Das kann man getrost als Knalleffekt bezeichnen: An Gernot Blümels Privatadresse klopften am Donnerstag die Ermittler an. Eine Hausdurchsuchung am Wohnsitz eines amtierenden Finanzministers, im Nebenjob Wiener ÖVP-Chef und zudem enger Vertrauter des Bundeskanzlers: Das hat die Republik noch nicht erlebt, und das sitzt selbst in einem Land tief, das sich längst an den tiefen Sumpf der Republik gewöhnt zu haben scheint. Was bedeuten die jüngsten Schritte gegen einen Spitzenpolitiker der Kanzlerpartei? Und welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?

Die Anschuldigung lautet, Blümel habe ein Spendenangebot der Novomatic an Sebastian Kurz vermittelt. Der Minister spricht von falschen Vorwürfen – es gilt die Unschuldsvermutung. Wie fundiert die Anschuldigungen sind, lässt sich anhand der Informationslage kaum beurteilen.

Trotz heftiger Forderungen der Opposition will Finanzminister Gernot Blümel nicht zurücktreten.
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Man sollte jedenfalls davon ausgehen, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ausreichend Verdachtsmomente in Händen hält, um derart brisante Ermittlungshandlungen rechtfertigen zu können. Nebenbei sei erwähnt, dass solche Schritte der Strafverfolgung einer richterlichen Genehmigung bedürfen. Die wird man sich angesichts der politischen Bedeutung der Handlung wohl überlegt haben.

Grabenkämpfe

Wenn nicht, wäre das für die durch interne justizielle Grabenkämpfe ohnehin angeschlagene Anklagebehörde ein herber Schlag. Man denke nur an die rechtswidrigen Hausdurchsuchungen beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Man denke umgekehrt aber auch an die Behinderung in anderen Causen, über die erst am Mittwoch die ehemalige Staatsanwältin Christina Jilek berichtet hat.

Somit lässt sich nach der Hausdurchsuchung schon einmal konstatieren: Die Justiz steht zumindest nicht derart unter Kuratel, dass sie Beißhemmung gegenüber den Mächtigen hätte. Das ist weniger selbstverständlich, als es sein sollte. Man denke nur an die Verfahrenseinstellungen in der Telekom-Affäre: Während zahlreichen Personen Politikerbestechung vorgeworfen wurde, landete keiner der Zahlungsempfänger auf der Anklagebank. Nehmen ist seliger als Geben, scheint die Devise gewesen zu sein.

Dritter Ressortchef im Glücksspiel verfangen

Für die ÖVP ist die Sache ziemlich desaströs. Nach den Ex-Finanzministern Josef Pröll und Hartwig Löger – für die ebenfalls die Unschuldsvermutung gilt – ist nun der dritte Ressortchef im Glücksspiel verfangen. Dass mit Karl-Heinz Grasser ein weiterer früherer Säckelwart mit blau-schwarzer Vergangenheit kürzlich – nicht rechtskräftig – verurteilt wurde, mag Zufall sein, verbessert die Optik aber nicht wirklich.

Nicht gerade entlastend für die Volkspartei wirken zahlreiche weitere Ungereimtheiten rund um Novomatic, die ja einiges Geld in ÖVP-nahe Vereine investiert hat, die in Verbindung mit einem gewissen Wolfgang Sobotka stehen. Zudem werfen die Akten im Fall Casinos/ Novomatic ein äußerst schiefes Licht auf weitere türkise Würdenträger.

Trotz heftiger Forderungen der Opposition will Blümel nicht zurücktreten. Das erscheint schon deshalb bedenklich, weil der Minister auch für die Glücksspielaufsicht zuständig ist. Mit dem Beharren auf der Weiterführung seines Amtes tut der Finanzminister – unabhängig von der Stichhaltigkeit der Vorwürfe – außerdem weder der ÖVP noch der Regierung einen Gefallen. Denn in der derzeitigen Krise kann sich die Republik eine "Lame Duck" in zentraler Funktion nicht leisten. (Andreas Schnauder, 11.2.2021)