Es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn man feststellt, dass die Tiroler die im In-und Ausland beliebtesten Österreicher sind.

Es genügt, wenn man im Radio jemanden sagen hört: So isch'. Wenn das ein Tiroler sagt, denkt sich der Nichttiroler, dann wird es wohl so sein. Die Tiroler sind ehrliche Leute. Und sympathisch noch dazu. Dieser Ruf hat in den letzten Wochen einen empfindlichen Kratzer bekommen.

Tirol gilt europaweit als Mutationshotspot und ist weitgehend abgeschottet.
Foto: APA/dpa/Angelika Warmuth

Das Unheil begann mit dem Debakel von Ischgl. Es setzte sich fort mit den Berichten über vollbesetzte Skilifte, über angeblich zu Ausbildungszwecken angereiste britische Skilehrer, über als Zweitwohnungsbesitzer getarnte Touristen und schließlich über die jüngsten Aussagen von Landespolitikern in Richtung Bund, gipfelnd in der Drohung, man werde "uns noch kennenlernen". Inzwischen gilt Tirol europaweit als Mutationshotspot und ist weitgehend abgeschottet. Der Imageschaden ist enorm.

Alle Länder und Regionen haben ein Image, eine Art Marke oder Gütesiegel. Es ist oft nicht fair, oberflächlich und klischeehaft. Aber es sitzt. Die russische Seele. Die feine englische Art. Der französische Chic. Das goldene Wienerherz. Bei Tirol gehören zum Landesimage neben der imposanten Bergwelt auch der Ruf seiner Bewohner als ehrlich und stolz. Der Klischee-Tiroler ist ein grader Michel, kein Duckmäuser und Hintenherum-Einschmeichler. Er sagt seine Meinung und lässt sich nicht so leicht einschüchtern.

Dilemma

Dieser Ruf wurzelt nicht zuletzt im historischen Tiroler Freiheitskampf gegen Napoleon und seine Armee und dem Märtyrertod des Andreas Hofer, der, wie es in dem berühmten Lied heißt, "ganz Deutschland in Gram und Schmerz" versetzte.

Neu dazugekommen ist nun ein Tirol-Image, das seine Bewohner als geldgierige Betrüger erscheinen lässt, die sich um des Profits willen über Vorschriften hinwegsetzen, Leben und Gesundheit von Menschen aufs Spiel setzen und, wenn sie ertappt werden, keine Einsicht zeigen, sondern dreist auftrumpfen. In allgemeiner Erinnerung geblieben ist jener unselige Landesrat, der in einem inzwischen legendären Interview mit Armin Wolf nach dem Ischgl-Skandal wieder und wieder gegen jede Evidenz behauptete: Wir haben alles richtig gemacht.

Wie passt das alles zusammen? Ein Aspekt des Dilemmas könnte sein, dass manche Tiroler ihren Konflikt mit Wien in Sachen Corona im Licht des traditionellen Spannungsverhältnisses mit der Bundeshauptstadt sehen. Schon Andreas Hofer wurde von Wien und dem Kaiser seinerzeit im Stich gelassen. Und auch jetzt lässt man sich nicht gern von der Hauptstadt aus maßregeln und will es nicht zulassen, dass man "mit dem Finger auf uns zeigt". Landesstolz auf dem falschen Platz.

Die Pandemie wird vorübergehen. Die Skitouristen werden wiederkommen. Das Hahnenkamm-Rennen wird wieder ein Society-Event werden. Und die wechselseitigen Emotionen werden sich wieder beruhigen. Auf lange Sicht, so ist zu hoffen, wird die Erinnerung an Andreas Hofer bei Einheimischen und Fremden nachhaltiger haften bleiben als die an den Alles-richtig-gemacht-Landesrat. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 17.2.2021)