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PRO: Verantwortlich handeln

von Petra Stuiber

Interessant an Gernot Blümels Auftritt am Freitag war weniger die eidesstattliche Erklärung des Finanzministers, dass er keine Spenden angenommen habe. Viel interessanter war, was er sich nicht erklären konnte: Warum der Novomatic-Chef ihn, den damaligen Wiener nicht amtsführenden Stadtrat, überhaupt angerufen habe? Eine gute Frage – keine Ahnung. Ob das Finanzministerium für die sich damals in Italien in Steuerturbulenzen befindliche Novomatic interveniert habe? Auch eine gute Frage – keine Ahnung. Das war dann eher nicht das, was er tags zuvor beteuert hatte: dass man diese Sache "mit wenigen Worten aufklären" könne.

Übrig bleibt das mittlerweile schon Gewohnte: ein komisches Gefühl, ein Verdacht, der in der Luft hängt, eine "schiefe Optik". Das hat mittlerweile eine recht unappetitliche Systematik. Seit dem Auftauchen des Ibiza-Videos umwabert die türkise ÖVP ständig irgendetwas komisch. Man erinnere sich an die Schredderaffäre, bei der ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramts eine ominöse Rolle spielte; an dubiose Nachrichten auf dem beschlagnahmten Handy von Thomas Schmid, dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium und Öbag-Vorstand; oder auch an die Zuwendungen an das Alois-Mock-Institut und das Sponsoring des Waidhofener Kammerorchesters, bei denen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wichtige Funktionen innehalt. Immer ist irgendetwas komisch. Und jetzt also der amtierende Finanzminister, für den, natürlich, die Unschuldsvermutung gilt.

Das ist die strafrechtliche Seite. Die andere ist die politische Verantwortung einer Partei, die seit über drei Jahrzehnten Teil österreichischer Bundesregierungen ist und mit Sebastian Kurz den Bundeskanzler stellt. Politische Verantwortung kommt vor dem Strafrecht – lange davor.

Sie liegt bei der ÖVP, beim Finanzminister selbst und beim Bundeskanzler. Er hätte längst dafür sorgen müssen, dass der Rechnungshof alle Parteifinanzen kontrollieren darf. Und er müsste es unvereinbar finden, dass der Finanzminister, der über das Glücksspiel in Österreich wacht, gleichzeitig von der Staatsanwaltschaft in einem Ermittlungsverfahren als Beschuldigter geführt wird. Blümel muss offensiv mithelfen, die Sache aufzuklären. Und er darf nicht den leisesten Verdacht aufkommen lassen, dass er seine politische Funktion mit einem persönlichen Interesse verknüpfen könnte. Kurz müsste das sehen – wenn es Blümel schon selbst nicht tut. (Petra Stuiber, 12.2.2021)

KONTRA: Verdächtigt ist nicht schuldig

von Eric Frey

Im Straf- und Medienrecht erlischt die Unschuldsvermutung für Beschuldigte erst, wenn ein Urteil rechtskräftig geworden ist. In der Politik ist diese Frist deutlich kürzer. Es ist unvorstellbar, dass der in erster Instanz verurteilte Karl-Heinz Grasser heute in einer Regierung sitzen könnte. Allein schon eine Anklage muss eine politische Karriere beenden oder zumindest bis zu einem rechtskräftigen Freispruch unterbrechen.

Aber davon ist Finanzminister Gernot Blümel in der Causa Novomatic meilenweit entfernt. An sich sind Spenden von Konzernen an Parteien unter gewissen Auflagen legal; ebenso ist es zulässig, wenn ein Unternehmen bei einem Problem im Ausland um politischen Beistand bittet. Problematisch ist die Verknüpfung der beiden Aktivitäten – und die hat Novomatic-Chef Neumann in seiner Nachricht an den damaligen Wiener Stadtrat zumindest angedeutet.

Das zu klären ist nun die Aufgabe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die deshalb zu Recht bei Blümel rasch eine Hausdurchsuchung durchführen ließ. Der Finanzminister wird zwar als Beschuldigter geführt. Aber wie der Korruptionsexperte Georg Krakow erläutert, ist diese Bezeichnung irreführend. Blümel wird einfach nur verdächtigt, weil gewisse Indizien auf ein mögliches strafbares Verhalten weisen. Verdacht allein kann nicht das Kriterium für einen Rücktritt sein; es gibt auch so etwas wie politische Unschuldsvermutung. Dass Blümels Handlungsfähigkeit als Minister eingeschränkt ist, weil er sich Befragungen der Staatsanwaltschaft stellen muss, ist ebenfalls unwahrscheinlich.

Das kann sich ändern, wenn sich die Indizien erhärten, dass es tatsächlich ein Quidproquo gab, also Geld für Amtshilfe – und Blümel daran beteiligt war. Das Angebot allein ist zwar auch schon strafrechtlich relevant, aber nur dann, wenn es nicht zurückgewiesen wurde. Auch das müssen Blümel und die Staatsanwälte klären. Bis dahin ist die Suppe doch sehr dünn.

Politisch kann man sich fragen, ob eine Partei, die ständig um hohe Spenden aus der Wirtschaft wirbt, um mit überteuerten Wahlkämpfen ihre Macht abzusichern, die bestimmende Kraft des Landes sein soll. Die Reihe der Spendenskandale im schwarz-türkisen Umfeld ist lang und geht viele Jahre zurück. Die Antwort darauf haben die Wähler allerdings mehrmals gegeben: Es ist vielen ziemlich egal. Auch das muss man akzeptieren. (Eric Frey, 12.2.2021)