Das serielle Welterbe aus 111 Fundstellen, die als Stellvertreter für über 1.000 derzeit bekannte Pfahlbaufundstellen rund um die Alpen stehen, erstreckt sich über die sechs Länder Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich, Schweiz und Slowenien. In jedem Land existiert eine Organisation, die für das Management, also vor allem die Umsetzung und Koordination von Schutzmaßnahmen, Forschung, Vermittlung und die Verwaltung der zur Verfügung stehenden Mittel verantwortlich ist. Diese Organisationen wiederum sind zusammengefasst in der International Coordination Group (ICG), zur transnationalen Abstimmung und Verwaltung unter der Leitlinie der Unesco-Welterbe-Konvention.

Über die Grenzen hinaus

Der zentrale Gedanke der Unesco-Welterbe-Konvention ist es, mit der gegenseitigen Anerkennung von kulturellen und natürlichen, herausragenden Stätten als gemeinsamen, erhaltenswerten Schatz der Menschheit, Verbundenheit und Solidarität zu schaffen. Damit soll ein friedliches Miteinander, sowie der Austausch in Bildung, Wissenschaft und Kultur gefördert werden, der über wirtschaftliche oder politische Interessen hinausgeht und damit die Grenzen dieser Bereiche überschreitet. Somit ist, speziell im Umgang mit einem Welterbe, das gemeinsam von vielen verschiedenen Stätten und Ländern gebildet wird, das Bewusstsein für diese grenzüberschreitenden Ziele, der internationale Austausch und die enge Zusammenarbeit besonders wichtig.

Im Jahr 1854 schrieb der Schweizer Ferdinand Keller über die Pfahlbauten: "Wie wir oben bemerkt haben, vermögen wir weder aus dem Stoff, noch aus der Form der Fundstücke einen Schluss auf die Zeit, in der sie entstanden, zu ziehen, ebenso wenig ist es uns vergönnt, vermittelst der vorliegenden Gegenstande die Nationalität der ursprünglichen Besitzer zu bestimmen." Keller beschrieb als Erster diese Fundstellen an den Seeufern als Reste von urgeschichtlichen Dörfern. Seitdem wurde viel geforscht und auch viel diskutiert und mittlerweile können wir aus der Form, den Materialien und den Fundzusammenhängen sehr gut Schlüsse auf die Zeit und die Lebensbedingungen der Menschen der Pfahlbauten ziehen. So gut und so umfangreich, dass die Pfahlbauten als Unesco-Welterbe nun eine Sonderstellung in der Archäologie einnehmen.

111 Fundstellen prähistorischer Pfahlbauten um die Alpen bilden gemeinsam das Unesco-Welterbe.
Foto: International and Swiss Coordination Group UNESCO Palafittes/ lautschrift.com

Mit seiner Frage nach der Nationalität versuchte Keller eine erste Einordnung der Siedlungen zu finden. Kurz nach der Gründung der Schweiz als neuer Bundesstaat 1848 war das ein wichtiges Thema und Möglichkeit der Identifikation im Sinne einer gemeinsamen Geschichte. Zumal allerorts in den Schweizer Kantonen die Spuren der Pfahlbauten zu finden waren. Keller wusste aber noch nicht, dass Siedlungen an den Seeufern über einen enormen Zeitraum von fast 5.000 Jahren und rund um die Alpen gegründet wurden. Von Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Traditionen, die sich nicht einer einzelnen "Pfahlbau-Kultur" oder gar einer Nation zuordnen lassen. Keller vermutete, wie viele seiner Zeitgenossen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Dörfer Kelten waren, verkannte damit aber auch, dass auch die Kelten nicht als Nation oder Volk definiert werden können. So wie auch die Menschen der Pfahlbauten, die sich nicht so leicht in eine Schublade stecken lassen. Auch die Willkür der mehr oder minder im 19. und frühen 20. Jahrhundert entstandenen künstlichen Grenzen von Staaten lässt sich in diesem Versuch einer nationalen Einordnung der Pfahlbauten recht deutlich erkennen.

Internationale Zusammenarbeit

Das Schöne an der Welterbekonvention ist, dass wir damit die Möglichkeiten, ja sogar den Auftrag haben, die nationalstaatlichen Grenzen zu überschreiten und gemeinsam für den Erhalt und die Erforschung der Pfahlbauten zu sorgen.

Mit Anerkennung der Welterbe-Konvention haben die Länder es sich zur Aufgabe gemacht, diejenigen als Weltkulturerbe ausgezeichneten Kultur- und Naturdenkmäler zu erhalten die einen "außergewöhnlichen universellen Wert" für die Menschheit besitzen, zu schützen und zu bewahren. Wird ein Ort als Unesco-Welterbe ausgezeichnet, erklärt sich der Staat bereit, die Verantwortung für den Schutz sowie die Finanzierung und die Sicherung durch Schutz-, Erhalt- und Nutzungsmaßnahmen zu übernehmen.

Innerhalb der Internationalen Koordinierungsgruppe werden also gemeinsame Ziele und Managementpläne festgelegt, Vermittlungsstrategien und Schutzmaßnahmen besprochen, Forschungsergebnisse ausgetauscht und Veranstaltungen geplant. Auch gemeinsame, mehrsprachige Druckwerke wie Informationsbroschüren entstehen in dieser Zusammenarbeit und seit letztem Jahr auch ein eigenes Magazin zum Unesco-Welterbe Pfahlbauten, die "Palafittes NEWS". Dieses soll ab nun jährlich erscheinen und darin werden alle wichtigen und aktuellen Themen rund um die Pfahlbauten mit Beiträgen aus allen beteiligten Ländern behandelt.

Die erste Ausgabe der "Palafittes News" erschien Ende 2020 und wird ab jetzt jährlich herausgegeben.
Foto: Kuratorium Pfahlbauten

Interesse geht durch den Magen

Wie an vielen anderen Orten zwingt die Pandemie auch uns zur Kreativität. Leider müssen schon seit einiger Zeit alle persönlichen Treffen der internationalen Koordinierungsgruppe ausfallen, in der die Ländervertretungen organisiert sind, doch der Austausch und die gemeinsame Planung finden natürlich trotzdem statt.

Besonders kreativ waren einige Kolleginnen und Kollegen in Deutschland und der Schweiz, die zum Jubiläum den "PalaFitFood"-Blog gründeten. Dieser greift die vielleicht wichtigste Besonderheit der Pfahlbaufundstellen auf: die ausgezeichnete Erhaltung organischen Fundmaterials. Dadurch können in diesen Siedlungen oftmals erstaunlich genaue Aussagen getroffen werden, wie sich die Ernährung der urgeschichtlichen Bevölkerung zusammengesetzt hat. Auf dem Blog finden sich nicht nur eine Reihe von Rezepten mit an Pfahlbaufundstellen entdeckten Zutaten. In der monatlichen Koch-Challenge wird eine Liste mit zu dieser Jahreszeit in den Pfahlbauten verfügbaren Zutaten veröffentlicht und man kann eigene Kreationen zu einer kulinarischen Interpretation der Urgeschichte einschicken.

Für das Jahr 2021 waren in allen beteiligten Ländern Events, wie Informationstage, Mitmachaktionen Führungen und Vorträge, geplant, leider steht diese Planung derzeit durch die Pandemie noch auf wackeligen Beinen und einige Dinge mussten auch abgesagt werden. Daher passiert auch gerade sehr viel online. So wurde von der International Coordination Group gemeinsam eine digitale Vitrine mit Funden aus den verschiedensten Pfahlbaufundstellen unter dem Motto "10 Jahre – 100 Geschichten" und der "Jubiläums-Countdown" eingerichtet, bei dem alle Welterbe-Fundstellen ausführlich beschrieben und vorgestellt werden.

Vertretungen aller Managementorganisation beim letzten Treffen der ICG, Ende 2019.
Foto: ArchäoNow

Österreichischer Welterbetag 18.April 2021

Auch von österreichischer Seite ist 2021 wieder einiges geplant. Vor allem für Vorträge und Führungen im Umfeld der Welterbestätten hoffen wir noch auf eine Besserung der Covid-19-Situation. Die Forschungs- und Sicherungsmaßnahmen an den Pfahlbausiedlungen sind unter Einhaltung erhöhter Sicherheitsmaßnahmen auf jeden Fall durchführbar, wie wir es schon letztes Jahr erproben konnten. Soweit möglich, gehen wir allerdings kein Risiko ein und planen auf Nummer sicher. So zum Beispiel bei unserem Beitrag zum "Österreichischen Welterbetag", der 2021 zum ersten Mal stattfinden wird. Dazu veranstalten wir, vom Kuratorium Pfahlbauten, ein Online-Event, bei dem unter dem Titel "Die Menschen hinter dem Welterbe" gezeigt werden soll, welche starke Community sich im zehnjährigen Bestehen dieses Welterbes aus Management, Gemeinden, Vereinen und engagierten Einzelpersonen entwickelt hat. Viele dieser Protagonisten werden sich per Video vorstellen, ihre Arbeit rund um das Welterbe zeigen und ihre persönliche Begeisterung teilen. Ergänzt wird dieses Programm live durch Moderation, Vorträge und die Möglichkeit, Fragen direkt an das Kuratorium zu stellen. Die Veranstaltung wird öffentlich über einen Link zugänglich sein, der rechtzeitig auf unserer Homepage und über Facebook bekannt gegeben wird. (Fiona Poppenwimmer, Cyril Dworsky, 18.2.2021)