Die Entscheidung der deutschen Regierung, Tirol zu einem besonders gefährlichen Risikogebiet zu erklären und Einreisen von dort nur ausnahmsweise unter strengen Kontrollbedingungen zuzulassen, kann niemanden überraschen. Die Maßnahme ist richtig und zielgerichtet. Sie schützt nicht nur die in Deutschland lebenden Menschen, sondern exemplarisch auch vor der allzu schnellen Weiterverbreitung der hoch infektiösen Südafrika-Virusvariante in weiter entfernte EU-Staaten. Sie schützt das gemeinsame Europa.

Berlin vollzieht das, was die 27 Staats- und Regierungschefs bei einem Corona-Sondergipfel im Jänner festgelegt haben, auch mit der Stimme von Kanzler Sebastian Kurz. Damals schon war klar, dass nicht nur einzelne Mitgliedsstaaten, sondern in einer Union offener Grenzen durch das Auftauchen von Virusmutanten alle mehr als bisher bedroht sind.

Kontrolle am Grenzübergang zwischen Oberaudorf und Niederndorf bei Kufstein.
Foto: imago/Roland Mühlanger

Erste Erfahrungen und Erkenntnisse hatte es mit B.1.1.7, dem "Britenvirus", gegeben, das in London Spitäler fast in die Knie zwang. Dann aber bestätigten sich Berichte, dass noch viel gefährlichere Viren aus Südafrika und Brasilien längst in Europa angekommen waren.

Weil damit nicht nur die Gesundheit der Bürger, sondern auch der offene Binnenmarkt in eine noch tiefere Krise geraten könnte, war klar, dass man sich eine neue Strategie zum Einfangen von "Mutantenclustern" einfallen lassen muss. Die Dynamik der Infektionen sollte effizienter gebrochen werden.

Es sollen nicht wie bisher gleich ganze (auch sehr große) EU-Länder, sondern nur Bundesländer oder Regionen mit Quarantänemaßnahmen belegt werden, wenn sie sich zu Hotspots von Virusmutanten entwickeln.

Mutantengebiete

Genau das ist jetzt bei Tirol erstmals eingetreten. Dass es sich bei den deutschen Maßnahmen nicht um eine Retourkutsche oder gar "Rache für Ischgl" handelt, wie manche Verschwörungstheoretiker in den Bergtälern bereits kolportieren, ergibt sich aus dem Paket, das in Berlin geschnürt wurde. Die Reisebeschränkungen gelten neben Tirol auch für Tschechien und die Slowakei, die als Hochrisikozonen – neudeutsch: Mutantengebiete – klassifiziert werden.

Für Tirol, das so stark vom Winter- und Sommertourismus abhängig ist wie kein anderes Bundesland, kommt diese Entwicklung einer Katastrophe gleich: nicht nur landespolitisch, sondern vor allem, was das Image im Rest Europas betrifft. Deutschlands Position ist auch für den Rest der EU prägend, auch für Holländer, Belgier etwa, die sonst gerne in Österreich Urlaub machen.

Wenn die Regierung Merkel den Lockdown im eigenen Land bis 7. März aus Vorsicht verlängert, kann man sich ausrechnen, wann Tirol wieder einen Freibrief bekommt: frühestens nach Ostern, wenn überhaupt. Zu verantworten haben das in erster Linie ein paar halsstarrige Tiroler Politiker, die trotz aller Warnungen lange nicht bereit waren, Maßnahmen der Regierung in Wien zu akzeptieren. Nun kam es ganz dick.

Ein paar "Provinzler" im wahrsten Sinn des Wortes wollen noch immer nicht verstehen, dass sich die Pandemie in einem Europa, in dem Touristen frei und entspannt reisen können, nur grenzüberschreitend bewältigen lässt; durch enge Kooperation von EU-Staaten und Grenzregionen. Nun haben alle Tiroler den Schaden, weil vermeintlich "starke Männer" der Politik in Tirol (Frauen waren keine darunter!) unangenehme Wahrheiten leugnen. Eine bittere Lehre. (Thomas Mayer, 12.2.2021)