Alexej Nawalny bei der Anhörung.

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Moskau – Im umstrittenen Diffamierungsprozess gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny fordert die russische Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von umgerechnet knapp 11.000 Euro. Nawalny wird vorgeworfen, einen Weltkriegs-Veteranen als Verräter und korrupten Lakaien verleumdet zu haben. Der ehemalige Rotarmist hatte im vergangenen Jahr für Verfassungsreformen geworben, die es Präsidenten Wladimir Putin ermöglichen, nach 2024 für zwei weitere Amtszeiten zu kandidieren.

Nawalny, der kürzlich in einem anderen Verfahren bereits zu fast drei Jahren Haft verurteilt wurde, hat die Vorwürfe als politisch motiviert zurückgewiesen. Mit dem Prozess solle seinem Ruf geschadet werden. Eine Entschuldigung bei dem Veteranen lehnte er ab. Seine Äußerungen hätten sich nicht direkt gegen den Mann gerichtet.

Verteidigung fordert Freispruch

Laut Staatsanwaltschaft sei bei der Forderung nach der Strafe über 950.000 Rubel (10.669,36 Euro) die jüngst gegen Nawalny verhängte Haftstrafe in einem anderen Verfahren berücksichtigt worden, wie Journalisten am Dienstag aus dem Gerichtssaal in der Hauptstadt Moskau berichteten. Nawalnys Anwälte plädierten demnach auf Freispruch.

In seinen Schlussbemerkungen bezeichnete Nawalny den Fall am Dienstag als Blödsinn. Es führe zu nichts, mit dem Gericht zu diskutieren. Anschließend fragte er, ob das Gericht oder die Anklägerin ein gutes Rezept für eingelegte Gurken wüssten. Als die Staatsanwältin dabei war, die von ihr geforderte Strafe zu beantragen, unterbrach Nawalny sie und fragte: "Hinrichtung?"

Seit Jänner in Haft

Das Urteil ist für Samstag angekündigt. An dem Tag will Nawalny auch gegen seine Inhaftierung in Berufung gehen. Der 44-Jährige war im Jänner nach seiner Rückkehr aus Deutschland festgenommen worden, wo er wegen eines in Russland erlittenen Giftanschlags behandelt worden war. Kurz darauf wurde er zu der mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er während seiner Genesungszeit in Deutschland gegen Bewährungsauflagen aus einem früheren Urteil verstoßen haben soll. Wegen Nawalnys Inhaftierung kam es in Russland wiederholt zu Massenprotesten. Zudem belastet der Fall die Beziehungen zum Westen.

Dem Oppositionellen droht indes weiterer Ärger mit der Justiz. Zu Beginn der Verhandlung wollte die Staatsanwaltschaft Nawalnys frühere Aussagen vor Gericht überprüfen lassen. Er hatte am vergangenen Freitag etwa zu der Richterin gesagt, sie habe wohl den Zuschlag bekommen, weil sie "die gewissenloseste Richterin der Welt" sei.

"Wir waren gerade bei der Geburt eines neuen Strafverfahrens dabei", meinte Nawalny den Journalisten zufolge nun. "Wenn Sie denken, dass etwas beleidigend war, sagen Sie mir, was die Beleidigung war." Die Richterin wies den Antrag der Staatsanwaltschaft zunächst zurück. (APA, 16.2.2021)