Wer Theater und andere Kultureinrichtungen besucht, setzt sich laut einer deutschen Studie keinem größeren Risiko als beim Einkaufen aus. Die Studie ist dennoch mit Vorsicht zu genießen, zumal keine Daten von Mutationen eingerechnet wurden.

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Sie waren die Ersten, die bei Ausbruch der Pandemie schließen mussten, und sie sind oft die Letzten, an die bei Lockerungen gedacht wird: Kulturbetriebe wie Kinos, Theater, Konzerthäuser oder Museen. Aber ist es wirklich so einfach, sich dort mit dem Coronavirus zu infizieren? Nein, lautet die Antwort, wenn man einer Studie glauben schenken will, die nun Forscher der TU Berlin vorlegen.

In der Untersuchung, die noch von einem Fachkollegium geprüft werden muss, wurden die Ansteckungswahrscheinlichkeiten verschiedener Innenräume verglichen – mit dem Ergebnis, dass größere Kultureinrichtungen mit entsprechend viel Platzangebot und guten Belüftungsanlagen wohl vergleichsweise wenig Risiko bergen. Zum Beispiel sei in einer deutschen Oberschule mit voller Belegung und ohne Masken das Ansteckungsrisiko 23-mal so hoch wie in einem Theater, das zu 30 Prozent belegt ist und in dem die Zuschauer Masken tragen.

R-Werte für verschiedene Räume ermittelt

Die Studie, für die als Berechnungsgrundlage Daten über bekannte Ausbrüche herangezogen wurden, schlüsselt den sogenannten R-Wert für verschiedene Situationen auf. Der Wert zeigt an, wie viele weitere Personen ein Infizierter statistisch anstecken würde. Demnach sei etwa das Risiko, in Fitnesscentern oder Büros drei bis achtmal höher als in einem zu 30 Prozent belegten Kino ohne Maskenpflicht, wo der R-Wert bei eins liegt. Selbigen Wert hat auch ein Besuch im Supermarkt mit Maske. Theater, Oper und Museen kommen bei 30 bis 40 Prozent Belegung mit Maske auf R-Werte von 0,5 bis 0,6 und bergen damit etwa dasselbe Risiko wie ein Friseurbesuch mit Maske. Ein Restaurant mit 50 Prozent Belegung weist einen vergleichsweise hohen R-Wert von 2,3 auf.

Dennoch relativieren die Studienautoren ihre Ergebnisse und warnen vor voreiligen Schlüssen: Zum einen sei die Untersuchung noch vor Auftreten der Mutationen passiert, andererseits könne die Studie der Politik auch Anleitung bieten, wonach etwa Öffnungen von bestimmten Kultureinrichtungen unter ausgeklügelten Hygienekonzepten durchaus möglich seien.

Frage des Raums im Theater

Das deckt sich auch mit der Selbsteinschätzung heimischer Theater, Kinos und Museen. Während es in Schauspielensembles durchaus zu größeren Clustern kam, ist selbiges aus dem Publikumsbereich nicht bekannt. Auch Museen und große Kinoketten verwiesen von Anfang an auf ihre guten Klimaanlagen und den nachweislich hohen Luftaustausch in den Räumen. Bei kleineren Kultureinrichtungen mit wenig Raum ist das freilich nicht immer der Fall.

Christian Kircher, Chef der Bundestheaterholding, die die drei großen Staatstheater Staatsoper, Volksoper und Burgtheater umfasst, sieht die Studie auf STANDARD-Anfrage so: "Das bestätigt die für unsere Bühnen erarbeiteten Präventionskonzepte, die sich auch in der Praxis bewährt haben. Es wurde kein einziger Cluster in unseren Spielstätten nachgewiesen." Abstand halten, geregelte Ein- und Ausgangssituationen zur Trennung von Besucherströmen, Masken tragen und intensive Belüftung der Zuschauerräume seien dafür verantwortlich, dass es bis dato "keine nachweisbaren Infektionscluster in Theatern gegeben hat", meint Kircher.

Ein Hilfsmittel, um das Ansteckungsrisiko je nach Situation einzuschätzen, bieten der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter sowie Peter Tappler vom Institut für Baubiologie und Bauökologie an. Das Online-Tool Corona-rechner.aterrechnet je nach Raumgröße, Luftvolumen, Lüftungsart und -häufigkeit, Zahl der anwesenden Erwachsenen und Kinder sowie deren Tätigkeit, wie wahrscheinlich eine Corona-Infektion im Vergleich zu einer Referenzsituation mit "akzeptablem Risiko" ist. Diese wird als Maturaklasse definiert, in der sich 25 redende Erwachsene bei 200 Kubikmetern Raumvolumen und bei Betrieb einer Lüftungsanlage befinden. (stew, bri, 15.2.2021)