Montag in aller Früh: Zwei Polizisten kontrollieren die Dokumente von Reisenden bei Kiefersfelden in Richtung Deutschland.

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Die Befürchtungen, die mit den Grenzkontrollen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus einhergehen, sind groß. Nicht nur wegen drohender Staus schlugen österreichische Politiker Alarm, es stand auch die Befürchtung im Raum, dass es in Industriebetrieben in Bayern zu Engpässen kommen könnte. Was gilt und wie lange? Hier ein Überblick:

Frage: Seit Sonntag wird an der Grenze zwischen Tirol und Bayern kontrolliert. Warum wurden die Einreiseregeln von Tirol nach Bayern verschärft?

Antwort: In Tirol gibt es verstärkt Fälle der südafrikanischen Coronavirus-Mutante B.1.351, gegen die manche der bisher entwickelten Impfstoffe weniger wirken dürften. Auch wer schon Corona hatte, könne sich wahrscheinlich erneut anstecken, warnen Experten.

Frage: Wer darf noch nach Bayern einreisen?

Antwort: Deutsche Staatsangehörige mit Ehepartnern und minderjährigen Kindern werden durchgelassen, ebenso alle, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Weitere Ausnahmen gibt es offenbar für Lkw-Fahrer, Ärzte, Kranken- und Altenpfleger sowie landwirtschaftliche Saisonarbeitskräfte – denn sie werden in Deutschland dringend zur Versorgung der Bevölkerung gebraucht.

Frage: Ist die Einreise für diese Personen ohne Test möglich?

Antwort: Nein, für alle Einreisenden gilt ausnahmslos: Sie müssen einen negativen Corona-Test vorweisen und sich im Voraus digital anmelden.

Frage: Wer definiert, ob eine Berufsgruppe systemrelevant ist oder nicht?

Antwort: Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CDU) legt die genaue Definition in die Hände der Bundesländer – in dem Fall Bayern. Laut Ministerpräsident Markus Söder soll das bis Dienstag passieren. Dann sollen die in diesen Betrieben beschäftigten Mitarbeiter amtliche Bescheinigungen mit sich tragen, um über die Grenze zu kommen. Bis dahin gelten Unterlagen wie ein Arbeitsvertrag.

Frage: Wie viele Menschen sind als Pendler von diesen Maßnahmen betroffen?

Antwort: Das ist derzeit unklar. Das Land Tirol und die Wirtschaftskammer Tirol versuchen derzeit, zu erheben, wie viele Menschen betroffen sind. Neben Berufstätigen zählen auch Schüler und Studenten dazu. So gehen rund 500 Schüler, die nicht in Tirol leben, dort zur Schule.

Frage: Kam es am Montag zu Staus?

Antwort: Nein, das befürchtete Verkehrschaos blieb aus. "Wir haben momentan keine Probleme auf der A12 und der A13", sagte Günther Salzmann von der Verkehrsabteilung der Tiroler Polizei Tirol am Montagvormittag zur APA. Denn nicht nur auf der Inntalautobahn (A 12) waren Staus befürchtet worden, auch der Grenzübergang zwischen und Italien und Tirol auf der A13, der Brennerautobahn, könnte am Montag von Überlastungen betroffen sein, glaubte man im Vorfeld. Tirol hatte angekündigt, bereits dort zu kontrollieren, ob Durchreisende nach Deutschland die notwendigen Voraussetzungen für die Reise erfüllen.

Frage: Wie funktioniert der Transitverkehr angesichts der deutschen Grenzmaßnahmen?

Antwort: Am vergangenen Wochenende war der Güterverkehr ein zentraler Punkt bei den Verhandlungen zwischen Deutschland, Österreich und Italien. Der Brennerkorridor ist die mit Abstand meistfrequentierte über die Alpen führende Nord-Süd-Verbindung Europas. Während der Verkehrsfluss von Norden nach Süden von den aktuellen Regelungen relativ unberührt bleibt, musste man in Richtung Norden eine Lösung finden, da Deutschland die Grenze zu Tirol dichtgemacht hat. Daher werden seit Montag, 3.30 Uhr nachts, die Lkws schon in Verona auf die Tauernautobahn umgeleitet. Jene, die sich am Wochenende bereits innerhalb des Brennerkorridors befanden, erhielten bei der Mautstelle Sterzing in Südtirol kurz vor der österreichischen Grenze die Möglichkeit, Schnelltests zu absolvieren. So konnten Lkw-Fahrer bereits am Brenner einen negativen Test vorweisen und weiter nach Deutschland fahren.

Frage: Sind auch andere Länder von den Maßnahmen Deutschlands betroffen?

Antwort: Auch an der Grenze zwischen Deutschland und Tschechien wird kontrolliert. In Tschechien ist es die britische Variante B.1.1.7., die sehr stark kursiert. Tschechien verhängte seinerseits am Sonntagabend wegen der dramatisch hohen Corona-Infektionszahlen erneut einen Notstand. Er gelte von Montag an für 14 Tage, teilte die Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Andrej Babiš mit.

Frage: Welche Auswirkungen haben die Grenzkontrollen auf Industriebetriebe in Bayern?

Antwort: Viele Betriebe hatten befürchtet, am Montag nicht wie gewöhnlich produzieren zu können. Denn allein in Bayern arbeiten laut den aktuellsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) 22.000 Tschechen und 9.600 Österreicher, viele davon im verarbeitenden Gewerbe. Bis zuletzt war unklar, ob diese Mitarbeiter über die Grenze dürfen.

"Unsere Werke sind derzeit versorgt und produzieren planmäßig", hieß es am Montag dann aber etwa seitens BMW. "Erste Lieferungen konnten bereits die Grenzen passieren und sind ohne größere Verzögerungen in unseren Werken angekommen." Ein Audi-Sprecher erklärte: "Wir produzieren aktuell ohne Einschränkungen, beobachten die Lage und die weitere Entwicklung."

Frage: Kommt man durchs Deutsche Eck?

Antwort: Seit Montagabend dürfen Pendler, Schüler, Auszubildende und Studenten das Deutsche Eck für berufliche oder Ausbildungszecke wieder passieren, um von Tirol nach Salzburg, oder umgekehrt, zu gelangen. Es wird empfohlen, ein Dokument mitzuführen, das den Zweck der Reise belegt. Fernverkehrszüge der ÖBB dürfen den Korridor ohne Halt in Deutschland noch passieren. Aber auch für Bahnpassagiere ist dabei ein negativer Test zur Ausreise aus Tirol nötig.

Frage: Wie reagierten politische Verantwortungsträger darüber hinaus auf die Grenzkontrollen?

Antwort: Österreichs Regierung kritisiert die neuen Einreiseregeln scharf. "Die De-facto-Sperre des großen und kleinen Deutschen Ecks für Österreicherinnen und Österreicher ist absolut inakzeptabel. Diese Maßnahme von Bayern ist unausgegoren und löst nur Chaos aus", sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Außenminister Alexander Schallenberg forderte bei den strengeren Maßnahmen "Maß und Ziel" und warnte vor "überschießenden Schritten, die mehr schaden als nützen".

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wies am Sonntag bei einem Besuch in Schirnding an der tschechischen Grenze Kritik zurück. Die Kontrollen bedeuteten nicht das Ende des freien Europas, wie manche sagten. "Was für ein Unsinn!" Er sei überzeugt, dass es Europa stärke, wenn es gelinge, eine neue Corona-Welle zu verhindern.

Frage: Wie lange gelten die Maßnahmen voraussichtlich?

Antwort: Die verschärften Einreiseregeln sind laut deutschem Innenministerium zunächst auf zehn Tage befristet, gelten also bis zum 23. Februar. Sie können allerdings dann noch auf maximal drei Monate verlängert werden. (APA, dpa, rwh, ars, 15.2.2021)