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Derzeit bereits von fallenden Ölpreisen durch die Corona-Krise betroffen, müssen sich Ölexport-abhängige Staaten wie Saudi-Arabien vor allem für die Zukunft ein neues Konzept überlegen.

Foto: AP/Amr Nabil

Wer beim Spielen alles auf eine Karte setzt, ist entweder lebensmüde oder zu hundert Prozent siegessicher. Die Öl- und Gasstaaten dieser Welt spielen dieses Spiel bereits seit Jahrzehnten – und es gibt zunehmend Anzeichen, dass sie auf die falsche Karte gesetzt haben könnten.

Die sogenannten Petrostaaten sind jene Länder, die das Glück (oder Pech) haben, auf großen Vorräten von Öl und Gas zu sitzen – und damit einen Großteil ihrer Einnahmen erwirtschaften. Pech deshalb, weil genau jener Ressourcenreichtum in den meisten Fällen zu Armut, Ungleichheit und Korruption geführt hat, das Phänomen ist in der Wissenschaft auch als "Ressourcenfluch" bekannt. Unter allen Staaten, die zumindest 25 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Export von Öl und Gas erzielen, darunter etwa Venezuela, Saudi-Arabien, der Irak oder Angola, befindet sich lediglich eine "gut funktionierende Demokratie", nämlich Norwegen.

Starke Einbußen

In Zukunft könnte der Geldhahn für die Eliten des Landes aber langsam zugedreht werden. Laut einer neuen Studie der britischen Denkfabrik Carbon Tracker Initiative könnten jene 40 Staaten der Welt, die am meisten von den Erlösen von Öl und Gas abhängig sind, in den nächsten zwei Jahrzehnten 51 Prozent – oder umgerechnet neun Billionen Dollar – an Einnahmen einbüßen. Grund dafür könnten die weltweiten Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Erfüllung der Ziele der Pariser Klimakonferenz sein.

Die meisten Einbußen werden laut den Forschern jene 19 Länder mit insgesamt 400 Millionen Einwohnern zu tragen haben, die am stärksten von Öl und Gas abhängig sind und in denen die Bevölkerung besonders arm ist, worunter etwa Nigeria und Angola fallen. Aber auch Länder wie Saudi-Arabien (69 Prozent Öl- und Gasanteil an Einnahmen), Mexiko (18 Prozent), Iran (37 Prozent) und Russland (23 Prozent) könnten von den Veränderungen stark betroffen sein.

Unterschiedliche Szenarien

Das Szenario, das die Forscherinnen und Forscher für ihre Berechnungen heranzogen, geht von einem Temperaturanstieg von 1,65 Grad Celsius und einem Ölpreis von 40 Dollar pro Barrel aus. Vieles hängt allerdings vom Willen und Durchsetzungsvermögen der Politik ab, Klimaschutzmaßnahmen auch umzusetzen. So hofft die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) weiterhin auf eine langsamere Energiewende: Demnach soll die Nachfrage nach Öl erst 2040 an ihrem Höhepunkt angekommen sein. Viele Analysten und sogar andere Ölfirmen bezweifeln das allerdings. Nicht zuletzt würde das Opec-Szenario wohl zu dramatischen Klimaauswirkungen führen.

Aber selbst bei den Szenarien der Opec ist die Energieumstellung keine Frage des Ob, sondern des Wann. Laut der Carbon Tracker Initiative wird der Weg aus dem Öl in den Petrostaaten auf jeden Fall zu Jobverlusten und Gehaltseinbußen führen, was auch die ärmsten Bevölkerungsgruppen treffen könnte.

Nachhaltige Umstellung

Deshalb sollten die Petrostaaten laut Forschern schon jetzt die Einnahmen aus Öl und Gas nutzen, um die Wirtschaft nachhaltig umzubauen. So hat sich Saudi-Arabien bereits vor einigen Jahren vorgenommen, bis 2030 30 Prozent des Stroms mit erneuerbaren Energien zu erzeugen. Zudem soll vermehrt in den Tourismus und die lokale Industrie investiert werden.

Ganz so eilig scheint es das Land vorerst aber noch nicht zu haben. Erst vor wenigen Monaten kündigte der ehemalige Energieminister Saudi-Arabiens an, dass der Ölstaat höchstwahrscheinlich auch in den nächsten Jahrzehnten vorhabe, die gleichen Mengen an Öl zu exportieren.

Der Umstieg könnte dann aber zu spät sein. Denn wenn die Ölpreise einmal niedrig sind, fehlen die Einnahmen für wirtschaftliche Reformen. Für die Bevölkerung könnte es dann nach dem ersten auch noch einen zweiten Ressourcenfluch geben. (Jakob Pallinger, 12.2.2021)