"Auf einem Filmset meinte eine Agentin zu mir, ich solle 'die Sache' für mich behalten." (Jan Hutter)

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"Ich spiele Figuren, die zwischen den Geschlechtern liegen – oder die asexuell sind." (Markus Meyer)

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"Ich weiß von Stars, die bis heute über ihre sexuelle Orientierung schweigen." (Til Schindler)

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Er hatte die Rolle bereits in der Tasche. Doch dann fragte die Produktionsfirma bei seiner Agentur nach, ob der neue Fernsehkommissar im echten Leben eh nicht schwul sei. War er aber. Es wurde nichts aus dem Projekt – aus Gründen, die man Markus Meyer (49) nie mitteilte. Wenn der am Burgtheater engagierte Schauspieler heute diese Episode erzählt, dann ist er immer noch zornig.

Was ihm da Anfang der 2000er-Jahre passiert sei, das könne Schauspielerinnen und Schauspielern auch heute noch widerfahren. Outen sie sich als schwul, lesbisch, bi, queer, nichtbinär oder trans, dann kommen sie für bestimmte Rollen nicht mehr infrage. Vor allem im Filmbusiness scheint es noch viele Scheren im Kopf der Protagonisten zu geben. Aber auch in der Theaterbranche ist es, einmal geoutet, schwierig, bestimmte Rollen zu bekommen. "Auf der Bühne spiele ich hauptsächlich Figuren, die zwischen den Geschlechtern liegen oder die gleich asexuell sind", sagt Markus Meyer.

"Besser" nur geheim

Der Schauspieler hat gemeinsam mit 184 Kolleginnen und Kollegen vor rund zehn Tagen im Magazin der Süddeutschen Zeitung ein Manifest veröffentlicht, in dem sie mehr Sichtbarkeit, Anerkennung und Diversität in Film, Fernsehen und Theater fordern. Vielen von ihnen wurde immer wieder geraten, ihre sexuelle Orientierung geheim zu halten, um ihre Karrieren nicht zu gefährden.

Doch damit müsse endlich Schluss sein. "Wir sind hier, und wir sind viele!" lautet der erste Satz des Manifests, das nicht nur im deutschsprachigen Raum viel Aufsehen erregte. "Gestern habe ich eine Interviewanfrage aus China bekommen", sagt der Schauspieler Jan Hutter (36), der nicht lange überlegen musste, ob er bei der Gruppe, die sich den Namen #ActOut verpasste, mitmache oder nicht.

Unter den 185 Unterzeichnern sind auch eine Handvoll Schauspielerinnen und Schauspieler, die ihren Lebensmittelpunkt in Wien haben. Während die beiden weiblichen Unterzeichnerinnen Mavie Hörbiger und Nadine Quittner mit dieser Zeitung nicht über ihre Beweggründe sprechen wollten, waren ihre männlichen Kollegen auskunftsfreudiger. "Ich habe es in Gedanken an mein jüngeres Selbst gemacht", sagt etwa Hutter, der in Wien lebt, aber derzeit in Saarbrücken engagiert ist: "Als ich jung war, hätte ich mir gewünscht, es gäbe mehr Schauspieler, die offen mit ihrer Homosexualität umgehen. Mir haben die Vorbilder gefehlt."

Öffentlichkeit macht den Unterschied

Wirklich viele sind es in der Tat nicht. Während Theater für ihre liberale Grundhaltung bekannt sind, und auch an Filmsets meist ein sehr offener Umgang herrscht, kann sich das mit einem Schlag ändern, wenn die Öffentlichkeit ins Spiel kommt. "Auf einem Filmset in Berlin meinte eine Agentin einmal zu mir, dass ich 'die Sache' besser für mich behalten solle. Wobei klar war, was sie mit 'der Sache' gemeint hat", erzählt Hutter. Die Rolle, die Hutter in dem Film spielte, hatte das Potenzial zum Mädchenschwarm. Die Filmproduktion wollte das Risiko nicht eingehen, dass die sexuelle Orientierung des Schauspielers auf die Rezeption der Rolle abfärbe. Noch immer scheint ein schwuler Schauspieler keinen heterosexuellen Liebhaber spielen zu können. Umgekehrt ist das kaum ein Problem.

Vor allem in großen, kommerziellen Filmproduktionen sei der Druck, der auf Schauspielerinnen und Schauspielern laste, enorm. Treten nichtheterosexuelle Akteure auf dem roten Teppich auf, machen sie das meistens allein, besuchen sie Filmgalas, dann in Begleitung von Alibifrauen oder -männern. "Ich weiß von einigen Stars, die bis heute über ihre sexuelle Orientierung schweigen", sagt Til Schindler (27), der seit zwei Saisonen am Wiener Schauspielhaus engagiert ist.

Wenige wirklich Prominente

Auch bei #ActOut sind nur wenige wirklich bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler wie Ulrike Folkerts, Udo Samel oder Maren Kroymann dabei. Die meisten von ihnen gingen schon in der Vergangenheit offen mit ihrer Sexualität um. Ulrich Matthes outete sich dagegen mit 62 erstmals öffentlich als schwul. "Davor habe ich viel Respekt", sagt Schindler.

Seit Jugendjahren steht der gebürtige Münchner auf der Bühne und vor der Kamera, mit homophoben Sprüchen sei auch er immer wieder konfrontiert gewesen. Schindler vermisst im deutschsprachigen Fernsehen und Kino die Offenheit für unterschiedliche sexuelle Identitäten: "In US-amerikanischen Netflix-Serien wird Queerness zelebriert, die deutschsprachige Filmbranche hinkt da Jahre hinterher." Dabei sei Diversität schon längst gelebte gesellschaftliche Realität.

Ein schwuler Fernsehkommissar? Einen solchen gibt es auch zwanzig Jahre nach Markus Meyers Erfahrung auf der Besetzungscouch im deutschsprachigen Raum nicht. Vielleicht kommt durch #ActOut jetzt etwas Bewegung in die Sache: "Die Zeit ist überfällig", sagt Meyer.

Im Mai wird der Burgschauspieler 50, ein Rollenwechsel stehe für ihn an. "Ich will auch als Ehemann, Vater, Liebhaber besetzt werden. Hetero- oder homosexuell, das ist mir wurscht." (Stephan Hilpold, 16.2.2021)