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Weltweit haben sich Umsätze von Essenszustellern wie Delivery Hero innerhalb eines Jahres verdoppelt. Die Löhne für Boten sind niedrig.

Foto: REUTERS / FABRIZIO BENSCH

Wie viel ist es Konsumenten wert, dass ihnen ihre Einkäufe bis vor die Haustür gekarrt werden und Essen vom Wirt innerhalb einer halben Stunde ofenwarm daheim serviert wird? Wenig bis gar nichts. Kaum ein Händler, der online nicht im Nirwana verschwinden will, wagt es, in Zeiten von Amazon Kunden Liefergebühren aufzubrummen. Logistik mitsamt ihren ausufernden Retouren, die einen Rattenschwanz an ökologischen Problemen nach sich ziehen, hat gratis zu sein. Das hat zwar herzlich wenig mit Kostenwahrheit zu tun, ist mittlerweile aber tief in den Köpfen der Kunden verankert. Für ein Umdenken ist es wohl zu spät.

Nichts anderes spielt es rund ums leibliche Wohl. Nicht enden wollende Lockdowns in Zeiten der Krise lassen Gastronomen wenig andere Wahl, als Menüs täglich in Einzelportionen an ihre Gäste zu liefern. Kosten darf diese Dienstleistung freilich nichts. Die Haushaltskassen der Österreicher fürs Essen sind knapp bemessen. Mehr als ein bisserl Trinkgeld für den eiligen Kurier ist selten drin.

Boten sind das schwächste Glied

Beinharte Kalkulation ändert nichts daran, dass Geschäftsmodelle rund um die vielbeschworene letzte Meile zum Konsumenten boomen. Weltweit haben sich Umsätze von Essenszustellern wie Delivery Hero innerhalb eines Jahres verdoppelt. Dass diese wie viele Plattformunternehmen noch in der Verlustzone stecken, stört Investoren kaum. Primäres Ziel ist es, Märkte abzustecken und ein Monopol zu schaffen. An den Börsen ist dieser Versuch allein bereits Milliarden Euro wert.

Auf der Strecke bleibt das schwächste Glied der Kette, der Bote. Geringe Aussicht auf andere Jobs sorgt dafür, dass sich der Pool an Neueinsteigern in die Branche nie leert. Zusteller versprechen raschen, einfachen Zugang in den Arbeitsmarkt, doch der Preis dafür ist hoch: Die Löhne sind niedrig und unberechenbar. Soziale Absicherung durch Kranken- und Urlaubsgeld spielt es bei Platzhirschen wie Mjam nur bedingt. Wem nach einigen Monaten die Luft ausgeht, ist schnell ersetzt. Hohe Fluktuation ist Teil des Geschäftsmodells.

Konsumenten, die den Wert der Logistik verkennen, Schuld an prekären Jobs zu geben, greift zu kurz. Vielmehr müssen Behörden freie Dienstverhältnisse auf Herz und Nieren abklopfen. Unternehmer gehören auch für Sublieferanten in die Verantwortung genommen. Der Mythos von Freiheit auf zwei Rädern klingt in Zeiten moderner Tagelöhner wie Hohn. (Verena Kainrath, 15.2.2021)