Damit Österreicher auch im Internet mehr regional kaufen, hat die Bundesregierung das Kaufhaus Österreich entwickelt. Das Ende ist bekannt: Die medioker programmierte Seite ist kein Kaufhaus mehr.

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Ein rot-weiß-roter Onlineshop hätte das Kaufhaus Österreich werden sollen, Konkurrenz für Amazon. Übrig bleibt eine medioker programmierte Linkliste samt Ministeranklage, die die SPÖ gegen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) einbringen wird. Denn das gescheiterte Digitalprojekt kostete gut 1,3 Millionen Euro.

SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter kritisierte neben der verantwortlichen Ministerin auch die Agentur Accenture, sie hat am gescheiterten Kaufhaus mitgewirkt. Diese leiste immer dann Hilfe, wenn "etwas nicht funktionieren soll", sagte Matznetter wohl auch mit Blick auf ein weiteres von Türkis-Grün groß angekündigtes, aber bisher mäßig erfolgreiches Digitalprojekt: die Stopp-Corona-App.

Programmiert hat sie Accenture für das Rote Kreuz. Bisher floppte sie als Werkzeug für die Corona-Kontaktverfolgung. Allerdings will der für Luftfahrt zuständige Staatssekretär im Klimaschutzministerium, Magnus Brunner (ÖVP), dass die App künftig als Nachweistool für Corona-Tests und Impfungen für Flugreisen eingesetzt werden könnte. Gespräche mit dem Gesundheitsministerium laufen bereits, erfuhr DER STANDARD.

Staatssekretär Magnus Brunner will die Stopp-Corona-App im Flugverkehr als Impf- und Testnachweis einsetzen. Mit dem Gesundheitsministerium spreche man bereits. Mit dem Roten Kreuz, das für die App verantwortlich ist, habe noch niemand gesprochen, heißt es.
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Flut an Aufträgen

Fast drei Millionen Euro hat die Stopp-Corona-App laut Medienberichten bisher gekostet, zwei Millionen standen anfänglich aus zweckgebundenen Spenden bereit, eine Million kam später vom Bund dazu. Accenture hat die App für das Rote Kreuz technisch umgesetzt, am Projekt beteiligt waren aber auch andere Unternehmen.

Zu etwaigen "Ideen betreffend den Flugverkehr hat noch niemand Kontakt zu uns aufgenommen", heißt es vonseiten des Roten Kreuzes, es gebe auch keine entsprechenden Kalkulationen. Aber man prüfe derzeit sehr wohl, ob und wie Testergebnisse über die App nachgewiesen werden können – das könnte eine zusätzliche, einfache Möglichkeit sein, das eigene Testergebnis stets griffbereit zu haben, sagt ein Sprecher des Roten Kreuzes.

Bei Accenture wiederholt man diesbezüglich einmal mehr, dass man das Projekt technisch umsetze und an strategischen Fragen nicht beteiligt sei. Das gilt auch für das Kaufhaus Österreich, das für die Agentur weniger lukrativ war. Dort hat der IT-Berater bloß das Screen-Design angepasst – der Auftrag über rund 100.000 Euro kam erst im Herbst, das Projekt war zu diesem Zeitpunkt schon fortgeschritten.

Opposition geht Beraterverträgen nach

Gemessen an den öffentlichen Aufträgen, die der IT-Berater jedes Jahr an Land zieht, stachen beide Aufträge nicht aus der Reihe. Immer wieder will die Opposition von der Bundesregierung wissen, welche externen Berater sie sich leistet. Wer sich durch die Anfragebeantwortungen von Türkis-Grün wühlt, stößt immer wieder auf Accenture.

Die türkis geführten Ministerien für Inneres, Bildung und Arbeit ließen sich die Berater von Accenture seit 2018 fast eine Million Euro kosten, das grüne Justizministerium gab 180.000 Euro aus.

Justizministerin Alma Zadić wird derzeit von Vizekanzler Werner Kogler (beide grün) vertreten.
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Aber nicht nur die Ministerien vergeben Aufträge, auch andere Entitäten der Republik unterhalten Rahmenvereinbarungen mit der Beraterfirma, aus denen sie immer wieder Leistungen abrufen. Das Bundesrechenzentrum (BRZ) tat dies laut der Website offenevergaben.at seit Juli mindestens 16-mal und gab dabei mehr als zwei Millionen Euro für den Dienstleister aus.

Vom land-, forst-, und wasserwirtschaftlichen Rechenzentrum (LFRZ), das die Federführung beim Kaufhaus Österreich innehatte, gab es im Oktober 2019 einen Auftrag für fast eine Million Euro für Accenture, im Herbst 2020 besagten Auftrag für das Kaufhaus Österreich.

Lange Liste

Die Liste ließe sich weiterführen. Es gilt aber: Accenture ist längst nicht die einzige Beratung, die gut mit öffentlichen Aufträgen verdient, wie die Anfragebeantwortungen zeigen. Große Berater wie PwC oder McKinsey kommen zum Zug sowie Berater mit Parteienfarbe.

Für 48.000 betreute etwa das Campaigning-Bureau von Philipp Maderthaner, als "Kanzlermacher" im Zuge der Kampagne für ÖVP-Chef Sebastian Kurz bekannt, den Facebook-Auftritt des Bildungsressorts. Dass Maderthaner auch mit dem Landwirtschaftsministerium von Elisabeth Köstinger kooperiert, ist schon länger bekannt. Auch für grüne Berater gab es lukrative Aufträge vonseiten des Agraressorts. Lockl Strategie und Brainbows berieten im zweiten Halbjahr 2019 das Agrarressort für fast 300.000 Euro.

Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) beauftragt häufig Berater mit Parteifarbe – sei es Türkis oder Grün.
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Dass aber besonders oft Accenture den Zuschlag erhält, wundert Brancheninsider wenig. Accenture ist Marktführer. Wenn Mitarbeitern in öffentlichen Einrichtungen das Expertenwissen fehlt, wendet man sich eben an Accenture, erklärt ein Auskenner. Man kennt das Unternehmen, hat schon mit ihm zusammengearbeitet und macht wenig falsch – auch wenn es für viele Projekte sehr wohl oft auch andere Unternehmen in Österreich gebe, die ein Projekt umsetzen können. "Wenn es schnell gehen und funktionieren muss, nimmt man ein etabliertes Unternehmen und kein Start-up", heißt es in einem Ministerium unter vorgehaltener Hand.

Direkte Vergaben

Die Neos finden es bedenklich, dass Accenture so oft den Zuschlag bekommt. Besonders die Rahmenvereinbarungen von BRZ und LFRZ sind ihnen suspekt, mittels parlamentarischer Anfrage wollen sie wissen, welche Rahmenverträge das Wirtschaftsministerium unterhält, in denen Accenture als Subunternehmer eingesetzt werden kann.

Zur Erinnerung: Eine Rahmenvereinbarung ist kein Auftrag, sondern bündelt viele einzelne Aufträge. Sie legt fest, wie viel der Auftraggeber von den Lieferanten, mit denen er die Vereinbarung getroffen hat, einkaufen kann. Die Schwelle von 100.000 Euro für Direktvergaben gilt innerhalb der Rahmenvereinbarung nicht. Vergaberechtler sehen darin ein Problem, üppige Rahmenvereinbarungen können so als Vehikel für unzulässige Direktvergaben missbraucht werden, warnen sie. Die Opposition war höchst erzürnt, als eine Riesenausschreibung eines solchen Vertrags für PR-Leistungen publik wurde.

Bei Accenture zeigt man sich darüber verwundert, dass man von der Opposition in politische Gefechte hineingezogen wird. "Es ist für uns selbstverständlich, dass wir uns zu jedem Zeitpunkt und bei jedem Auftrag streng an das Vergaberecht halten, denn das Vergaberecht gibt uns jene Transparenz und Sicherheit, die es heute braucht", sagt ein Sprecher des Unternehmens zum STANDARD. Die Vergabe mittels Rahmenverträgen sei eine weltweit übliche Vorgehensweise. Projekte im öffentlichen Sektor und in der Privatwirtschaft ließen sich ohne solche Verträge nicht umsetzen, sagt der Accenture-Vertreter. (Aloysius Widmann, 13.2.2021)