Seit Sonntag wird am Grenzübergang in Kiefersfelden/Kufstein bei der Einreise nach Deutschland noch strenger kontrolliert als bisher.

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Das rigorose Einreiseverbot Richtung Deutschland wird bis Anfang März verlängert. Tirols Wirtschaft kritisiert, dass damit ein funktionierender gemeinsamer Wirtschaftsraum mit Bayern zerrissen wird.

Die rigorosen Corona-Einreisebeschränkungen Richtung Deutschland werden trotz heftiger Proteste aus Österreich bis 3. März verlängert. Dies sei aufgrund der Gefahr, dass sich die in Tirol grassierende südafrikanische CoV-Mutante auszubreiten drohte, "erforderlich", argumentiert Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die "hart errungenen Fortschritte der letzten Wochen" dürften nicht durch eine "ungebremste Ausbreitung der Virusvarianten in Deutschland gefährdet werden". Österreich versuchte bis zuletzt, beim nördlichen Nachbarn eine Lockerung der Sperren zu erreichen, Deutschland schneide sich mit den Grenzschließungen ins eigene Fleisch, sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zu Bild Online.

Ausnahme am Deutschen Eck

Zumindest für Pendler gibt es nun eine Erleichterung, das Große und Kleine Deutsche Eck wurden am Montagabend für Arbeitstätige, Auszubildende, Schüler und Studenten, die von Tirol nach Salzburg bzw. von Salzburg nach Tirol müssen, wieder geöffnet. Doch so schnell wird sich die Lage, trotz der Kritik aus Österreich, für die Tirolerinnen und Tiroler nicht ändern.

Alle Hände voll zu tun hatten am Dienstag die bayerischen Landratsämter in jenen Landkreisen, die an Tirol grenzen. Sie mussten bayerischen Unternehmen, die Beschäftigte aus Tirol haben, Passierscheine für diese ausstellen. Denn ab heute, Mittwoch, dürfen Pendlerinnen und Pendler aus Tirol nur noch dann nach Bayern einreisen, wenn sie eine behördliche Bescheinigung vorweisen können, dass sie dort für ein sogenanntes systemrelevantes Unternehmen arbeiten.

Entscheidungsgrundlage ist eine Liste, die von der EU-Kommission zusammengestellt wurde. Zur Arbeit fahren dürfen Beschäftigte im Gesundheitswesen, Betreuungspersonal für Kinder, Menschen mit Behinderung und ältere Menschen, Arbeitskräfte in der Arzneimittel- und Medizinprodukteindustrie.

Zudem ist die Einreise erlaubt für Beschäftigte in der Informations- und Kommunikationstechnologie, Ingenieure, Elektrotechniker, Berufsfeuerwehrleute, Personen, die in der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln tätig sind, sowie Arbeitskräfte im Verkehrssektor für Personenbeförderung. Auch Fischerinnen und Fischer aus Tirol dürfen nach Bayern.

"Systemrelevanz"

Im Landratsamt Miesbach gingen 200 Anfragen ein. Das Amt in Rosenheim genehmigte bis Mittag 71 Anfragen, meist von Kliniken und Speditionen, wobei Kliniken gleich bis zu 30 Personen anmeldeten. Am Nachmittag waren noch 200 Anfragen offen. So mancher wird seine Bescheinigung erst am Mittwoch oder Donnerstag erhalten.

So ganz einfach werde es mit der "Systemrelevanz" aber nicht sein, vermutet der Leiter der Außenwirtschaftsabteilung in der Tiroler Wirtschaftskammer, Gregor Leitner. Die Regierung in Deutschland orientiere sich nämlich an einer entsprechenden Mitteilung der Europäischen Kommission vom März 2020.

Darin seien etliche "systemrelevante" Arbeitnehmer "aufgelistet, jene für Deutschland und auch Bayern so wichtigen Arbeitnehmer in der Autoproduktion seien aber nicht dabei. "Nachdem ja auch Tschechien und die Slowakei betroffen sind, wird es interessant werden, wie Deutschland jetzt die wichtigen Arbeitnehmer in ihre Autoindustrie holt", sagt Leitner im Gespräch mit dem STANDARD.

Bis vor kurzem pendelten rund 3.000 Tirolerinnen und Tiroler nach Bayern, 2.000 Bayerinnen und Bayern nach Tirol. Wobei es für deutsche Staatsbürger keine Probleme gibt, wieder nach Deutschland einzureisen. Das Pendlerproblem sei zwar ein ernstes, aber nicht das entscheidende, sagt Leitner.

"Man muss sich vorstellen, dass Tirol und Bayern seit Österreichs EU-Beitritt eng zusammengewachsen und verflochten sind. Auf allen nur möglichen Ebenen. Von der Montage, der Kundenberatung, den Lagerhaltungen, Niederlassungen bis zu mobilen Diensten. Es geht um alles, was ein gemeinsames Wirtschaftsgefüge ausmacht. Eine Grenze war nicht mehr zu spüren. Und jetzt plötzlich die totale Abschottung, die rigorose Grenzschließung. Das ist ein ganz massiver Schaden für Tirols Wirtschaft, der noch gar nicht abzuschätzen ist." Und natürlich werde sich die Grenzschließung auch auf den Arbeitsmarkt in Tirol auswirken. Etliche Betriebe werden wieder Kurzarbeit anmelden müssen, sagt Leitner.

Transitverkehr läuft weiter

Fast ohne Probleme läuft indes der Transitverkehr. Dank Umleitung ab Verona über die Tauernautobahn wurde das befürchtete Verkehrschaos am Montag abgewendet. Derzeit gilt es, nach wie vor herrschende Unklarheiten, was die Testpflicht für Lkw-Fahrer angeht, zu beseitigen. Aktuell "interpretieren" die Behörden in Italien und Tirol die deutsche Regelung so, dass Lkws, die von Kufstein kommend über das Deutsche Eck fahren, kein negatives Testergebnis brauchen. Nur wer ein Ziel in Deutschland ansteuert oder ein anderes Land, für das er Deutschland durchqueren muss, braucht einen Testnachweis. (Steffen Arora, Birgit Baumann, Walter Müller, 16.2.2021)