Liu Mine mit den Söhnen Yong (re.) und Feng (li.) im Lokal auf der Gumpendorfer Straße: auch im Lockdown beeindruckend gut.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Als Restaurant keinen Lieferservice anzubieten ist dieser Tage irgendwie gewagt, kann aber auch als proaktiv kundenfreundliche Entscheidung durchgehen. Einerseits, weil Essen, auf das man bibbernd vor der Türe wartet, in der Regel tatsächlich brennheiß und frisch aus der Pfanne im Karton landet – und ergo auch eine Chance hat, noch warm daheim anzukommen. Bei Speisen, die im Restaurant erst dem Erscheinen des Lieferdienstes entgegensafteln müssen – und dann noch auf dessen ortskundige Fitness angewiesen sind –, läuft das eher unter Glücksspiel.

Und anderseits, weil es eh so wenige Gründe gibt, sich vor die Tür zu wagen. Der Ausflug zum Restaurant der Wahl wird in diesem trüben Winter zum verheißungsvollen Ritt durch die – alles andere als verkehrsberuhigte – Stadt. Was all die anderen Autos und ihre Insassen abends auf der Straße machen, sollte man hingegen gar nicht wissen wollen. Nicht wahr?

Bei Mama Liu und ihren Söhnen bringt es das Warten in doppelter Hinsicht. Weil man sich, so man zu zweit kommt, auf sehr lohnende Weise aufteilen könnte: Gleich nebenan steht schließlich die Schlange für den gefährlich knusprigen Smashburger der XO-Grillbuben an. Und sich in die einzureihen verspricht ganz unmittelbare, brennend heiße (weil frisch von der Grillplatte geschabte) Befriedigung. Man darf sich nur den Appetit auf das nicht verderben, wofür man eigentlich da ist.

Mama Liu hat sich mit dem Lockdown-Programm ein wenig Zeit gelassen. Dafür kann’s das, was die Betreiber dieses wohl geschliffensten Lifestyle-Chinesen der Stadt jetzt auffahren, aber auch wirklich. Die drei Boxen, wahlweise vegetarisch, mit Fleisch oder Seafood, sind schon beim Auspacken spektakulär, sehr hübsch gemacht, kennt man in der Art sonst nur von den Mochis.

Die Boxen, wahlweise vegetarisch, mit Fleisch oder Seafood, sind schon beim Auspacken spektakulär, sehr hübsch gemacht.
Foto: Atelier Olschinsky

Und sie bieten jeweils ein variantenreiches Menü, von den Snacks bis zum Dessert. Mitunter das Beste: dass sich da jemand eindeutig überlegt hat, wie viel Zeit es brauchen kann, bis die guten Sachen auf dem Teller landen. Klar trifft es sich gut, dass in Ostasien nicht alles so brennheiß gegessen werden muss, wie es aus dem Wok kommt.

Knusper kommt!

Alle lieben Frühlingsrollen, also haben alle Boxen so eine mit eingepackt bekommen. Nur sind die von Mama Liu halt von Haus aus nicht so fettgetränkt wie anderswo, auch nach dem Auspacken noch zart knusprig und, vor allem, mit knackigem, animierend gewürztem Gemüse und, je nach Box, mit Rostbraten oder Garnele gefüllt: genau die Art von Essen, für die man gerne Wege geht.

Jiang Bing, die köstlichen, gerollten Pfannkuchen, gibt es auch. Da ist jene aus dem Seafood-Menü mit knusprigem (!) Wolfsbarsch in Panko, Chilicreme und Gemüse eindeutig die beste. Kunstvoll gefaltete Teigtaschen, allesamt mit wunderbar elastischem, bissfestem Teig, bekommen entweder Schwein und Five Spice (extrem gut!), Shiitake, Knoblauchsprossen und Kraut (ja!) oder Garnele, Knoblauchsprossen und Pilze mit eingepackt.

Die tunkt man in den Dip aus Soja, Limette, Chili und Koriander … und freut sich des Daseins, selbst wenn sie nur noch lauwarm sind: Teigtaschen dieser Qualität muss man in Wien lange suchen.

Diverse Salate und Dips, allesamt aufmerksam abgeschmeckt, sind auch dabei. Den Hauptgang bestreitet in Panko frittiertes, würzig mariniertes Huhn (noch knusprig!), wunderbar zarte Baby-Calamari mit Pak Choi oder Würztofu mit Karfiol.

Und hinterher? Gibt’s Bananenkuchen mit Pandan, der durchaus als Vorgeschmack auf die im Frühling erwartete, chinesische Patisserie verstanden werden darf, die gleich neben dem Restaurant aufsperren wird. (Severin Corti, RONDO, 19.2.2021)

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