Bei einer WM sei vieles anders, das sei einzigartig, sagt Katharina Liensberger am Tag nach ihrer Fahrt zu Gold. Der Tag davor sei allerdings schon sehr auf die Substanz gegangen.

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Fis-Renndirektor Markus Waldner sah sich mit Kritik konfrontiert.

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Cortina d'Ampezzo – Es kam für alle Beteiligten im Zielbereich der Pista Olimpia delle Tofane völlig unerwartet, als Damencheftrainer Christian Mitter über Funk vermeldete: "Du bist Weltmeisterin." Erst recht für die betroffene Katharina Liensberger, die ihr Glück zunächst nicht fassen konnte, ging sie doch zunächst wie alle anderen Beobachter vom Gewinn der Silbernen aus. Die WM-Premiere des Parallel-Bewerbs war an Skurrilität kaum zu überbieten gewesen. Warum sollte nach gleichzeitiger Zieldurchfahrt der Vorarlbergerin und Marta Bassino im Finale die Italienerin wegen besserer Laufzeit im zweiten Lauf die Goldmedaille gewinnen, obwohl Liensberger insgesamt deutlich schneller war? Das Regelwerk schien dies vorzugeben, nach Intervention von ÖSV-Sportdirektor Anton Giger kristallisierte sich aber der Irrtum heraus.

Erst nach mehr als einer halben Stunde wurde der Fehler korrigiert. Nach Punkt 5 der Weltcupregeln für Parallelbewerbe ist die Laufzeitregel in Finalläufen außer Kraft, sind Ex-aequo-Wertungen sehr wohl möglich. Die Jury und der Weltverband Fis sahen sich ob des Lapsus mit Kritik konfrontiert. "Es ist leider so passiert", sagte Damen-Renndirektor Peter Gerdol. Die Regeln seien falsch interpretiert worden, die Zeitnehmung sei fehlerhaft, noch auf Achtel- und Viertelfinalmodus programmiert gewesen. Herren-Renndirektor Markus Waldner gestand im Team-Captains-Meeting: "Es war nicht fair. Wir sind nicht glücklich."

Fairness außer Kraft

Dass sich zudem ein Kurs, im konkreten Fall der blaue, als augenscheinlich wesentlich langsamer erwies, war letztlich eine Tücke der Natur, weil die betreffende Piste auf Grund der milden Temperaturen an drei Stellen gebrochen war.

Generell mutet es trotzdem völlig absurd an, dass größere, im ersten Lauf erzielte Vorsprünge auf 0,5 Sekunden geschrumpft werden. Dies biete zwar jenen eine Chance, die nach einem Run aussichtslos zurückliegen und hält die Spannung aufrecht, letztlich ist es aber unfair. Das Regelwerk des Bewerbs scheint jedenfalls nicht ausgegoren. Waldner: "Wir müssen an den Regeln arbeiten und evaluieren, wie wir mit dem Event weitermachen." Man darf gespannt sein.

Sei’s drum: Gold ging an die 23-Jährige aus Göfis in Vorarlberg und an die 24-Jährige aus Cuneo im Piemont. Für beide waren es wohl die größten Erfolge ihrer Karrieren. Für Liensberger war es nach acht Podestplätzen im Weltcup aber auch eine gewisse Genugtuung, war sie doch zuletzt als jeweils Zweite in den Slaloms in Semmering, Zagreb und Flachau jeweils nur knapp am ersten Sieg vorbeigeschrammt, der ihr nun just beim Saisonhöhepunkt gelingen sollte. "Oh Gott, oh mein Gott. Das ist einfach nur genial", sagte die Vorarlbergerin, nachdem sie zunächst nach Fassung ringen musste. Während für sie und ihre Kollegen im Teambewerb am Mittwoch im Viertelfinale Endstation war, hatte sie in Åre 2019 in dem Bewerb noch Silber gewonnen.

Ausrüster-Posse

Im Frühjahr danach hatte sich ein ziemlich verzwickter Wickel ergeben: der ominöse Ausrüsterstreit. Dieser eskalierte schließlich und konnte wegen verhärteter Fronten erst nach monatelangem Ringen im November 2019 beigelegt werden. Liensberger musste aber wieder auf Rossignol umsatteln, obwohl sie bereits im Frühjahr in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zum Vorarlberger Unternehmen Kästle gewechselt war. Der Kontrakt war letztlich geplatzt, weil Liensberger und die Skifirma keinen den Bedingungen des Ski Pools entsprechenden Vertrag mit einem Schuhausrüster vorweisen konnten.

Befreit in den Riesentorlauf

Eine der größeren Possen der Ski-Geschichte ist freilich nach dem Gewinn des Weltmeistertitels kein Thema mehr. Mit Gold im Gepäck kann die Absolventin des Skigymnasiums Stams im Riesentorlauf am Donnerstag (10 und 13.30 Uhr, ORF 1) befreit starten, wenn sie den aus der Erfolglosigkeit der Damen in dieser Disziplin entstandenen Druck nicht auf ihre Schultern lädt. Seit Eva-Maria Brems Erfolg 2016 in Jasná hat es im Riesentorlauf keinen Sieg mehr für eine ÖSV-Dame gegeben.

Liensberger war in der Saison schon Fünfte und Sechste in Courchevel. Ende 2019 stand sie in Lienz als Dritte sogar einmal auf dem Podest. Die bislang letzten Ergebnisse in Kranjska Gora (26. und 14.) und Kronplatz (17.) waren aber mau. Eine Medaille käme einem mittleren Wunder gleich, zumal Bassino als vierfache Saisonsiegerin, Teamkollegin Federica Brignone, die Slowakin Petra Vlhová, US-Star Mikaela Shiffrin und die Schweizerinnen Michelle Gisin und Lara Gut-Behrami, sowie die Französin Tessa Worley Favoriten sind. Sorgen bereiten die Wetteraussichten. Nach der Kälte wird die Flüssigkeit im Thermometer in den nächsten Tagen deutlich in den Plusbereich steigen. (Thomas Hirner aus Cortina d'Ampezzo, 17.2.2021)

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