
Lauter Protest gegen das stille SS-Gedenken in der kleinen Ortschaft Stillfüssing.
Linz – Auf der Webseite des Oberösterreich-Tourismus wird der Ort als "Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs" beschrieben. Wer tatsächlich das angepriesene Ausflugsziel wählt und das Kriegerdenkmal in der kleinen Ortschaft Stillfüssing im Hausruckviertel besucht, wird mehrfach überrascht.
Denn bei dem Kriegerdenkmal handelt es sich eigentlich um ein Soldatengrab. Die Inschrift auf der Granitsäule lässt keinen Interpretationsspielraum zu: "Hier ruhen in Frieden Soldaten der Waffen-SS". Gedacht wird dort 13 Männern, die am 4. Mai 1945 ihr Leben ließen. Heikel dabei: Auf eine kritische Distanz zu den Gräueltaten des NS-Regimes wird ob der schillernden Heldenehrung verzichtet.
Taferldebatte
Man tut sich in der Gemeinde Waizenkirchen, zu der die Ortschaft Stillfüssing gehört, offensichtlich besonders schwer, mit dem dunkelsten Kapitel der Geschichte adäquat umzugehen. Denn das historische Problem direkt an der Daxberger Bezirksstraße ist bei Gott nicht neu: Seit Jahrzehnten wird von vielen Seiten eine erklärende Zusatztafel gefordert. Vom Mauthausen-Komitee wird etwa ein Zusatzstein verlangt, der unübersehbar darauf hinweist, dass die Waffen-SS eine verbrecherische Organisation war: "Sie hat nicht nur zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung in den von Hitler-Deutschland besetzten Gebieten verübt, sondern ab 1940 sämtliche KZ-Wachmannschaften gestellt."
Der STANDARD berichtete übrigens bereits 2007 von dem ausbaufähigen Geschichtsbewusstsein im Hausruckviertel. Vor allem auch, weil das SS-Denkmal jahrzehntelang vom Oberösterreich-Ableger der Kameradschaft IV (K IV) betreut wurde – damals wie heute eine laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) "rechtsextreme Veteranenorganisation ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS". Aber auch wenn die meisten Mitglieder der Kameradschaft IV inzwischen verstorben sind, das Grab in Stillfüssing war in den letzten Jahren immer wieder Pilgerstätte für Ewiggestrige.
Spätes Umdenken
In Waizenkirchen selbst ist angesichts des heiklen Thema eine Art Umbruchsstimmung zu spüren. Nach Jahren des politischen "Nichtanstreifens" regt sich deutlicher Widerstand. "Das Stimmungsbild wandelt sich endlich. Wir haben einen sehr jungen Bürgermeister, und da scheint sich etwas zu tun", erzählt der Waizenkirchner Harald Geissler im STANDARD-Gespräch.
Immer mehr Bürger würden sich für eine "breite Aufarbeitung" aussprechen. Geissler schwebt überhaupt ein Bürgerbeteiligungsprojekt vor: "Eine erklärende Zusatztafel ist mir zu wenig. Ich will eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Gruppen im Ort – der Pfarre, der Gemeinde und vielen mehr." Nachsatz: "Mir tut es persönlich weh, dass 2021 in meinem Heimatort ein Denkmal der Waffen-SS samt Eisernem Kreuz darauf steht."
"Historische Verantwortung"
Doch auch im fernen Wien beschäftigt man sich mittlerweile mit dem Hausruckviertler SS-Denkmal. Zuletzt brachte SPÖ-Gedenksprecherin Sabine Schatz eine entsprechende parlamentarische Anfrage an Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ein. Schatz wollte von Nehammer wissen, was er unternehmen werde, um das Gedenken an die Waffen-SS in Stillfüssing zu beenden. Vom Innenminister hieß es daraufhin, dass es sich bei dem Grab nicht um ein Denkmal handle, sondern um ein Soldatengrab im Sinne des Kriegsgräberfürsorgegesetzes von 1948. Kriegsgräber dürfen demnach unter keinen Umständen entfernt oder aufgelassen werden.
Seit 2014 gebe es zudem keine Versammlungen in Stillfüssing, die auf rechtsextreme Hintergründe zurückzuführen seien. Nachsatz: "Im Sinne des gelebten Kampfes gegen Rechtsextremismus wird jedoch gegen jegliche Art von Verherrlichung und Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes im Sinne des Verbotsgesetzes vorgegangen." Schatz bleibt jedenfalls im STANDARD-Gespräch dabei: "Die Debatte rund um dieses Denkmal zeigt, dass wir die Geschichte noch lange nicht aufgearbeitet haben, und die Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung." Es sei aber auch "unsere historische Verantwortung, jetzt dafür zu sorgen, dass dieses Denkmal ergänzt und kontextualisiert wird".
Angst vor rechts
Verantwortlich dafür wäre der Bürgermeister von Waizenkirchen, Fabian Grüneis. Das ÖVP-Gemeindeoberhaupt reagiert auf Nachfrage durchaus verschnupft: "Müssen die Medien immer über dieses blöde Grab schreiben? Interessiert euch nichts anderes in Waizenkirchen?"
Man habe einfach Angst, dass durch die laufende Berichterstattung "die Rechten wiederkommen". Eine Gedenktafel will Grüneis dennoch: "Wir haben vom Schwarzen Kreuz einen Textvorschlag bekommen, der nun im Innenministerium geprüft wird und am 25. Februar im Gemeinderat behandelt werden soll." Er wolle aber "kein Freilichtmuseum der Waffen-SS", stellt Grüneis klar. Zumindest solle aber durch die Zusatztafel klar werden, dass "dieser Ort eine Grabstätte ist und zugleich ein Mahnmal für alle, die aus der Geschichte lernen wollen". (Markus Rohrhofer, 16.2.2021)