Berlin – Mit einer öffentlichen Solidaritätsaktion haben mehr als 800 Fußballer und Fußballerinnen in Deutschland homosexuellen Spielern Unterstützung zugesichert und sie zum Coming-out ermuntert. "Wir werden euch unterstützen und ermutigen und, falls notwendig, auch gegen Anfeindungen verteidigen. Denn ihr tut das Richtige, und wir sind auf eurer Seite", heißt es in dem Appell, den das Magazin "11 Freunde" in seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht.

Auch im Jahr 2021 gebe es keinen einzigen offen homosexuellen Fußballer in den deutschen Profiligen der Männer, heißt es in der Erklärung. "Die Angst, nach einem Coming-out angefeindet und ausgegrenzt zu werden und die Karriere als Profifußballer zu gefährden, ist offenbar immer noch so groß, dass schwule Fußballer glauben, ihre Sexualität verstecken zu müssen."

Hitzlspergers Lob, Lahms Sorge

Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger outete sich erst nach der aktiven Karriere. Der 38-Jährige lobte die Aktion. "Wieder ein Schritt in die richtige Richtung", schrieb Hitzlsperger bei Twitter. Die Angst vor Beschimpfungen und Ausgrenzungen in der Öffentlichkeit, in der Kabine und in den Fankurven ist offenbar dennoch noch immer allgegenwärtig.

Ex-DFB-Kapitän Philipp Lahm hält diese Sorgen nicht für unbegründet. Vor einem öffentlichen Bekenntnis zur eigenen Orientierung rät er deshalb ab. "Die Verantwortung wäre mir zu groß", schrieb der Weltmeister-Kapitän von 2014 in seinem neuen Buch "Das Spiel: Die Welt des Fußballs". Gegenwärtig seien "die Chancen gering, so einen Versuch in der Bundesliga mit Erfolg zu wagen und nur halbwegs unbeschadet davonzukommen", meinte Lahm.

Lahm rät zum Schweigen

Er würde einem betroffenen Spieler nicht einmal raten, sich mit seinen Mitspielern im eigenen Klub über dieses Thema zu unterhalten. Zudem befürchtet der 37-Jährige "gebrüllte Beleidigungen, Beschimpfungen und diffamierende Äußerungen. Wer würde das aushalten? Und wenn ja, wie lange würde er es aushalten?"

Eine Kapitulation vor Unverbesserlichen in der Kurve kann dennoch keine Lösung sein. Zivilcourage auf den Rängen, wie etwa bei Regionalligist Preußen Münster nach rassistischen Beleidigungen im Februar 2020 gezeigt, ist deshalb nicht nur für Lahm ein wichtiger Faktor.

Kruse würde "vor den Idioten schützen"

Wie weit und aufgeschlossen Fans und Öffentlichkeit tatsächlich sind, würde erst ein Coming-Out eines Spielers zeigen. "Ich kann jeden verstehen, der sich dem nicht aussetzen will", sagte Kruse. Die Unterstützung des Angreifers von Union Berlin wäre dem Mitspieler aber sicher: "Wenn sich einer meiner Kollegen outen würde, würde ich ihn vor den Idioten draußen schützen."

Progressiver Frauenfußball

Deutlich progressiver als Protagonisten im Profi-Bereich der Männer sind bereits die Frauen. Wie groß die Akzeptanz homosexueller Spielerinnen ist, zeigt sich beispielsweise beim VfL Wolfsburg: Beim Doublesieger steht mit der früheren Nationalspielerin Anna Blässe und der Schweizerin Lara Dickenmann sogar ein Ehepaar unter Vertrag.

"Auf wen man steht, ist auf dem Fußballplatz egal, es geht am Ende um die Leistung", sagte Kapitänin Popp: "Wenn sich jemand outen würde, glaube ich sogar, dass es eine gewisse Befreiung sein könnte, durch die die Leistung sogar noch ein paar Prozente besser werden könnte. Für uns alle ist es einfach wichtig, ein Zeichen zu setzen." (APA, sid, 17.2.2021)