Jemanden anzuklagen ist Christina Jilek aus ihrem Berufsleben gewöhnt: Jahrelang ermittelte sie bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit ihren Kolleginnen und Kollegen gegen korrupte Politiker, Lobbyisten und Superreiche. Am Mittwoch lieferte Jilek aber eine andere Art der Anklage – es war die wohl spektakulärste ihres Lebens. Vor den Abgeordneten des Ibiza-Untersuchungsausschusses hielt Jilek ein emotionales Plädoyer gegen politische Einflussnahme auf die WKStA. Ein Opfer davon ist gewissermaßen Jilek selbst: Denn die einstige Staatsanwältin hat im Herbst aufgegeben und die Korruptionsbehörde verlassen.

Christina Jilek (40) enthüllt im Ibiza-U-Ausschuss politische Einflussnahme.
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Zu intensiv und häufig seien die "Nadelstiche" gewesen, mit denen vor allem die Oberstaatsanwaltschaft Wien die WKStA-Mitarbeiter zermürbt hätte, berichtete Jilek. Ein Konflikt über die Frage, welche Informationen an den U-Ausschuss übermittelt werden, führte sogar zu einer sogenannten Ausstellung. So wird eine Form von disziplinärer Rüge gegen Staatsanwälte genannt. Jilek kämpfte gemeinsam mit WKStA-Leiterin Ilse Vrabl-Sanda dagegen an, die Ausstellung wurde sogar zurückgezogen – doch für Jilek war damit "das Fass vollgemacht". Schon zuvor hatte sie mit ständigen Konflikten zu kämpfen: Ihr wurde der Eurofighter-Akt von der Staatsanwaltschaft Wien übergeben, sie sollte Ordnung in das hinterlassene Chaos ("ein Schas", wie es ein zuständiger Fachaufseher beschrieb) bringen. Der Ermittlungsinstinkt der WKStA prallte auf konträre Vorstellungen der Oberbehörden, übrig blieben heimliche Tonbandaufnahmen und gegenseitige folgenlose Anzeigen.

Dann kam Ibiza, und auch hier fühlte sich Jilek, als würden ihr Steine in den Weg gelegt: Ein Polizist der Soko Tape, der sich politisch bei der ÖVP engagiert hatte, verweigerte laut Jileks Darstellung die Umsetzung wichtiger Ermittlungsschritte. Später wurde die WKStA von dem Fall abgezogen.

Über Jileks Privatleben ist nur wenig bekannt – das handhaben die meisten Staatsanwälte so, um sich nicht angreifbar zu machen. Verheiratet ist die Grazerin, die nun als Richterin tätig sein wird, mit einem Staatsanwalt. Dass sie erst nach dem Verlassen der WKStA vor dem U-Ausschuss auspackte, dürfte Zufall sein: Eine frühere Befragung wurde aus Zeitgründen vom Ausschuss abgesagt. Schon vor ihr hatten Staatsanwälte der WKStA erstaunlich offen über die Zustände in der Justiz gesprochen. Es blieb ohne Folgen. (Fabian Schmid, 11.2.2021)