Um Punkt null Uhr starteten am Freitag die Grenzkontrollen in Nordtirol, wie hier am Arlberg.

Foto: Florian Lechner

Die 3. Militärpolizei-Kompanie aus Salzburg ist mit 92 Mann nach Tirol ausgerückt. 28 von ihnen tun am Arlberg Dienst.

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Die erste Nacht mit Kontrollen an der Grenze zwischen Tirol und Vorarlberg verlief sehr ruhig.

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Sonst touren in diesem Bus Rockstars, jetzt nutzen ihn Soldaten für Corona-Tests.

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Die Kontrollstelle direkt vor dem Arlbergtunnel kurz nach der "Eröffnung".

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St. Anton am Arlberg – Viel war nicht los um diese Zeit. Die geltende Ausgangssperre sowie die eisigen Temperaturen machten den Arlberg in der Nacht auf Freitag zu einem denkbar unwirtlichen Ort. Doch Oberst Frank Nalter vom Militärkommando Tirol konnten selbst die eisigen Böen nichts anhaben. "Ich mag den Winter", erklärte er mit einem Lächeln auf den durch die FFP2-Maske im Bundesheer-Design verdeckten Lippen. Währenddessen postierten sich seine Kameraden sowie eine Wagenbesatzung der Landecker Polizei direkt vor dem Portal des Arlbergtunnels. Um Punkt null Uhr starteten sie gemeinsam die Kontrolle aller Ausreisenden. Wie gesagt, viele waren es nicht in der erste Stunde dieses Freitags. Ein Polizeisprecher sagte Freitagfrüh, dass der Start "problemlos" verlief. Nur "einige wenige" hätten keinen negativen Test vorweisen können.

Auf Geheiß der Bundesregierung, genau gesagt des Gesundheitsministeriums, müssen in den kommenden zehn Tagen alle Reisenden, die Tirol verlassen wollen, einen negativen Antigen- oder PCR-Test vorweisen. Dieser darf nicht älter als 48 Stunden sein. Die Maßnahme soll die Ausbreitung der in Tirol grassierenden südafrikanischen Mutation des Coronavirus bremsen. Der Verordnung war ein tagelanger Streit zwischen Tirols Landesregierung, in erster Linie der ÖVP, und der Bundesregierung, vordergründig Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), vorausgegangen. Aber hinter den Kulissen soll auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wenig Freude mit seinen renitenten Parteikollegen gehabt haben.

Testmöglichkeit an Bundesländergrenzen

Nun wird jedenfalls kontrolliert, an insgesamt 26 Grenzübergängen, davon sechs innerösterreichisch zu Salzburg und Vorarlberg. Bei diesen Binnengrenzen können Reisende, die keinen negativen Test bei sich haben, vor Ort einen Antigentest machen lassen, um weiterzureisen. Am Arlberg wurde dazu in Pettneu, wenige Kilometer von der Kontrollstelle am Tunneleingang entfernt, eine Teststation eingerichtet. In einem Tourbus eines Tiroler Unternehmens, der sonst Musikstars als mobile Bleibe dient, nehmen als Notfallsanitäter ausgebildete Soldaten die Tests ab.

Im Testbus in Pettneu am Arlberg können Schnelltests für Reisende und sogar PCR-Tests zur Infektionsabklärung gemacht werden.
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Wer an der Bundesländergrenze zurückgewiesen wird, fährt nach Pettneu, lässt einen Abstrich machen und wartet das Ergebnis ab. Ist es negativ, darf man Tirol verlassen. Ist es positiv, wird direkt vor Ort ein PCR-Test gemacht. Diese Proben werden einmal pro Tag nach Landeck zur Analyse gebracht. Bis das Ergebnis vorliegt, müssen die Getesteten im Land in Quarantäne bleiben. Entweder an ihrem Wohnort oder, wenn Nichttiroler, in einer eigens dafür vom Land bereitgestellten Unterkunft in Innsbruck. Nach demselben Prinzip funktioniert das auch an der Grenze zu Salzburg.

Ausgenommen von der Testpflicht sind nur Kinder unter zehn Jahren, der Behörden-, Transit- und Warenverkehr. Und wenn es zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr dient, ist bei der Ausreise ebenfalls kein Test vorzuweisen. Zudem gelten an den Bundesgrenzen Nordtirols zu Deutschland sowie Italien zum Teil etwas andere Regeln. So muss seit Mittwoch auch bei der Einreise nach Österreich ein negatives Testergebnis vorgelegt werden, das nicht älter als 72 Stunden ist. Und es gilt die Registrierungs- sowie Quarantänepflicht.

Weitreichende Konsequenzen möglich

Überhaupt könnte der deutsche Beschluss, Tirol wegen des weit überdurchschnittlichen Vorkommens der südafrikanischen Virusvariante zur gefährlichen "Mutationszone" zu erklären, für das Bundesland nun weitreichende Konsequenzen auch durch andere EU-Staaten und Nachbarregionen haben. Die deutsche Regierung setzt damit im Grunde nur um, was die 27 Staats- und Regierungschefs bei ihrem letzten virtuellen Gipfel beschlossen haben, auch mit der Stimme von Bundeskanzler Kurz.

Demnach sollte das Spektrum der in der EU-Ampel bestehenden Farbskala von Grün, Orange und Rot, die das Ausmaß an Infektionen durch "normale" Viren in den Staaten anzeigt, durch eine besondere Warnfarbe – Dunkelrot bzw. Purpurrot – ergänzt werden. Sie würde anzeigen, dass die sogenannte Inzidenz (positiv nachgewiesene Fälle pro 100.000 Einwohnern) durch übermäßig viele mutierte Viren des britischen oder südafrikanischen Typs bestimmt ist. Da dieser Typus als besonders gefährlich für eine Eskalation der Pandemie im offenen Europa angesehen wird, sollen in "dunkelroten Zonen" besonders harte Schutzmaßnahmen möglich sein.

Die EU-Regierungschefs waren damals vor allem durch entsprechende Entwicklungen in Portugal und England beunruhigt. Es müsse um jeden Preis verhindert werden, dass sich die gefährlicheren Virustypen EU-weit ausbreiten. Dazu müsse es sowohl bei der Einreise aus Drittstaaten wie auch zwischen den EU-Staaten entsprechende Maßnahmen geben – bis hin zu Grenzsperren. Die Kommission wurde beauftragt, entsprechende Vorschläge zu machen. Ende Februar wird sich ein neuerlicher EU-Gipfel damit befassen.

Keine Erlaubnis aus Brüssel nötig

Aber die Regierungen der EU-Staaten brauchen keine Erlaubnis aus Brüssel, um eigenmächtig Konsequenzen zu ziehen. Wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Jänner sagte, liegen derartige Entscheidungen im nationalen Ermessen. Die Kommission drängt lediglich darauf, dass harte Maßnahmen wie Quarantäne- oder Testpflicht grenzüberschreitend in betroffenen Regionen vereinbart werden, damit nicht immer ganze Staatsgebiete "zugesperrt" werden.

Das Ziel ist, die gefährlichen Viren lokal und regional mit umso härteren Maßnahmen zu bekämpfen. Es ist wenig sinnvoll, wenn Maßnahmen, die an der bayerisch-tirolerischen Grenze gesetzt werden, auch gleich für ganz Deutschland bis hinauf nach Hamburg gelten oder umgekehrt auch in Ostösterreich.

Signal an andere, Tirol besonders zu behandeln

Die deutsche Entscheidung ist also auch ein starkes Signal an alle anderen Regierungen, Tirol besonders zu behandeln. Das Bundesland gilt ab sofort de facto als Hotspot des "Südafrikavirus". Wer dorthin reist oder von dort kommt, muss damit rechnen, dass er das nur mit vorherigem Test machen kann und dann in eine lange Quarantäne gehen muss, bevor er den Fuß auf das Gastland setzen kann.

Ausnahmen soll es nur für den Berufsverkehr, etwa Pendler, geben. Indem Deutschland seinen eigenen strengen Lockdown bis 7. März verlängert hat, scheint es nur logisch, dass es für Reisende aus und nach Österreich auch so lange strenge Beschränkungen geben wird. Durch die grenzüberschreitende Lösung, und wenn nur Tirol besonders abgeriegelt wird, könnte sich für den Rest Österreichs, insbesondere Vorarlberg und Salzburg, sogar eine Erleichterung ergeben: Dort könnten "normale" Beschränkungen gelten, wie sie in der EU-Ampel angezeigt werden.

Irland preschte bereits vor: Österreich wurde auf die Liste der Länder gesetzt, für die verschärfte Maßnahmen gelten. Wer von Österreich nach Irland fliegt, muss nach der Einreise gleich 14 Tage in Quarantäne, entsprechend dortigen Regeln. Ein Freitesten gibt es frühestens nach fünf Tagen. (Steffen Arora, Thomas Mayer, red, 12.2.2021)