Corona hat sich auch auf die Zahl der Einbürgerungen ausgewirkt.

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Die Zahl der Einbürgerungen war im Corona-Jahr zum ersten Mal seit 2010 rückläufig: 2020 bekamen 15,2 Prozent weniger Menschen die österreichische Staatsbürgerschaft als im Jahr davor. Mit 8.996 Personen betrug die Einbürgerungsrate – dabei handelt es sich um den Anteil der Eingebürgerten an allen in Österreich wohnhaften Ausländern – nur 0,6 Prozent. Das war noch weniger als der bisherige Negativrekord von 0,7 Prozent im Jahr 2019, teilte die Statistik Austria am Freitag mit. SOS Mitmensch sieht eine "alarmierende Entwicklung".

"Corona hat auch die Einbürgerungen ausgebremst. Nach neun Jahren mit steigenden Zahlen erhielten 2020 erstmals wieder deutlich weniger Menschen die österreichische Staatsbürgerschaft", kommentierte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas die Zahlen.

Mehr Frauen als Männer

Von den 8.996 Neo-Österreichern – 200 von ihnen hatten einen Wohnsitz im Ausland – hatte jede dritte Person vor der Einbürgerung die bosnische, serbische oder türkische Staatsangehörigkeit. Zwei von fünf Einbürgerungen fanden in Wien statt. 54 Prozent der Eingebürgerten waren Frauen, der Anteil der Kinder unter 18 Jahren betrug 33,2 Prozent.

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35,4 Prozent der neuen Staatsbürger wurden bereits in Österreich geboren. 967 von ihnen hatte vorher die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina, 943 die serbische und 847 die türkische. Auch nach dem Geburtsland betrachtet, waren diese drei Länder am stärksten vertreten: 9,1 Prozent der neuen Staatsbürger 2020 wurden in Bosnien und Herzegowina geboren, 8,2 Prozent in Serbien und 6,4 Prozent in der Türkei.

Kärnten und Tirol gegen den Trend

Gegen den Trend stellten sich im Vorjahr zwei Bundesländer. In Kärnten (plus 6,5 Prozent) und in Tirol (plus 4,2 Prozent) stiegen 2020 die Einbürgerungen. Den stärksten Rückgang verzeichnete Wien (minus 24,7 Prozent), gefolgt von Vorarlberg (minus 19,3). Auch im Burgenland, in Salzburg und der Steiermark lag der Rückgang über dem Bundesdurchschnitt.

In Wien wurden – mit 3.435 – dennoch weit mehr Einbürgerungen verzeichnet als in den anderen Ländern. In den ebenfalls bevölkerungsstarken Bundesländern Niederösterreich (1.269) und Oberösterreich (1.229) waren es deutlich weniger. Die wenigsten neuen Staatsbürger gab es im kleinsten Bundesland, nämlich 166 im Burgenland.

Einbürgerungen wegen Rechtsanspruchs

Fast zwei Drittel aller Einbürgerungen 2020 erfolgten aufgrund eines Rechtsanspruchs: 4.126 Personen wurden nach mindestens sechsjährigem Wohnsitz in Österreich und aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (zum Beispiel EWR-Staatsangehörigkeit, Geburt in Österreich oder asylberechtigt) Staatsbürger, 663 Personen aufgrund der Ehe mit einem Österreicher bzw. einer Österreicherin, 362 Personen aufgrund eines mindestens 15-jährigen Wohnsitzes in Österreich und nachhaltiger Integration, 213 betrafen außereheliche Kinder bzw. Wahlkinder bis 14 Jahre sowie 130 Nachkommen politisch Verfolgter.

Im Ermessen erhielten 953 Personen die Staatsbürgerschaft, darunter 917 nach mindestens zehnjährigem Wohnsitz. Unter dem Titel "Erstreckung der Verleihung" wurden 2.063 Kinder sowie 282 Ehepartner Österreicher.

Für SOS Mitmensch ist es eine "alarmierende Entwicklung", dass im Vorjahr von 1.000 Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft nur sechs eingebürgert wurden. "Die Nichteinbürgerungspolitik der Bundesregierung nimmt immer dramatischere Züge an. Davon betroffen sind inzwischen auch mehr als 220.000 hier geborene junge Menschen, denen die Anerkennung als Österreicher bzw. Österreicherinnen und gleiche Rechte verweigert werden", so Sprecher Alexander Pollak. SOS Mitmensch hat für seine #hiergeboren-Initiative 35.000 Unterschriften "für ein faires Einbürgerungsrecht" gesammelt. (APA, 12.2.2021)