Pixel-Optik zählt zu den Ursprüngen der Videospiel-Welt.

Foto: Feichtmeir

Pixel-Grafik war eine der beliebtesten Darstellungsformen in frühen Videospielzeiten. Ältere Gamer erinnern sich an Mario, Doom, Monkey Island oder sogar Space Invaders. Damals noch als technische Notwendigkeit eingesetzt – Rechenleistung für komplexe 3D-Grafik war noch lange nicht vorhanden –, ist es heute eine beliebte Form, wie Indie-Entwickler ihre Spiele inszenieren. Sicher auch finanziellen Gründen geschuldet, bei kleinen Projekten arbeiten zumeist Einzelpersonen oder überschaubar große Teams, darf die Kunstform dahinter nicht klein geredet werden.

Der 29-jährige Artist Thomas Feichtmeir hat sich in diesem Bereich selbstständig gemacht und arbeitet bereits seit elf Jahren in dieser Branche. Im Interview mit dem STANDARD erzählt der Künstler von seinem Werdegang, den Hürden, die der Beruf mit sich bringt, und an welchen Projekten er gerade arbeitet.

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STANDARD: Was macht die Faszination hinter Pixel-Grafik aus?

Feichtmeir: Bei Videospielen ist es wohl der zwischen realistischer Darstellung und eigener Wahrnehmung liegende Bereich. Ähnlich wie zum Beispiel beim Impressionismus. Man kann grob erkennen, was dargestellt werden soll, die Details kann jedoch jeder selbst frei mit seinen Gedanken ausfüllen. Das schafft eine persönliche Bindung zwischen Betrachter und Kunst, und daher eignet sich diese Art der Grafik auch sehr gut für Videospiele. Vielleicht sogar besser als Fotorealismus. Hinzukommt, dass Pixel-Art durch die Popularität von frühen Games wie Pac Man oder Super Mario zu einem Symbol für Videospiele geworden ist.

STANDARD: Um diese eigenen Bilder im Kopf noch zu verstärken, gibt es da Techniken, die es zu beachten gilt?

Feichtmeir: Bei gut gemachter Pixel-Optik ensteht dieser Effekt nahezu von selbst, da dein Gehirn die Details auffüllt. Liest du ein Buch, dann hast du auch ein Bild im Kopf, das die Buchverfilmung dann meist nicht genau trifft. Spielst du ein altes Spiel, von dem du lediglich das Bild im Kopf hast, nach vielen Jahren erneut und vergleichst dein imaginäres Bild mit der tatsächlichen Grafik, wird dir die Kraft dieses Effekts sehr schnell bewusst.

Einige Figuren von Thomas Feichtmeir.
Foto: Feichtmeir

Dieser Effekt macht es auch so schwer, gute Remakes zu entwickeln. Remakes verbessern Originale in vielen Belangen, kommen meist allerdings nicht an die Bild- und Gefühlswelt heran, die das Original im Kopf des Betrachters erzeugt hat. Das ist alles sehr persönlich.

STANDARD: In einem Interview haben Sie erzählt, Pixel-Kunst werde falsch wahrgenommen. Was haben Sie damit gemeint?

Feichtmeir: Der einfachste Marketingtrick, um ein Produkt mit Pixel-Optik zu verkaufen, ist es, dieses als "Retro" anzupreisen und damit ein Gefühl von Legitimität zu erzeugen. Das führt dazu, dass sämtliche Magazine und Werbungen die gleichen Wörter verwenden und somit weiterführend Pixel-Grafik ausschließlich mit Retro verbunden wird. Retro ist ein Teil von Pixel-Art, aber nicht die Existenzgrundlage. Betrachtet man ein Mosaik, so nimmt man die erkennbaren Steinchen als Stilelement wahr. Betrachtet man Pixel-Kunst, so sollte man die einzelnen Pixel, die die digitale Natur des Kunstwerks unterstreichen, auch als Stilelement anerkennen.

Bei "Gestalt" übernahm Feichtmeir mehrere Rollen.
Foto: Feichtmair

STANDARD: Aus einer gewissen Distanz bekommt man das Gefühl, sehr viele Indie-Games setzen auf Pixel-Optik. Als Laie bekommt man den Eindruck, es sieht alles sehr ähnlich aus. Wie sehen Sie das?

Feichtmeir: Da gebe ich der Blockbuster-Industrie gerne einen Seitenhieb und gebe zu bedenken, dass auch dort sehr viele Spiele sehr ähnlich aussehen, da sie ähnliche Engines, vergleichbare Technologie und wenig abwechslungsreiche Mechaniken verwenden. Viele Spiele sind Produkte mit dem Ziel, einen möglichst großen Gewinn zu machen. Innovation bleibt dabei meist auf der Strecke, da lediglich ausgefahrene Spuren nachgefahren werden.

Spiele, die kompetent designt und gleichzeitig innovativ sind, sind mit etwas Glück in der Vermarktung auch immer jene, die den Markt aufrütteln, da sie ein neues Publikum erschließen oder die Konkurrenz sehr weit hinter sich lassen. Gute Beispiele sind sicher Minecraft, Hotline Miami und Undertale, im Blockbuster-Segment sicher Fortnite oder Dark Souls. Auf jedes dieser Spiele kommen später dutzende Ableger, die mit der Formel des erfolgreichen Originals spielen, und manchmal werden so ganze Genres geboren. Ego-Shooter wurden in den Anfangsjahren auch als "Doom-Klone" bezeichnet und Action-Rollenspiele als "Diablo-Klone".

STANDARD: Sie arbeiten gerade an zwei Projekten. In welcher Form sind Sie eingebunden?

Feichtmeir: Die letzten Jahre war ich Art-Director für Gestalt Steam & Cinder, ein Spiel, das klassisch japanische Rollenspielansätze mit dem Metroidvania-Genre verbindet. Dort habe ich die Kunstplanung übernommen, den visuellen Stil entworfen, ein Team von Künstlern betreut und (zeit-)kritische Produktionsentscheidungen bezüglich der Grafiken getroffen. Das Projekt war mit nie mehr als fünf Künstlern gleichzeitig klein genug, dass ich nebenbei noch selbst sehr viele Grafiken und Animationen erstellt habe. Da der Hauptteil der Grafikproduktion zum jetzigen Zeitpunkt abgeschlossen ist und der Release in diesem Jahr bevorsteht, arbeite ich derzeit nebenbei noch als Produktionskünstler an Songs of Conquest. Das ist ein Spiel, welches die klassische rundenbasierte Rollenspiel-Aufbaustrategie zurückbringen will, à la Heroes of Might & Magic, und Pixel-Grafiken mit interessanten 3-D-Techniken mixt.

Thomas Feichtmeir ist seit elf Jahren in der Branche.
Foto: Feichtmeir

STANDARD: Sie haben an erfolgreichen Spielen wie etwa Blasphemous gearbeitet. Wie kommt man zu solchen internationalen Anfragen?

Feichtmeir: Die meisten Menschen, die meinen Social-Media-Kanälen folgen, wissen, dass ich sehr an mittelalterlicher Geschichte, Mythen und Fantasy interessiert bin. Und da das Spiel in diesem Setting angesiedelt ist und Pixel-Grafiken verwendet, passt das natürlich rein von der Richtung sehr gut zusammen. Die Entwickler haben dann einfach bei mir angefragt, ob ich was für sie machen will, und ich hatte das Projekt damals bereits auf meinem Radar und fand es sehr vielversprechend.

STANDARD: Zuletzt erschien eine Sammlung alter Turrican-Spiele aus den 1990er-Jahren. Die Sammlung war wenige Megabyte groß. Heute haben Pixel-Games mehrere Gigabyte. Wieso ist das so?

Feichtmeir: Einfach ausgedrückt: Die 2-D-Pixel-Grafiken benötigen kaum Speicher, aber andere Komponenten in Spielen sind wesentlich größer. Die meisten Spiele werden nicht mehr von Grund auf neu programmiert, sondern auf bestehenden Engines aufgesetzt, die an sich schon mehrere Dutzend Megabytes schwer sind. Dazu kommen hochqualitative Sounds, sehr große Videofiles und generell viel mehr Quantität an Inhalten in sämtlichen Bereichen. Mehr Text, höher aufgelöste Grafik, zahlreiche Sounds und komplexere Levels mit unzähligen Objekten.

Alte Spiele mussten sehr aggressiv speicheroptimiert werden, um auf der limitierten Hardware zu funktionieren. Durch neue Speichermedien und bessere Technik haben wir mehr Speicherplatz zur Verfügung, den wir glücklicherweise auch verwenden und daher modernere und größere Pixel-Art-Spiele schaffen können.

Auf der Website "Deviant Art" findet man Feichtmeirs gesammelte Werke.
Foto: Feichtmeir

STANDARD: Sie arbeiten seit elf Jahren in der Branche. Was hat sich am meisten verändert?

Feichtmeir: Die Projektgrößen. Als ich in meiner Schulzeit noch sehr viel hobbymäßig gemacht habe und Indie-Entwickler gerade so auf den ersten Erfolgswellen schwammen, waren Kunstbudgets entweder noch nicht vorhanden oder sehr klein. In den letzten Jahren gab es vergleichbar einige sehr große Produktionen, die Pixel-Art verwendet haben und auch mit Budgets im hohen fünfstelligen Bereich punkten konnten.

STANDARD: Was sind die größten Hürden als Artist in der Branche?

Feichtmeir: Zum einen ist natürlich die handwerklich qualitative Einstiegshürde vorhanden. Um den ersten Job zu bekommen, muss man bereits sehr viel können und gute Arbeit abliefern. Wenn man selbstständig arbeiten will, ist Verlässlichkeit unabdingbar. In einer Produktionsbranche, in welcher zeitliche Ziele verfolgt werden, ist Kunstproduktion eine Arbeit wie jede andere, und man muss auch kreativ sein können, wenn man sich einmal nicht danach fühlt.

STANDARD: Hat sich für Sie im letzten Jahr beruflich etwas verändert durch Covid-19?

Feichtmeir: Ja, 2020 wurden sämtliche Gaming-Conventions abgesagt. 2019 war ich auf einem Dutzend Events, 2021 waren sogar noch mehr geplant, und wie wir wissen, wurden alle Events abgesagt. Daher sitze ich seit mehr als einem Jahr hauptsächlich in meinem Homeoffice und arbeite. Homeoffice ist mein Standard, dahingehend hat sich nichts verändert, aber der soziale Kontakt fehlt, und viele meiner Freunde, die ich normal auf Events treffe, habe ich schon zu lange nicht gesehen.

"Songs of Conquest" soll die klassische rundenbasierte Rollenspiel-Aufbaustrategie zurückbringen.
Foto: Feichtmeir

STANDARD: Crunch-Times sind ein großes Thema in der Gaming-Branche. Haben Sie davon je etwas mitbekommen?

Feichtmeir: Meine Meinung dazu ist, dass Crunchtimes durch schlechtes Management passieren und vor allem in Firmen, in denen über viele Ebenen agiert wird. Projekte in gigantischen Größenodnungen werden konstant viel zu optimistisch, mit viel zu wenig Entwicklungszeit angesetzt, um Investoren glücklich zu stimmen. Zusätzlich dazu gibt jede weitere Managementebene zu optimistische Einschätzungen, sodass dem Arbeiter letztendlich ein Bruchteil der Zeit zur Verfügung steht, die tatsächlich für ein kompetentes Abarbeiten eines Tasks notwendig wäre. Die Leute müssen mehr arbeiten, und die Industrie verbrennt so viele erfahrene Arbeitskräfte, die einfach keine Lust auf diese Arbeitspraktiken und den Stress unbezahlter Überstunden haben. So wandern viele erfahren Leute ab, und die Last verschiebt sich auf Junior-Arbeitskräfte, die durch ihre Unerfahrenheit dann sehr oft überfordert sind, und unzählige Bugs zum Release sind die Folge.

STANDARD: Letzte Frage. Was spielen Sie aktuell?

Feichtmeir: Octopath Traveller. Ich bin sicher, dass wir in Zukunft mehr dieser 3-D-Pixel-Art-Hybridspiele sehen werden.

(Alexander Amon, 13.2.2021)