Sora-Sozialforscher Daniel Schönherr kritisiert in seinem Gastkommentar den Umgang des Bundesheeres mit Homosexuellen in den eigenen Reihen.

Homophobie im Bundesheer sei "weder ein Thema noch ein Problemfeld", erklärte der Bundesheersprecher Michael Bauer vergangene Woche im STANDARD und lieferte damit gleichzeitig den Beweis, wie sehr Homophobie im Bundesheer Thema und Problemfeld ist. Von der klischeehaften und beweislosen Verdrehung der Täter-Opfer-Konstellation mal ganz abgesehen ("Es gibt schon Fälle, wo Menschen homosexuell sind und andere zu Handlungen zwingen. Dann wird es ein Thema"), steht hinter der Leugnung von Homophobie oft genug die Leugnung von Homosexuellen in den eigenen Reihen an sich, frei nach dem Motto: Wo kein Licht, da auch kein Schatten!

Das Heer sollte nachfragen, wie es Homosexuellen im Militär geht.
Foto: APA/Fohringer

Schon im Jahr 2012 erklärte Bauer, "die sexuelle Orientierung macht im Dienst keinen Unterschied". Was auf den ersten Blick wie ein willkommener Gleichheitsgrundsatz klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung als Teil des Problems: die Fiktion, dass die sexuelle Orientierung in der Arbeit oder im Dienst keine Rolle spiele. Dahinter steht die Idee einer strikten Trennung von Arbeit und Privatem, die es historisch nie gegeben hat. Schon lange vor Homeoffice war klar, dass Arbeits- und Privatleben eng miteinander verknüpft sind.

Privates wird in der Arbeit ständig zur Schau gestellt, man denke nur an das berühmte Familienfoto auf dem Schreibtisch oder die Pausengespräche über den Urlaub, das Familienleben oder die neuesten Datinggeschichten von Kolleginnen und Kollegen. Das Ding ist nur: Es ist Heterosexualität, die auf diese Art zur Schau gestellt und "normal" wird, gleichzeitig jegliche sexuelle Konnotation verliert. Alles, was dieser Norm aber nicht entspricht, wird mindestens erklärungsbedürftig .

Eine 2017 vom Forschungsinstitut Sora im Auftrag der Arbeiterkammer Wien durchgeführte Studie zur Arbeitssituation von mehr als 1200 LGBTIQ-Beschäftigten in Österreich hat gezeigt, dass homosexuelle Beschäftigte während ihrer beruflichen Tätigkeit deutlich seltener über ihre Beziehungen, Urlaube oder Hobbys sprechen, egal ob geoutet oder nicht. Ein Fünftel verheimlicht zum Beispiel die eigene Partnerschaft, um nicht negativ aufzufallen. Jede dritte / jeder dritte Befragte sagte: Nicht immer offen reden zu können belastet mich sehr. Bauers Feststellung von 2012 ("Solange der Dienstbetrieb nicht leidet, kann jeder Soldat in seiner Freizeit das tun, was er möchte") kann vor diesem Hintergrund als Aufforderung verstanden werden, die eigene Identität beim Anlegen der Uniform abzugeben – es ist aber auch klar, an wen sich diese Aufforderung in Wirklichkeit nur richtet.

Nur Verdrängungsdenken

Die Studie hat zudem gezeigt, dass es de facto keine Branche und keinen Beruf mehr gibt, in denen LGBTIQs heutzutage nicht auch arbeiten. Die Annahme, dass es im eigenen Feld keine Kolleginnen/Kollegen mit einer anderen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gäbe, entpuppt sich allzu oft eher als Verdrängungsdenken denn als empirisch überprüfter Sachverhalt. Besonders schwierig ist die Situation für LGBTIQs, die in männerdominierten Branchen und Berufen arbeiten. Befragte etwa im Baugewerbe, im Transportwesen oder bei der Polizei berichten nicht nur häufiger, dass sie sich nicht outen würden, sondern jene, die geoutet sind, schildern auch doppelt so häufig Diskriminierungserfahrungen. Diese reichen von obszönen Witzen, Spitznamen und anderen Herabwürdigungen über Ausgrenzung und Isolation bis hin zu Gewalt, sexuellen Übergriffen und kontinuierlichem Mobbing. Beispiele für solche Diskriminierungen liefern auch die Jahresberichte der Parlamentarischen Bundesheerkommission jedes Jahr genug. Im Übrigen hat sich damals auch ein Dutzend schwuler Präsenzdiener an der Sora-Umfrage beteiligt – die Hälfte war nicht geoutet, die andere Hälfte berichtete von kontinuierlicher Diskriminierung.

Vergangenen Herbst erschien in Deutschland eine Studie über den Umgang der Bundeswehr mit Homosexualität von 1955 bis zur Jahrtausendwende. Auf mehr als 350 Seiten wird darin die systematische Diskriminierung und Ächtung von (zumeist) schwulen Männern aufgearbeitet. Die Studie führte im Nachbarland zu einer regen Diskussion über die Aufhebung von Urteilen gegen Soldaten, die wegen ihrer sexuellen Orientierung juristisch belangt wurden, sowie die finanzielle Entschädigung derer, die entlassen oder bei Beförderungen übergangen wurden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde nur wenige Wochen später eingebracht.

Nur Wunschdenken

Der absehbare Einwand, die Situation im österreichischen Heer sei nicht zu vergleichen mit jener der deutschen Bundeswehr, ist genauso homophobes Wunschdenken wie die Vorstellung, es gäbe hierzulande keine homosexuellen Soldatinnen und Soldaten oder kein Problem mit Homophobie. "Wo kein Licht, da auch kein Schatten" als Leitprinzip hat sich noch nie als besonders tragreich erwiesen. Es wäre ratsam, das österreichische Bundesheer würde auch endlich das Licht einschalten. (Daniel Schönherr, 17.2.2021)