Zitrusfrüchte sind in Österreich zwar nicht heimisch, aber sie sind gesund. Ob beim Bau, bei der Stromversorgung oder in Großküchen: Der Bund wird künftig grüner einkaufen. Ob er auch regionaler einkaufen wird, ist offen.

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Während Europa sehnlichst hofft, dass die Zeit der Infektionswellen bald abebbt, türmt sich eine andere Welle auf, die bald über den Kontinent schwappen und ihm beim Wiederaufbau nützlich sein soll. 750 Milliarden Euro nimmt etwa die Europäische Kommission für grüne Investitionen in die Hand. Zwar steht Österreich mit rund drei Milliarden Euro nur ein kleiner Teil des Kuchens zu – und es ist offen, ob die Regierung den EU-Topf überhaupt anzapfen wird. Aber der Bund wird auch sehr viel eigenes Geld in die Hand nehmen, um der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, erwarten Experten.

Nicht nur die Ambitionen Brüssels sind groß und grün. Das Wort "nachhaltig" kommt ganze 105 Mal im türkis-grünen Regierungsprogramm vor. Der Energiemix im Land soll 2030 nachhaltig werden, die Mobilität möglichst elektrisch und öffentlich. Die Kreislaufwirtschaft soll gestärkt und die Lieferwege kürzer werden. Ziele, die sich kaum erreichen lassen, wenn der Staat nicht mit gutem Beispiel vorangeht. Der Kriterienkatalog für nachhaltige Beschaffung ist deshalb in Überarbeitung und soll noch in diesem Quartal präsentiert werden. Für den Bund sind diese Einkaufskriterien dann verpflichtend. Länder und Gemeinden sollen sich daran orientieren, müssen das aber nicht.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) hat seit Beginn der Corona-Krise immer wieder hervorgehoben, wie wichtig es sei, regional zu beschaffen. Es gibt aber beträchtliche rechtliche Hürden, wenn es darum geht, Bundesorgane zu regionalerer Beschaffung zu verpflichten.
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Wichtiges Instrument für grüne Wende

"Das öffentliche Beschaffungswesen ist eines der wichtigsten Instrumente im Ausbau des Umwelt- und Klimaschutzes", erklärt Berthold Hofbauer, Rechtsanwalt und Experte für Vergaben. Setzt man die richtigen Hebel ein, haben grüne Vergaben nicht nur Vorbildfunktion, sondern können auch regionalen Betrieben zugutekommen, sagt der Jurist und nennt als Beispiel die Berücksichtigung kurzer Lieferwege im Beschaffungsprozess: "Nehme ich einen Lieferanten aus der Umgebung, minimiere ich in der Regel auch die Emissionen durch kürzere Transportwege."

Noch hält sich das Klimaschutzministerium (BMK) bedeckt, wie der genaue Kriterienkatalog aussehen wird. "Die ökologischen Anforderungen hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz insbesondere bei Fahrzeugen, Strom und Lebensmitteln sowie im Bau würden forciert", heißt es vage aus dem Ministerium. Man habe in den Nachhaltige-Beschaffung-Kriterien auch die nationalen Gesundheitsziele und eine Stärkung der regionalen Wertschöpfung mitgedacht.

Im Hochbau sollen die neuen Kriterien bestehende Vorgaben des Klima-aktiv-Gebäudestandards, der Ökobaukriterien von Ökokauf Wien, Land Niederösterreich und des Umweltverbands Vorarlberg harmonisieren.
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Veggie-Teller in Mensen

Wie DER STANDARD bereits vergangenen Sommer berichtete, plant das BMK unter anderem, dass bei Großküchen in Verwaltung-, Pflege- und Bildungseinrichtungen sowie bei Caterings der Bio-Anteil bis 2023 bei einem Viertel liegen soll. Auch soll täglich ein "Klimateller" im Angebot sein, der vegetarisch oder vegan, saisonal und regional sein soll. Auch soll die öffentliche Hand, wenn möglich, nur noch Elektrofahrzeuge anschaffen – ausgenommen sind Einsatzfahrzeuge.

Bei regionalen Beschaffungskriterien, wie sie dem Wirtschaftsministerium wichtig sind, dürfte es laut STANDARD-Informationen wenig Spielräume innerhalb des europäischen Rechts geben – man wird wohl versuchen, die Sache mit Qualitätskriterien zu kompensieren. Auch ziehen sich die Verhandlungen wegen unterschiedlicher Positionen zu gentechnikfreien Futtermitteln für Fleisch in die Länge.

Was für ökologische Kriterien gilt, gilt auch für soziale Kriterien, erklärt Hofbauer. Öffentliche Vergaben können wichtige soziale Impulse an die Wirtschaft geben und beispielsweise Gleichstellungspolitik fördern. Denn das Bestbieterverfahren erlaubt nicht nur, die Nachhaltigkeit zum wichtigsten Einkaufskriterium zu machen anstatt des billigsten Preises – das wäre dann ein Billigstbieterprinzip. Es erlaubt auch, die anbietenden Unternehmen stärker unter die Lupe zu nehmen.

Öffentliche Aufträge könnte man auch dazu verwenden, um sozialpolitische Impulse zu setzen.
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Soziale Kriterien

Ein Beispiel: Will der Bund Zutaten für eine Mensa einkaufen, kann er nicht nur darauf achten, dass die Zutaten etwa biologisch angebaut wurden. Er kann auch darauf achten, wie viele Frauen ein Anbieter beschäftigt oder wie viele Lehrstellen er schafft. Besonders soziale Unternehmen könnten so auch dann den Zuschlag bekommen, wenn sie in anderen Kriterien schlechter abschneiden als andere Konkurrenten.

Laut STANDARD-Informationen sind soziale Kriterien in den neuen Beschaffungskriterien vorerst kein Schwerpunkt. Für Hofbauer sind ökologische und soziale Kriterien jedoch verwandt, beide beruhen auf dem Prinzip Nachhaltigkeit. Der Weg in eine nachhaltige Wirtschaft führe weg von einer verbrauchenden Wirtschaft und hin zu einer sich generierenden Ökonomie – das betreffe soziale Aspekte wie ökologische.

Neues Journal für Nachhaltigkeitsrecht

"Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung wachsen wird und mit einer Vielzahl und Vielfalt rechtlicher Maßnahmen in diesem Zusammenhang zu rechnen ist", erklärt der Vergaberechtsexperte, der auch deshalb gemeinsam mit dem Kanzleikollegen und Umweltrechtsexperten Berthold Lindner und dem Völkerrechtsexperten Markus Beham eine neue juristische Zeitschrift herausgibt – Titel: "Nachhaltigkeitsrecht". Im März erscheint die erste Ausgabe.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (ÖVP) hat einen Betrag für die neue Zeitschrift "Nachhaltigkeitsrecht" verfasst.
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Ziel ist, das Thema Nachhaltigkeit als Querschnittsmaterie zu denken und sich dabei nicht im juristischen Elfenbeinturm einzuigeln. Für die erste Ausgabe haben sie Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) für einen Beitrag gewonnen, in dem sie ihre Klimaziele für das Land vorstellt. Es sei jetzt an der Zeit, die Weichen für eine klimafreundliche Zukunft zu stellen, schreibt sie. Man darf auf die überarbeiteten nachhaltigen Beschaffungskriterien gespannt sein. (Aloysius Widmann, 17.2.2021)