Ein hybrides Mittelding aus Video und Performance: "Beauty of Mess, Trash and Unknown Desires" im Brut.

Foto: Oleg-Soulimenko

Wer teure Sachen braucht, um sich zu beweisen, schaut immer ein bisserl armselig aus. Und wer unbedingt großen Lärm, das Schrille, Glamour und den Pomp benötigt, um die Poesie des Daseins zu spüren, hat es wahrscheinlich irgendwie nicht leicht im Leben. Für alle anderen "Kulturverliebten" hat unsere Wirklichkeit glücklicherweise noch mehr zu bieten.

Performer verwandeln sich zu seltsamen Fantasiewesen: Szene aus "Beauty of Mess, Trash and Unknown Desires".
Foto: Oleg-Soulimenko

Welche Rolle dabei zum Beispiel wertlos wirkender Krempel und Abfall spielen können, zeigt jetzt das Wiener Performer-Paar Jasmin Hoffer und Oleg Soulimenko zusammen mit dem bildenden Künstler Alfredo Barsuglia in seiner neuen Videoarbeit Beauty of Mess, Trash and Unknown Desires auf der Webseite des Wiener Brut-Theaters. Die poetischen Qualitäten von unscheinbaren Dingen kommen ins Spiel: leere Joghurtbecher, Obstnetze, Kabel, Stoffbänder, Plastikfolien oder Papierstücke, die auf unter anderem einen Staubsauger, eine E-Gitarre und eine Flasche mit Buttermilch treffen. Und es geht um einen Mann und eine Frau, die aus diesem gewöhnlichen, unscheinbaren Zeug eine fantastische, auch unheimliche Parallelwelt zaubern.

Einfach abfilmen – keine Option!

Eigentlich hätte Beauty of Mess, Trash and Unknown Desires eine Liveperformance sein sollen, auf die das Trio mehr als ein Jahr lang hingearbeitet hat. Aber dann vor der Uraufführung der Lockdown. Also was tun? Wäre das Stück als Film geplant worden, sagt Barsuglia im Publikumsgespräch nach dem ersten Streaming, dann hätten die Künstler sicherlich andere Entscheidungen getroffen. Und die Aufführung einfach abzufilmen, war auch keine Option. Was nun auf der Brut-Seite zu sehen ist, darf tatsächlich als dritter Weg verstanden werden: Das Performancevideo wird als eigenes hybrides Werk vorgestellt.

Ein Lichtblick, der zeigt, dass die drastische Einschränkung unter den Bedingungen der Pandemie wenigstens in Teilen der verschiedenen Kunstszenen auch ihre Sonnenseiten entwickeln kann. Nun entstehen Werke, die es bei Normalbetrieb so nie gegeben hätte, und das Video von Soulimenko-Hoffer-Barsuglia gehört zu den ersten Wiener Glanzstücken auf diesem Gebiet.

Erweiterte Sichtbarkeit, ein Gewinn

Klugerweise hat sich das Brut Theater auf dieses kuratorische Risiko eingelassen. Nach etwas holprigen Anfangsversuchen zu Jahresbeginn funktionieren die Übertragungen nun auch technisch so gut wie klaglos. Zusätzlicher Bonus: Die auf der Webseite präsentierten Arbeiten sind bis zum Ende der laufenden Spielzeit zu sehen. Für die Kunstschaffenden, die auf ihre Live-Auftritte schmerzlich verzichten müssen, ist diese Erweiterung der Sichtbarkeit ein echter Gewinn.

Glücklicherweise fällt Beauty of Mess, Trash and Unknown Desires – mitgearbeitet haben unter anderen Claudia Bosse, Elena Tikhonova und Nebendarstellerin Marta Navaridas – nicht in die Kategorie der Aufheiterungs-, Trost- oder Mutmachkunst. Im Fokus stehen vielmehr die Spannungen in der Beziehung zwischen dem Homo consumens (Erich Fromm) und den Objekten, die er nach Gebrauch entsorgt. Im Video verbinden sich diese Dinge mit einfachen Versatzstücken aus der Natur: Pflanzenresten, Blättern oder Ästen.

In einem kleinen Saal, der vielleicht einmal ein fescher Konferenzraum war, liegt und hängt das ganze Zeug umher. Hoffer und Soulimenko nehmen Stück für Stück an sich, entführen eins ums andere aus seinen ursprünglichen Gebrauchsumständen und teilen ihnen neue Funktionen zu. Dabei verwandeln sich die beiden Performer auch selbst in Wesen wie aus einer anderen Welt. So schafft jedes von ihnen ganz für sich seine eigene Ordnung. Mit großer Ernsthaftigkeit und in friedlicher Nachbarschaft arbeiten sie an einer Poesie, die Dinge ihnen einzuflüstern scheinen. Die Kamera ist hautnah dabei, erschließt Details und arbeitet Feinheiten heraus. Bis zu einem überraschend dramatischen Ende. Fazit: eine exzellente Arbeit aus der lockdowngebeutelten freien Szene. (Helmut Ploebst, 15. 2. 2021)