Der Oberste Führer des Iran, Ali Khamenei, bei einer Videokonferenz am Mittwoch.

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Jetzt ist Feuer am Dach: Der Iran hat seine früheren Ankündigungen bestätigt, ab nächster Woche die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bei der Umsetzung des Atomabkommens einschränken zu wollen. Am Donnerstag beraten sich dazu die Außenminister Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs in Paris, ihnen zugeschaltet wird auch der neue US-Chefdiplomat Antony Blinken. Und am Samstag reist IAEA-Chef Rafael Grossi nach Teheran, um mit der iranischen Führung zu sprechen.

Frage: Worum geht es bei den jüngsten iranischen Ankündigungen?

Antwort: Der Iran will in Hinkunft keine verschärften Atominspektionen mehr akzeptieren, etwa solche ohne Anmeldung. Diese Inspektionen werden mit dem sogenannten Additional Protocol geregelt, dem "Zusatzprotokoll" zu den Überwachungsmechanismen, mit denen die IAEA im Iran – oder anderen Ländern – nukleare Anlagen und Materialien nach dem früher üblichen Procedere kontrolliert.

Frage: Warum tut Teheran das?

Antwort: Die Argumentation ist folgende: Die USA haben das 2015 in Wien abgeschlossene Atomabkommen, das das iranische Urananreicherungsprogramm beschneidet und kontrolliert, im Mai 2018 verlassen. Die USA haben nicht nur Sanktionen gegen den Iran wieder eingeführt, sondern bestrafen auch alle, die mit dem Iran zusammenarbeiten. Deshalb hat Teheran praktisch nichts mehr davon, wenn es sich an den Atomdeal hält.

Deshalb haben die Iraner 2019 damit begonnen, nach und nach die Vorschriften des Atomdeals zu verletzen. Auch dass der Iran sich verpflichtet hat, die schärferen Atominspektionen des "Zusatzprotokolls" zu akzeptieren, war Teil des Atomabkommens von 2015.

Frage: Warum wollen London, Paris und Berlin und die neue US-Regierung von Joe Biden den Deal retten?

Antwort: Die sogenannten E3 – damals war Großbritannien noch in der EU – und die USA unter Barack Obama haben 2015 das Abkommen mit dem Iran geschlossen, um sicherzustellen, dass der Iran konstant von einer wichtigen nuklearen Schwelle ferngehalten wird: über so viel angereichertes Uran zu verfügen, dass relativ kurzfristig durch Mehranreicherung genügend Material für eine Atombombe hergestellt werden kann. Das hat bis zum Ausstieg der USA unter Donald Trump funktioniert. Jetzt schrumpft diese nukleare "Breakput"-Zeit rapid.

Frage: Um welche Verletzungen des Atomdeals von iranischer Seite handelt es sich noch?

Antwort: Der Iran hat 2019 damit begonnen, etwas höher als auf die ihm erlaubten 3,67 Prozent anzureichern. Gleichzeitig stieg auch der Bestand an angereichertem Uran. Lange war das nicht sehr signifikant. Aber nun reichert der Iran auch wieder auf knapp 20 Prozent an. Das ist zwar noch immer kein "hochangereichertes" Uran und schon gar kein waffenfähiges, aber doch ein großer Sprung. Außerdem reichert der Iran in einer unterirdischen Anlage an – in Fordow, wo er das nicht dürfte – und arbeitet mit Zentrifugen, die ihm laut Atomabkommen noch untersagt wären.

Frage: Was heißt "noch"?

Antwort: Das ist genau der Punkt aller Kritiker des JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) genannten Wiener Atomdeals: Die Beschneidung der iranischen Urananreicherung – natürlich nicht das Verbot von Atomwaffen! – ist darin zeitlich begrenzt, wenngleich teilweise mit 15-jährigen Fristen. Und Probleme außerhalb des Atomprogramms werden überhaupt nicht darin angesprochen, etwa das ehrgeizige iranische Raketenprogramm und die aggressive iranische Einflusspolitik im Nahen Osten.

Frage: Und wie soll die Rückkehr zum Atomdeal funktionieren?

Antwort: Das ist das Problem. Die iranische Führung verlangt von den USA eine Aufhebung der Sanktionen, die US-Regierung will, dass der Iran sofort die Verletzungen des Atomabkommens einstellt. Bisher eine Pattsituation. Joe Biden hat auch schon angedeutet, dass er sich eigentlich nicht mit dem Status quo ante – also dem Zustand vor dem Austritt Trumps – zufriedengeben will. Auch die E3 sind ziemlich frustriert vom iranischen Verhalten in anderen Bereichen.

Frage: Laufen Verhandlungen mit Teheran?

Antwort: Offiziell nicht, hinter den Kulissen aber bestimmt. Eine weitere Erschwernis ist, dass im Juni im Iran Präsidentschaftswahlen stattfinden, Präsident Hassan Rohani – der sich gegen die jetzigen Verletzungen ausgesprochen hat – tritt ab. Die ideologischen Hardliner wollen zum Teil gar keine Rückkehr zum Deal. (Gudrun Harrer, 18.2.2021)