Der irische Premier Micheal Martin verlangt sowohl von EU- als auch von britischer Seite Kompromissbereitschaft.

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London – Vor einem Krisentreffen zur Lage in Nordirland hat der irische Premier Micheal Martin die EU und Großbritannien zu Kompromissbereitschaft aufgerufen. Beide Seiten müssten "ihre Rhetorik zurückfahren", sagte Martin am Donnerstag. EU-Kommissionsvize Maroš Šefčovič und der britische Staatsminister Michael Gove hatten per Brief gegenseitige Kritik geübt, bevor sie am Donnerstagabend in London über Sonderregeln und Spannungen in Nordirland diskutieren wollten.

Es gebe "Elemente, die die britische Regierung klären kann, aber genauso gibt es das auf europäischer Seite. Ich würde sagen, dass auch einige Mitgliedsstaaten sich beruhigen müssen", sagte Martin.

EU wirft Großbritannien mangelnde Brexit-Umsetzung vor

Die EU wirft Großbritannien eine mangelnde Umsetzung von Brexit-Absprachen vor. In einem Brief an Gove kritisierte Šefčovič, dass Vereinbarungen zur Kontrolle des Waren- und Personenverkehrs zwischen Nordirland und den anderen Teilen des Vereinigten Königreichs nicht eingehalten würden.

Die britische Seite will sich energisch für Lockerungen des sogenannten Nordirland-Protokolls einsetzen, um negative Folgen für die Wirtschaft abzufedern. So hatte Gove in seinem Schreiben erheblich längere Übergangsfristen gefordert – und andernfalls mit "allen zu Verfügung stehenden Mitteln" gedroht.

Das Nordirland-Protokoll sieht vor, dass die Insel ein gemeinsamer Wirtschaftsraum bleibt und dass für Nordirland – anders als im übrigen Vereinigten Königreich – weiter Regeln von EU-Binnenmarkt und Zollunion gelten. Deshalb soll nun an den Häfen kontrolliert werden, wenn Ware übers Meer von Großbritannien beispielsweise ins nordirische Belfast kommt. Damit entsteht eine Warengrenze zwischen Nordirland und dem übrigen Königreich. (APA, 11.2.2021)