Könnten so die Atomkraftwerke der Zukunft aussehen?

Foto: Nuscale Power

Was haben Joe Biden, Wladimir Putin, Boris Johnson und Xi Jinping gemeinsam? Sie alle setzen mehr oder weniger auf eine Technologie, die der Atomkraft in den nächsten Jahren wieder zu neuem Auftrieb verhelfen soll: sogenannte Small Modular Reactors (SMR), also kleine modulare Reaktoren. Diese Miniatomkraftwerke sollen sicherer und günstiger sein als normale AKWs und werden als klimafreundliche Stromerzeuger angepriesen.

Sowohl die USA und Großbritannien als auch Russland und China pumpen gerade Milliarden an Dollar in die Technologie. Aber kann sie ihre Versprechen auch halten?

Ruf der Atomkraft verbessern

Das Konzept der SMR ist nicht neu, schon in den 1950er-Jahren wurden erste Anlagen für U-Boote, Kriegsschiffe und Forschungszwecke gebaut. Allerdings geriet die Atomkraft in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zunehmend in die Kritik. Nicht zuletzt haben einige Atomunfälle das Vertrauen in die Branche erschüttert. Der weltweite Anteil an Atomstrom ist seitdem immer weiter gesunken.

Neue und technologisch verbesserte SMRs sollen den Ruf der Atomkraft nun wieder verbessern und Kritikerinnen und Kritiker besänftigen. Dutzende Entwürfe und Renderings der Anlagen haben die Entwickler in den vergangenen Jahren präsentiert: Mit gigantischen Betonklötzen und Hochsicherheitszonen ihrer größeren Verwandten haben die Minikraftwerke kaum mehr etwas gemeinsam. Denn anders als herkömmliche Atomkraftwerke sollen SMRs in vergleichsweise kleinen Behältern untergebracht werden, die weniger Kosten verursachen und einfacher zu überwachen sind, so die Versprechen der Entwickler.

Beitrag zur Energiewende?

Laut Befürwortern der Technologie seien diese Anlagen sicherer als normale Atomkraftwerke, da sie durch ihre verminderte Größe auch bei kritischen Störfällen leichter gekühlt werden können. In vielen Fällen reiche dafür ein Wasserbecken um die Reaktoren aus. Zudem sollen sie schneller gebaut werden können und günstiger sein.

Zwar produzieren die Minikraftwerke deutlich weniger Strom als normale Atomkraftwerke, sie sollen dafür aber flexibler zuschaltbar sein und Netzflauten ausgleichen. Auch deshalb preisen die Entwickler die Technologie als Ergänzung zu erneuerbaren Energien an, deren Energieproduktion je nach Wetterlage schwankt. Und weil Atomstrom grundsätzlich CO2-frei sein soll, sehen einige Experten, darunter auch der Weltklimarat IPCC, die Atomkraft als möglichen Beitrag zur Energiewende.

Öffentliche Förderungen

Die Entwickler und Unternehmensgründer sind gut darin, sich die Unterstützung der Regierungen sichern. Rund 60 SMR-Konzepte werden derzeit weltweit entwickelt, die meisten davon mithilfe großzügiger öffentlicher Fördergelder. Schon im vergangenen Jahr ging das erste SMR-Kraftwerk in Russland ans Netz: Die "Akademik Lomonossow" ist ein schwimmendes Kernkraftwerk, das vor allem abgelegene Regionen mit Strom versorgen soll. Aber die Begeisterung war nicht überall groß: Umweltschützer bezeichnen das AKW-Schiff als "schwimmendes Tschernobyl" und bemängeln mögliche Sicherheitsrisiken.

Die Akademik Lomonossow wiegt 21.000 Tonnen und soll bald auch an andere Länder verkauft werden.
Foto: Rosatom

Auch US-Präsident Joe Biden kündigte in seinem Wahlprogramm an, die Forschung und Entwicklung nuklearer Reaktoren voranzutreiben. Das hat bereits die Gründung einiger Atom-Start-ups im Land befeuert. So arbeitet die Firma Nuscale Power an 4,5 Meter breiten und 22 Meter hohen Reaktormodulen, die dann per Schwertransport an den Einsatzort transportiert und dort montiert werden sollen. Schon in den nächsten Jahren könnten die ersten dieser Module ans Netz gehen. Das Start-up Oklo wiederum entwickelt Reaktoren, die gerade so groß sind wie ein Einfamilienhaus und mit recycelten Uranbrennstäben arbeiten sollen.

Und in Großbritannien baut die Firma Rolls-Royce 16 Miniatomkraftwerke, die jeweils rund 440 Megawatt Strom produzieren, rund 2,3 Milliarden Euro kosten und in den nächsten zehn Jahren ans Netz gehen sollen. Mit einem Kraftwerks sollen rund 500.000 Personen mit Strom versorgt werden. Zum Vergleich: Das deutlich größere britische Atomkraftwerk Hinkley Point soll rund 25 Milliarden Euro kosten, aber dafür auch mehr als sechsmal so viel Strom liefern wie jedes Minikraftwerk.

Frage des Atommülls

Allerdings kommt bei den Miniatomkraftwerken wieder viel von der Kritik auf, die schon an herkömmlichen Atomkraftwerken geäußert wurde. Laut Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace gehen von kleinen AKWs ähnliche Risiken aus – etwa die Freisetzung von Radioaktivität, die Atomwaffenentwicklung oder auch das Risiko militärischer Anschläge – wie von großen. Auch wenn einige Reaktoren in der Lage wären, Brennstäbe zu recyceln, ist die Frage, was mit dem Atommüll passieren soll, nach wie vor ungeklärt. Laut der österreichischen Umweltökonomin Sigrid Stagl verursacht Atomstrom durch den Uranabbau zudem erhebliche Umweltschäden, und es kommt immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen.

Auch einige Nuklearexperten stellen die Versprechen der Entwickler infrage. Laut dem Physiker M. V. Ramada von der Universität British Columbia in Kanada sei es bei Atomkraftwerken bereits in der Vergangenheit häufig zu Kostenüberhängen und Zeitverzögerungen gekommen, sagte er der BBC. Kleinere Atomkraftwerke müssten die gleichen Sicherheitsstandards erfüllen wie große, weshalb sie nicht unbedingt kostengünstiger seien. Nicht zuletzt sind die Investitionen Spekulationen in die weitere Zukunft: Es könne sein, dass zehn Jahre nach der Fertigstellung der Kraftwerke erneuerbare Energien bereits weit kostengünstiger und wettbewerbsfähiger sind, so der Experte.

Tatsächlich könnten die "wahren Kosten" von Atomstrom, etwa indem die Kosten für die Endlagerung des Atommülls miteinbezogen werden, deutlich über den üblichen Marktpreisen liegen und Atomstrom am Ende kaum wettbewerbsfähig machen.

Polarisierte Meinungen

Es ist davon auszugehen, dass SMR-Kraftwerke – wie schon die Atomkraft selbst – in der Zukunft weiterhin Meinungen polarisieren werden in strikte Befürworterinnen und Gegner der Technologie. Während Österreich das Kapitel Atomkraft seit längerem beendet und auch Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hat, wäre Kernenergie in Ländern wie Frankreich, den USA, Russland und auch China kaum mehr wegzudenken.

Aber ob die Atomkraft tatsächlich zu einer nachhaltigen Energiewende beitragen kann, bleibt umstritten. Laut Ökonominnen wie Stagl führen Investitionen in die Kernenergie dazu, dass weniger finanzielle Mittel für erneuerbare Energien übrig bleiben und damit deren Entwicklung verlangsamt wird. Politiker wie der britische Premierminister Boris Johnson zeigen sich von den Argumenten aber oft wenig beeindruckt. Denn für sie verspricht die Atomkraft gerade in jetzigen Zeiten drei Dinge zu liefern: Arbeitsplätze, unabhängigen Strom und neues Futter für die Wirtschaft. (Jakob Pallinger, 17.2.2021)