungsgruppe. Hier kommt das natürliche Coenzym Nicotinamidadenindinukleotid (NAD+) ins Spiel: Es ist für viele Vorgänge im Körper unerlässlich und spielt in verschiedensten zellulären Reaktionen eine wichtige Rolle.

Untersuchung im Tierversuch

Sedejs Grazer Kollege Mahmoud Abdellatif hat in der jüngsten Studie gezeigt, dass NAD+ im Herzmuskel von diastolischen Herzschwächepatienten signifikant reduziert ist. Das hat die Forscher dazu bewogen, weiter auszutesten, wie sich die Erhöhung dieser Coenzym-Konzentration auf Adipositas, Bluthochdruck und nicht zuletzt die Steifigkeit des Herzens auswirkt. Methodisch wurden dafür unterschiedliche, teilweise genetisch manipulierte Kleintiermodelle herangezogen.

Zur Erhöhung des NAD+-Spiegels von Ratten und Mäusen haben die Forscher den Tieren in Wasser gelöstes Nicotinamid, einen Vorläufer von NAD+, verabreicht. Tatsächlich sei es gelungen die Produktion von NAD+ zu erhöhen und Risikofaktoren für HFpEF "signifikant" zu verbessern", wie Sedej zusammenfasste. Laut dem Forscher stimulierte Nicotinamid den oxidativen Abbau von Fettsäuren und reduzierte Adipositas. "Ebenso war das Nicotinamid in der Lage, das Energiegleichgewicht im Herzmuskel wiederherzustellen und die Steifigkeit der Herzmuskelzellen zu reduzieren", führte Sedej weiter aus. Gleichzeitig sei die Erhöhung von NAD+ mit einer Verringerung des Bluthochdrucks und einer Senkung der Sterblichkeitsrate einhergegangen.

Die vorliegenden Daten sind aus Sicht von Sedej klinisch relevante Ergebnisse, die darauf hinweisen, dass eine Erhöhung der Bioverfügbarkeit von NAD+ im Körper durch die erhöhte Aufnahme von Nicotinamid oder anderen Vorläufern "eine evidenzbasierte Therapie im Kampf gegen HFpEF" darstellen könnte. "Wir haben jetzt sehr viel Wissen akkumuliert", so der Grazer Forscher. Er würde nun gerne herausfinden, ob sich die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen. (APA, red, 11. 2. 2021)