Es wird vieler Werkzeuge bedürfen, um die Kurzarbeit zurückzufahren. Ewige Stütze verursache Zombie-Unternehmen und Marktverzerrung.

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Kurzarbeit steht vor einer weiteren Verlängerung. Der Ministerrat hat am Mittwoch die Phase IV bis Juni, beginnend mit März, beschlossen. Im Wesentlichen bleibt die Regelung gleich wie für die derzeit auslaufende Phase III, bestätigte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) nach dem Ministerrat.

Auch die Konditionen sind unverändert: Die Nettoersatzrate beträgt je nach Monatseinkommen 80 bis 90 Prozent, die Mindestarbeitszeit 30 Prozent. Diese Bedingung ist seit dem Lockdown allerdings ausgesetzt, mit Betretungsverbot belegte Betriebe der Gastronomie, des Beherbergungswesens und bis vor kurzem auch der Handel, konnten die Arbeitszeit auch auf null setzen.

Problem Vollentlohnung

Problematisch sei, verlautet aus Verhandlerkreisen, allerdings noch ein nicht unwesentlicher Punkt: die Erfüllung der Grundbedingung für die Kurzarbeit, wonach ein neu eingestellter Dienstnehmer mindestens einen Monat lang voll verdient haben muss, um überhaupt in Kurzarbeit geschickt werden zu können. Das sei für die im Lockdown befindlichen Branchen wie Gastronomie und Beherbergungsbetriebe, aber auch für Teile der Bauwirtschaft beim Hochfahren der Betriebe ein Problem, verlautet aus Sozialpartnerkreisen.

Dahinter steckt ein technisches Problem: Das Arbeitsmarktservice (AMS) braucht zumindest einen vollentlohnten Monat, um die Basis für die Berechnung der Kurzarbeitsbeihilfe zu eruieren. Wird ein neu eingestellter Mitarbeiter gleich zum reduzierten Satz eingestellt, müsste das fiktive Vollgehalt händisch eingegeben werden (die Differenz wird dem Unternehmen in Form der Kurzarbeitsbeihilfe vom AMS ersetzt). Für die Bauwirtschaft könnte dies die Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse übernehmen, sie weiß um Letztgehälter und Wiedereinstellungszusagen Bescheid und kann so Fördermissbrauch hintanhalten. Für alle anderen Branchen suche man noch einen "Abwicklungsstelle", skizziert ein Sozialpartner-Vertreter das Problem. Ein "Deal-Breaker" sei das Thema aber nicht mehr.

Das Problem dahinter sehen Regierung wie Sozialpartner überaus kritisch, weil dabei Arbeitnehmer von den Betrieben mit Steuergeld "reserviert" würden, die vielleicht auch andere Jobs finden könnten.

Nächste Woche ist dem Vernehmen nach ein Treffen der Sozialpartner-Präsidenten geplant. Es werden sich also die Spitzen von Wirtschafts- und Arbeiterkammer sowie der Gewerkschaft mit dem Problem befassen.

Behaltefrist

Dabei dürfte auch die Behaltefrist von einem Monat Thema sein, sie wird von Unternehmensseite als besonders belastend kritisiert, wenn Reserven verbraucht und der Personalstand für gedämpften Umsatz zu hoch sei. Die Gewerkschaft befürchtet natürlich, dass nach Ende der Kurzarbeit und des Lockdowns tausende Dienstnehmer gekündigt werden, weil die Reserven aufgebraucht sind und das Geschäft noch nicht wieder laufe wie vor dem Lockdown.

Problemfeld Trinkgeld

Ein weiteres Problem, das für Diskussionen sorgt: ob Arbeitnehmer in der Gastronomie eine Kompensation für entgangene Trinkgelder bekommen. Dem Vernehmen nach läuft es hier darauf hinaus, dass die Sozialpartner lediglich eine Empfehlung geben werden, eine solche Trinkgeldentschädigung auszuzahlen. Hintergrund ist, dass das Arbeitslosengeld von Köchen und Kellnern im Vergleich zum Reallohn vor der Krise besonders niedrig ist, weil die entgangenen Trinkgelder natürlich nicht ersetzt werden.

Planungssicherheit

"Mit der Verlängerung der Kurzarbeit in der bestehenden Form um weitere drei Monate, bis Ende Juni 2021, geben wir den Beschäftigten und Betrieben Planungssicherheit für die Zeit nach März und sichern weiterhin auch in Branchen Jobs, die aufgrund der gesundheitlichen Entwicklung von behördlichen Schließungen betroffen sind", betonte Arbeitsminister Kocher, der Unternehmer wie Arbeitnehmer zu Weiterbildung ermunterte. Betriebe bekommen bis zu 60 Prozent der diesbezüglichen Ausgaben ersetzt.

Er stößt damit an einem weiteren Problembereich der Kurzarbeit: Die ursprünglich an die Beihilfe gekoppelten Qualifizierungsmaßnahmen sind völlig aufgeweicht. Weitergebildet wird de facto nicht. Lediglich ein paar hundert besuchten einen Kurs oder eine Ausbildung.

Als Stellschrauben für einen Exit nennen Experten: Die Erhöhung der Arbeitszeit in der Kurzarbeit bei gleichzeitiger Reduzierung des Ausfallgeldes für die Unternehmen.

Aktuell sind 465.400 Arbeitnehmer in Kurzarbeit, am meisten in den noch immer vom Lockdown besonders betroffenen Tourismus- und Gastrobetrieben. Bis Mitte Jänner bildete der Handel mit 117.000 Dienstnehmern in Kurzarbeit die Spitze gefolgt von Gastronomie und Beherbergung (108.000 Arbeitnehmer) und der "Herstellung von Waren", also Industrie und Gewerbe mit 73.910 Betroffen.

Milliarden an Kosten

Die Kosten der als Erfolgsmodell gefeierten Hilfsmaßnahme können sich freilich auch sehen lassen: Die Auszahlungen an 56.058 Betriebe beliefen sich laut Finanzministerium auf sechs Milliarden Euro. Wie es nach Juni weitergeht, hängt vor allem von der Zurückdrängung der Covid-19-Pandemie und vom Impffortschritt ab. So bleiben wie bisher könne und solle die Förderung wohl nicht. Man werde Adaptionen für den Exit entwickeln, kündigte Kocher an.

Denn Kurzarbeit ist nicht nur teuer für den Steuerzahler, sie hat auch Schattenseiten. Vor allem in der ersten und zweiten Phase (bis Ende September), gab es teils beträchtliche Überförderungen. Das typische Beispiel: Ein Unternehmen beschäftigt Mitarbeiter zu 80 Prozent Arbeitszeit und zahlt (abhängig von der Gehaltsstufe) 80 bis 90 Prozent. Die nicht geleistete Arbeitszeit (Ausfallstunden) von 20 Prozent oder mehr wird vom AMS in Form der Kurzarbeitsbeihilfe abgegolten. Dabei entstand Überförderung, Gewerkschafter sprechen von "Körberlgeld" für Arbeitnehmer. Das ist inzwischen abgestellt.

Teuer und konservierend

Geblieben sind Mehrfachförderungen. Branchen im Lockdown konnten ihre Mitarbeiter auf null Arbeitszeit setzen und Umsatzersatz im November und Dezember abholen. Darüber hinaus gab es Fixkostenzuschuss – nichts davon wurde mit Kurzarbeitsgeld gegengerechnet. Auch für den für hart getroffene Branchen aufgesetzte Umsatzersatz in den kommenden Monaten gibt es keine Gegenrechnung.

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker sieht die Verlängerung bis Juni als zu lang. Es brauche parallel dazu Schritte, um Kurzarbeit zurückzufahren", vor allem in Branchen, wo Stellen offen sind."Bei Besserung der wirtschaftlichen Entwicklung gebe es keine Rechtfertigung für Kurzarbeit, sagt auch Gernot Mitter, von der Arbeitsmarktpolitik in der Arbeiterkammer. (Luise Ungerboeck, András Szigetvari, 17.2.2021)