Für ihren kuschelweichen Kurs, mit dem sie bei der ÖVP so gut wie gar nichts erreichten, wurden die Grünen heftig kritisiert – von den eigenen Leuten und in den Medien. Prinzipienlos seien sie und ohne Rückgrat, hieß es. Ihnen gehe es nur um den Machterhalt, nicht um Inhalte oder gar Haltung. Selbst in ÖVP-Kreisen hatte man sich gewundert – weniger darüber, wie anschmiegsam der kleine Koalitionspartner ist, sondern wie unerbittlich der eigene Kanzler seine Überlegenheit ausspielte und den Grünen so gar nichts gönnte; ihnen nicht einmal formal nachgab, um sie nicht ganz so blöd dastehen zu lassen. Da konnte man fast Mitleid bekommen.

Die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer.
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Nun ist alles ein wenig anders. Die ÖVP ist massiv unter Druck geraten. Eine Ministerin, jene mit der famosen wissenschaftlichen Arbeit, ist zurückgetreten. Bei drei anderen türkisen Regierungsmitgliedern gebe es jedenfalls gute Gründe, über einen Rücktritt zumindest nachzudenken: Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hat in der ärgsten Krise mit dem digitalen "Kaufhaus Österreich" mehr als eine Million Euro an Steuergeldern sinnlos verbrannt, sich selbst blamiert und die heimische Wirtschaft am digitalen Nasenring vorgeführt. Innenminister Karl Nehammer hat sich nicht nur als Ungustl präsentiert, der leider, leider kleine Kinder nächtens deportieren muss, er hat mehrfach auch gezeigt, dass er sein Ressort nicht im Griff hat.

Schließlich Gernot Blümel. Ein Finanzminister, der einen allzu vertrauten Umgang mit einem Glücksspielkonzern pflegt, gegen den als Beschuldigten wegen Bestechlichkeit ermittelt wird. Und Sebastian Kurz, dem als Kanzler in einer solchen Situation nichts anderes einfällt, als über die Justiz herzuziehen. Das ist nicht gerade souverän.

Vorwärtsbewegung

Die Grünen nutzen das Momentum. Sie sind jetzt forsch und streng. Sie nutzen die mentale Schräglage ihres sonst so toughen Partners, um von diesem herauszuholen, was gerade geht. Es geht um Zugeständnisse, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Mit einer Partei, die sich an ihrem Standort einbetoniert hat, ist jede Vorwärtsbewegung ein Gewinn: Es soll eine weisungsfreie, von der Politik unabhängige Generalstaatsanwaltschaft kommen. Die Parteifinanzen sollen transparent und überprüfbar gemacht werden. Die Obergrenze für Wahlkampfkosten soll gesenkt werden. Das autoritär anmutende Amtsgeheimnis soll gekippt und stattdessen ein Informationsfreiheitsgesetz für mündige Bürger umgesetzt werden. Endlich. Das kann man schon als grünen Erfolg sehen, auch wenn die Details noch in den Verhandlungen geklärt werden müssen.

Jetzt müssen die Grünen dranbleiben. Und aufpassen. Sobald sich Kurz, Nehammer und Blümel erholt haben, werden sie sich für die grünen Unfreundlichkeiten revanchieren. Das kommt so sicher wie das Amen im Gebetskreise der ÖVP im Parlament.

Beiden Koalitionspartnern sollte aber klar sein: Eine Regierung, die nur mit sich selbst beschäftigt ist, will und braucht kein Mensch. Abseits aller Ideologien und parteipolitischen Präferenzen erwarten sich die Bürger eine Regierung, die sich engagiert für sie einsetzt, die sie beschützt und das Leben leichter macht, die arbeitet und nicht streitet. Die sich nicht kaufen lässt. Und den Rechtsstaat achtet. Das ist keine ganz neue Erkenntnis, aber eine, die man dieser Tage gerne wieder unterstreichen möchte. (Michael Völker, 18.2.2021)