Wie lange Frankreich in der Sahelzone aktiv bleibt, ist derzeit noch eine offene Frage. Die aktuelle Lage: Man kann nicht wirklich weg, aber man will auch nicht so wirklich bleiben.

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Französische Soldaten in Gao.

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Monatelang hatte Emmanuel Macron auf dieses Treffen hingearbeitet. Doch an diesem Montag ist er in N'Djamena, der Hauptstadt des Tschad, selbst abwesend: Wegen der Covid-Gefahr bleibt er in Paris und kann sich nur via Videokonferenz seinen Amtskollegen aus Mali, Niger, Burkina Faso, Mauretanien und Tschad – der sogenannten G5-Gruppe – zuschalten. Unmöglich werden damit auch jene vertraulichen Hinterzimmergespräche, bei denen die eigentlichen Entscheide fallen.

Ein Rückschlag mehr im Sahel. Macron wollte seine fünf afrikanischen Partner endlich auf ein stärkeres Engagement verpflichten. Seit 2013 stemmt Frankreich den Wüstenkampf gegen die regionalen Terrorableger von Al Kaida und des "Islamischen Staates" (IS) weitgehend allein. Vor einem Jahr musste Macron die Sahara-Operation "Barkhane" erneut um 600 auf 5.100 Soldaten aufstocken, weil sich die Operation in der endlosen Westsahara verliert.

60 französische Militärs sind seither gefallen, die meisten bei Minenunfällen. Als im Jänner fünf junge Soldatinnen und Soldaten auf einmal umkamen, erschallten in Frankreich erstmals Rufe, die Elitetruppen und Fremdenlegionäre "nach Hause zu holen". Um gegenzusteuern, teilte die Armee mit, sie habe in den letzten Wochen rund hundert Jihadisten "neutralisiert". Der Chef des französischen Geheimdienstes DGSI, Bernard Emié, ließ seine Landsleute wissen, der "wilde" IS-Lokalchef Adnan Abou Walid al-Sahraoui plane nun Anschläge bis nach Europa.

Einsatz startete 2013

2013 hatten die Franzosen die Bildung eines Gottesstaates namens Azawad im Norden Malis durch einen Blitzeinsatz verhindert. Die Wüstenkämpfer flüchteten über die Landesgrenzen Niger, Algerien und Mauretanien. Von dort aus verüben sie aber weiterhin Anschläge.

"Einen so asymmetrischen Krieg kann man nicht gewinnen", meint Thierry Vircoulon vom französischen Institut für internationale Beziehungen (Ifri). "In Frankreich weiß man das seit dem verlorenen Indochinakrieg. Den gleichen Fehler hatten die USA in Vietnam und in jüngerer Zeit in Afghanistan begangen."

Macron hält dagegen, es gebe keine Alternative zu "Barkhane". Die schwache malische Armee wäre seit langem von den Jihad-Einheiten überrannt worden. Was Paris ebenso beunruhigt: In der Zentralafrikanischen Republik warten russische Söldner nur darauf einzugreifen.

Hilfe aus den USA

Der französische Präsident hat deshalb an die USA appelliert, die Luftbeobachtung der riesigen Westsahara durch ihre starken Drohnen – sie können zehn Stunden am Stück fliegen – aufrechtzuerhalten. Ohne US-Hilfe wäre die französische Armee gegenüber den mobilen Pick-up-Einheiten der Jihadisten weitgehend orientierungslos.

Der neue US-Verteidigungsminister Lloyd Austin will sich aber nicht festlegen. Auch die Europäer folgen den französischen Appellen für den Saheleinsatz nur zögerlich. Deutschland unterstützt zwar die vor einem Jahr gegründete Taskforce "Takuba", aber nicht mit eigenen Soldaten. Andere EU-Staaten stören sich daran, dass Paris eine Aufgabenteilung will, aber die Leitung beansprucht.

Den fünf afrikanischen Präsidenten drohte Macron vor dem Treffen in N'Djamena unverhohlen mit dem Abbau der Operation. Viel Eindruck machte er damit nicht. Die neue Regierung Malis bleibt auf Distanz. Demonstranten skandieren in der Hauptstadt Bamako Parolen gegen die "französischen Besatzer".

Vorwürfe gegen Franzosen

Sie werfen der französischen Armee vor, im Jänner im Dorf Bounti 20 Zivilisten getötet zu haben. Zwei Kampfjets hätten eine Hochzeitszeremonie bombardiert. Armeesprecher rechtfertigten dies. Der Lufteinsatz habe sich gegen getarnte Jihadisten gerichtet. Unter den Opfern waren in der Tat nur Männer. Augenzeugen berichteten, laut islamischem Gesetz nähmen Männer und Frauen getrennt an Hochzeitsfeiern teil. Damit zeigt sich aber auch, wie weit die Scharia bereits in das Zentrum vorgedrungen ist. (Stefan Brändle aus Paris, 15.2.2021)