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Die ÖVP macht massiv mobil, um die politischen Wellen der Causa Blümel von Bundeskanzler Sebastian Kurz möglichst fernzuhalten.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Die ÖVP hat sich in die offensive Abwehr begeben: Am Samstag wurde eine gesalzene parlamentarische Anfrage des türkisen Klubs an das grüne Justizressort veröffentlicht, in der das Vorgehen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Causa Blümel infrage gestellt wird. Das bezeichneten die Grünen prompt als "türkise Nebelgranante". Am Sonntag wurde bekannt, dass die Volkspartei 13 Klagen wegen Beleidigung und übler Nachrede einbringen möchte – betroffen seien vor allem Postings in sozialen Netzwerken. Der große Koalitionspartner sei "offensichtlich nervös", wird bei den Grünen gemunkelt. Was spielt sich da politisch gerade ab?

Mehrere türkise Problemfälle

Fest steht: Die ÖVP geriet in den vergangenen Wochen mehrfach in Bedrängnis. Die türkise Arbeitsministerin musste wegen ihrer peinlichen Doktorarbeit zurücktreten, Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) steht wegen Mängeln in der Terrorbekämpfung in Kritik, vergangenen Donnerstag dann die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel, einem engen Vertrauten von Kanzler Sebastian Kurz. Die WKStA ermittelt gegen Blümel wegen des Verdachts der Bestechlichkeit durch den Glücksspielkonzern Novomatic. Der Minister weist alle Vorwürfe zurück und verteidigte sich in mehreren Pressekonferenzen – die Causa ließe sich rasch aufklären.

"Die Probleme ballen sich", hört man bei den Grünen. Ein Bündel an negativen Schlagzeilen sei man in der ÖVP nicht gewohnt, "und das halten sie offenbar nicht gut aus". Offiziell wurde die grüne Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer ausgeschickt, um den Koalitionspartner zu maßregeln – vor allem für die türkise Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft: Die Spitzen der ÖVP würden an frühere Aussagen anknüpfen, "mit denen versucht wird, diese wichtige Behörde in der Öffentlichkeit zu beschädigen". Entsprechende Formulierungen der ÖVP in der parlamentarischen Anfrage seien als "Ablenkung von weiterhin unaufgeklärten Fragen zu werten", sagt Prammer.

Ein Termin, der keiner war

Die ÖVP kritisiert unter anderem, dass Basis für die Ermittlungen und die Hausdurchsuchung bei Blümel "ein Termin und eine Spende sind, obwohl es weder eine Spende noch einen Termin gegeben hat". Der türkise Klub fragt das Justizressort auch, wer für diese "Verfehlungen" die Verantwortung trage und was die Konsequenzen daraus seien.

Man muss sagen: Das Verhältnis der Kanzlerpartei zur Korruptionsanklagebehörde ist schon länger getrübt. Vor gut einem Jahr gab es Aufregung darüber, dass Kurz die WKStA in einem Hintergrundgespräch sinngemäß als ein Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet haben soll, das gezielt gegen die ÖVP vorgehe – der Kanzler bestreitet, dass die Aussage so gefallen sei. Seitens der Justiz wurde schon damals kritisiert, dass durch Diskussionen über solcherlei unrichtige Unterstellungen das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat beschädigt werde.

"Es wird langsam zur Gewohnheit, dass nach jedem Schritt der Justiz in Verfahren, an denen ÖVP-Politiker beteiligt sind, aus ÖVP-Kreisen Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft laut wird", sagt die grüne Justizsprecherin Prammer heute.

"Delegitimation" der WKStA

Dass die Reaktion der Volkspartei nicht gerade geeignet ist, das Vertrauen – in dem Fall – in die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu stärken, sondern das Gegenteil befördert, sieht auch Verfassungsjurist Heinz Mayer so: "Das hat System", sagt er im STANDARD-Gespräch mit Verweis auf die "roten Netzwerke", die Kurz in der WKStA wähnt: "Das Problem dabei ist, dass man damit diese wichtige Institution delegitimiert, indem öffentlich erneut der Eindruck erweckt wird, die WKStA gehe politisch motiviert gegen einen Minister vor", sagt Mayer. Er ist der Meinung, dass sich in der jetzigen Situation "der Justizminister zu Wort melden und hinter die WKStA stellen müsste. Sie untersteht ihm ja."

Zuständig ist derzeit Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler, der die in Karenz befindliche Ministerin Alma Zadić vertritt.

Politisiertes Weisungsrecht

Derweil wurden anlässlich der aktuellen Causa die Rufe nach Abschaffung des ministeriellen (und somit politischen) Weisungsrechts gegenüber Staatsanwälten wieder laut – nicht nur seitens der Grünen, sondern etwa auch des Rechtsanwaltskammerpräsidenten Rupert Wolff und des Ex-Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler. Die Rechtswissenschaft fordere das "seit Jahrzehnten", betont Verfassungsjurist Mayer: "Es ist notwendig, die Staatsanwaltschaft aus den politischen Klauen des Ministers zu lösen."

Allerdings erinnert er im Fall Blümel an ein wichtiges Verfahrensdetail: "Eine Hausdurchsuchung, auch die beim Finanzminister, muss ja von einem Richter genehmigt werden. Die sind völlig weisungsfrei. Dass es sich bei dem Vorgang also nur um eine Teufelei der WKStA handelt, muss man daher ausschließen." (Katharina Mittelstaedt, Lisa Nimmervoll, 14.2.2021)