Das Million-Dollar-Quartett: Jerry Lee Lewis, Carl Perkins, Elvis Presley und Johnny Cash (von links). Ihre Songrechte aus der Sun-Records-Ära – außer jene von Elvis – wurden um 30 Millionen Dollar verkauft.

Foto: Sun Records

In den USA vergleicht man die aktuellen Einkaufstouren von Musikverlagen bereits mit dem Goldrausch im 19. Jahrhundert. Der hat einige wenige reich gemacht, die meisten blieben ernüchtert zurück. Wie berichtet, hat Ende letzten Jahres Universal Music die Verlagsrechte von über 600 Bob-Dylan-Songs um kolportierte 300 Millionen Dollar erworben. Kurz darauf erwarb der ehemalige Musikermanager Merck Mercuriadis für den von ihm mitbegründeten Hipgnosis Songs Fund die Hälfte von Neil Youngs Katalog.

Hipgnosis gilt als offensivster Einkäufer. Ausgestattet mit einem momentanen Wert von über 1,2 Milliarden Dollar, kaufte er Kataloge von Acts wie Blondie oder Rick James. Über 57.000 Songtitel gehören Hipgnosis bereits. Gespeist wird der 2018 gegründete Fonds von der Annahme Mercuriadis', dass die Klassiker der Popmusik immer Geld einbringen werden: Oldies but Goldies.

Der 57-Jährige sieht Verlagsrechte als krisensichere Kapitalanlagen an und vergleicht sie mit Investments in Öl oder Gold. Ein üppiger Songkatalog sei wie eine Kunstsammlung zu betrachten. Der Erwerb großer Namen gilt dabei als vertrauensfördernde Maßnahme ebenso wie als möglichst sichere künftige Einnahmequelle. Das hat sich im Falle von Sun Records schon einmal als richtig erwiesen.

Billige Neuauflagen

Der Katalog von Sun Records im Ausmaß von rund 6.000 Songs wurde jetzt von Primary Wave Music um kolportierte 30 Millionen Dollar erworben. Sun wurde 1949 in Memphis von Sam Phillips gegründet. In den frühen 1950ern begann er, Blues-, Country- und Rockabilly-Künstler aufzunehmen. Zu den verkauften Songs zählen Klassiker von Johnny Cash, Jerry Lee Lewis oder Carl Perkins. Die Rechte des Elvis-Presley-Erbes gehören Sony Music.

Verkauft wurde Sun von John Singleton. Der 80-Jährige ist der Bruder des 2009 gestorbenen Musikproduzenten und Labelmannes Shelby Singleton, der Sun Records 1969 von Sam Phillips um eine Million Dollar erworben hatte.

Wächst eine Blase?

Um sein Investment zu erwirtschaften, überschwemmte er den Markt mit Wiederveröffentlichungen, deren Qualität oft unterirdisch war. Er verkaufe, sagte John Singleton in der "New York Times", weil in seiner Familie niemand das Unternehmen weiterführen könne. Und er verkaufe jetzt, weil er glaube, diese Blase könnte bald platzen. Da wolle er vorher kassieren.

Tatsächlich fragen sich viele, wie die enormen Ausgaben wieder erwirtschaftet werden sollen. Das klassische Musikgeschäft ist vom Streaming als Cashcow weitgehend entwertet worden, bloß die wirklich großen Namen verdienen daran halbwegs relevante Beträge. Und Wiederveröffentlichungen der Kataloge gibt es seit der Einführung der CD in den 1980ern ununterbrochen. Bleiben Lizenzierungen und Merchandise. Denn selbst wenn berühmte Songs eines Bob Dylan immer wieder gecovert werden, 300 Millionen Dollar verdient man damit länger nicht.

Eine andere mögliche Einnahmequelle wären verfilmte Biografien, Bio-Pictures von Musikern und Bands, doch Filme kosten wieder Geld, müssen gedreht und erfolgreich werden, um Geld abzuwerfen. Und wie viele Bob-Dylan-Kaffeehäferln und -T-Shirts der gemeine Fan im Jahr auch konsumiert – da müsste sehr viel Porzellan zerschlagen werden, damit das in die Millionen geht.

Billig nachspielen

Bleiben Lizenzierungen für die Verwendung der Musik in Filmen, in TV-Serien und der Werbung. Das gilt inzwischen als lukrativster Verwertungszweig mit großem Potenzial. Doch aufgrund jetzt oft schon unerschwinglicher Preise für die Verwendung von Originalsongs gibt es seit Jahren den Trend, populäre und entsprechend teure Songs nicht im Original zu verwenden, sondern sie von einer Studioband nachspielen zu lassen. Kostet zwar auch, ist aber dennoch billiger.

Dass Songs viel Geld bringen, ist unbestritten. Allein Paul McCartneys 1979 veröffentlichtes "Wonderful Christmastime" soll ihm jährlich zwischen 400.000 und 600.000 Dollar bescheren. Dennoch wird es wohl zu einem beinharten Vermarkten der Rechte kommen, selbst wenn Mercuriadis versichert, es werde nie einen "Heart of Gold"-Burger geben – nach einem Lied von Neil Young –, denn das sei würdelos. Ob das die Aktionäre auch so sehen werden?

Im Fall von Sun Records ging noch etwas Handfestes mit über den Tisch: Sun Diner. Ein in Nashville befindliches Restaurant, das die Geschichte von Sun Records als historischer Keimzelle des Rock 'n' Roll im Sinne der Erlebnisgastronomie erzählt. Bei Primary Wave Music kann man sich vorstellen, solche Restaurants in vielen großen Städten der USA zu eröffnen. Ein Burger ist ein Burger und Hunger immer modern. Doch auch das würde zuerst weiter Investitionen bedeuten. (Karl Fluch, 17.2.2021)