Smartphone, Smartwatch und Smart-TV: Man hat das Gefühl, die Dinge um uns herum werden von Jahr zu Jahr intelligenter. Der Staat will sich da natürlich nicht nachsagen lassen, dem Fortschritt hinterherzuhinken – und so forcierten vor ein paar Jahren einige Politikerinnen und Politiker im Zusammenspiel mit der Rüstungs- und der IT-Industrie sowie ein paar geschickten PR-Agenturen die Idee der "Smart Border" – also der "schlauen Grenze".

Man könnte argumentieren, dass Finger- und Irisscans, Datenerhebungen und Gesichtsscans nur logische Folgen einer fortschreitenden Technik sind, dennoch waren es vor allem die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York, die der smarten Grenze einen enormen Entwicklungsschub gaben.

Seither werde Reisen immer auch mit Terrorismus assoziiert, sagt etwa Clemens Binder, Experte für Grenzen und Sicherheit am Österreichischen Institut für Internationale Politik (OOIP) und Doktorand an der Uni Wien, im STANDARD-Podcast "Edition Zukunft".

"Smarte" Grenzen warten mit Finger-, Iris und Gesichtsscans auf.
Illustration: Fatih Aydogdu

Biopolitik und Biometrie

Er ist überzeugt, dass in den nächsten Jahren noch schwierige ethische und datenschutzrechtliche Diskussionen auf uns zukommen werden. Die allmähliche Integration sogenannter biopolitischer Elemente in Grenzkontrollen, etwa der Körpertemperatur, würde man schon seit Jahren aus Asien kennen.

Im Zuge der Pandemiebekämpfung und auch der Vorbeugung gegen künftige Gesundheitskrisen sei der Schritt hin zum digitalen Impfpass im Reisedokument sehr wahrscheinlich. Technische Hürden sieht Binder dabei nicht, seine Bedenken sind anders gelagert: "Die Frage ist nur, ob der politische Wille da ist, das mit den sensiblen Gesundheitsdaten zu machen."

Bisher, so scheint es zumindest, zeigten Staaten recht wenig Hemmungen, zusehends auch biometrische Daten beim Grenzübertritt zu verlangen. Trotzdem lösten die ersten dahingehenden Schritte nicht mehr als ein genervtes Achselzucken bei vielen Reisenden aus. Auf den Traumurlaub in den USA verzichten, nur weil man ein paar Privatsphäre- und Datenschutzbedenken hat – wer würde das schon? Außerdem habe man ja ohnehin nichts zu verbergen, die Datensammler in den eigenen Hosentaschen seien sowieso viel schlimmer und wüssten eh schon alles über einen, so die gern genannten Argumente.

"Working poor" draußenhalten

Doch tatsächlich werden Smartphones immer mehr zur Wunderwaffe der Smart Border. So sollen laut Plänen der Internationalen Luftverkehrsvereinigung (Iata) künftig alle notwendigen Dokumente zentral auf dem Smartphone gespeichert und per Bluetooth direkt aus dem Hosensack oder der Handtasche an die jeweiligen Checkpoints im Flughafenterminal gesendet werden. Wenn das Handy nicht einmal mehr gezückt werden muss, dann ist der reibungslose Ablauf, das sogenannte "seamless travelling", perfektioniert.

Die Bequemlichkeit und Prozessoptimierung des Reisens (und des Surfens am Smartphone) ist genau jener Umstand, der Datenschutzbedenken schnell versickern lässt. Binder gibt aber zu bedenken, dass es sich lediglich um möglichst viele Erleichterungen für die "guten" Reisenden handelt – die geldbringenden Touristen, die schlauen Köpfe in internationalen Austauschprogrammen oder die vielreisenden Business-Traveller –, während man große Teile der Weltbevölkerung draußen halten will. Der Historiker Matt Carr verglich das explizite "Draußenhalten" der "working poor" mit der mittelalterlichen Abschottung von ungewollten armen Menschen an den Stadtmauern.

Grenzexperte Clemns Binder sieht einen Versuch der Staaten den "Fokus auf Reisepässe zu reduzieren und das Ganze in Datenbaken bringen."
Foto: Binder

Smart Management

Tatsächlich aber scheint der Weg vorgezeichnet. Auch in der EU sind ein Entry-Exit-Programm sowie die Reisevorregistrierung ähnlich dem kanadischen Modell bereits auf Schiene. Während an der konkreten technischen Umsetzung noch gefeilt wird, dürfe man aber nie vergessen, dass die größtmögliche Bewegungsfreiheit im Inneren durch Gewalt an den Außengrenzen erkauft werde, sagt Binder. Das bewiesen nicht zuletzt die Berichte über illegale Pushbacks von Flüchtenden durch die europäische Grenzschutzagentur Frontex. Wie sehr auch hier bereits eine prozessoptimierte Kultur Einzug gehalten hat, erkennt man auch an der Sprache. Smarte Grenzen werden heutzutage nicht mehr kontrolliert oder verteidigt, sie werden gemanagt.

Ganz allgemein etabliere sich langsam ein neues Verständnis von Grenzen, so der Politologe. Grenzen sind "nichts Geografisches mehr, sondern etwas Infrastrukturelles". Grenzen können heutzutage überall sein. An Flughäfen, an Bahnhofsterminals oder vor Botschaften, die Visa ausgeben. Und immer öfter werden international koordinierte Datenbanken zu verkappten Grenzen, die für manche leichter zu überqueren sind als für andere. Bleibt die Frage, wie smart wir das finden. (Fabian Sommavilla, 19.2.2021)