Der fünfte Marsrover der US-Weltraumbehörde Nasa ist kurz vor seinem Ziel. Das Labor auf vier Rädern soll nach Lebensspuren suchen und Proben für den Rücktransport vorbereiten.
Illustration: Nasa/JPL-Caltech

Der Mars ist ein unwirtlicher Planet – das war aber nicht immer so. Vor etwa 3,5 Milliarden Jahren schützte eine dichte Atmosphäre den Mars vor der unbarmherzigen UV-Strahlung der Sonne, flüssiges Wasser bahnte sich auf der Oberfläche seine Wege, die Temperaturen waren milder als heute. Mit anderen Worten: Die Bedingungen auf unserem Nachbarplaneten ähnelten einst jenen auf der Erde – sie waren lebensfreundlich. Doch während die Erde aufblühte und immer komplexeres Leben hervorbrachte, verwandelte sich der Mars in eine kalte, sterile Wüstenwelt.

Was genau mit unserem äußeren Nachbarn passiert ist, beschäftigt Wissenschafter seit langem. Vor allem zwei unbeantwortete Fragen stehen bis heute im Fokus: Ist auf dem Mars in seinen besten Zeiten Leben entstanden? Und wenn ja, könnte es irgendwo auf dem Planeten eine Nische geben, in der es bis heute überdauert?

Schon gehört?

Heikles Manöver

Gleich drei neue Raumfahrtmissionen sind vergangenen Sommer ins All gestartet, um neue Antworten zu suchen. Einer davon steht morgen, Donnerstag, ihr heikelstes Manöver bevor: Gegen 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit soll der Marsrover Perseverance der US-Raumfahrtbehörde Nasa nach sechseinhalbmonatiger Reise auf dem Roten Planeten landen. Neun Mal hat es die Nasa schon erfolgreich auf den Marsboden geschafft. Mit Perseverance, auf Deutsch "Beharrlichkeit", soll nun ihr bisher größtes und leistungsfähigstes Marsfahrzeug den Planeten erkunden. Erklärtes Hauptziel der Mission ist es, Spuren von Leben zu finden.


Geschichtsträchtiger Boden

"Das Fantastische am Mars ist, dass man viel weiter in die Vergangenheit zurücksehen kann als auf der Erde", sagt Manuel Güdel. Der Schweizer Astrophysiker, der seit 2010 eine Professur für Astronomie an der Universität Wien innehat, vergleicht den Planeten mit einem Geschichtsbuch. "Man kann vier Milliarden Jahre zurückblicken, das hat mit der bescheidenen Erosion zu tun." Anders als der Erdboden, der sich im Lauf der Zeit durch Wasser, Wind und biologische Aktivitäten dramatisch verändert hat, ist die Marsoberfläche noch viel ursprünglicher geblieben, erklärt Güdel.

In den Sedimenten finden sich Spuren aus der Frühzeit des Planeten, die faszinierende Geschichten erzählen: von Meteoriteneinschlägen und Kollisionen mit kleineren Körpern, die die Bausteine des Lebens mit sich gebracht haben könnten, aber auch von Flüssen und Seen, die den heute staubtrockenen Marsboden einmal bedeckten.

Instabiler Nachbar

Auch die Instabilität, die dem Mars zu seinem heutigen Antlitz verhalf, ist in die Landschaft eingeschrieben. An den ausgetrockneten Flusstälern und Seeböden lässt sich ablesen, dass das lebensfreundliche Zeitfenster auf dem Mars nur vergleichsweise kurz währte. Manche Schätzungen gehen davon aus, dass das Wasser vielleicht schon nach ein paar Hunderttausend Jahren wieder von der Oberfläche verschwand. Heute existiert es immerhin noch unterirdisch in den Polregionen – wie viel, ist unklar.

"Der Mars hat im Vergleich mit der Erde ein paar Probleme: Er ist kleiner und hat weniger Anziehungskraft, dadurch ist es auch schwieriger, eine Atmosphäre zu halten", sagt Güdel, der mit seinem Team den folgenreichen Verlust der dichten Gashülle des Planeten erforscht. Wechselwirkungen der oberen Atmosphäre mit dem Sonnenwind, aber auch starke ultraviolette Bestrahlung waren beim Abbau der Marsatmosphäre ebenfalls beteiligt, womöglich spielte auch das Verschwinden eines globalen Marsmagnetfelds eine Rolle.

Krater mit Potenzial

Nicht nur die Atmosphäre wurde immer dünner, nach und nach gab es auch für das Wasser kein Halten mehr: Wasserdampf spaltet sich unter UV-Bestrahlung in Wasserstoff und Sauerstoff auf – und Wasserstoff ist so leicht, dass er schnell in den Weltraum entschwindet. "Der Mars hat einfach zu wenig Schutzmechanismen, seine Atmosphäre ist wahrscheinlich um einen Faktor 100 zusammengebrochen im Lauf der Zeit", sagt Güdel.

Bis dahin waren die Bedingungen für die Entstehung von Leben auf dem Mars aber wahrscheinlich günstig – die große Frage ist, ob auch etwas in Gang gekommen ist. Der neue Nasa-Rover soll in einem besonders interessanten Terrain Nachschau halten: Sein Landeplatz befindet sich an einem Ort, der einmal vollständig unter Wasser stand. Perseverance soll im Jezero-Krater auf der Nordhalbkugel des Planeten landen, in dem sich einst ein riesiger See befand.

Im Jezero-Krater stand einst das Wasser. Perseverance soll dort ein ausgetrocknetes Flussdelta untersuchen.
Foto: ESA/DLR/FU-Berlin

Spurensuche im Flussdelta

"Die Geologie in diesem Krater ist außergewöhnlich gut erhalten", sagt Briony Horgan von der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana. Die Geologin ist im wissenschaftlichen Team der Marsmission und schwärmt regelrecht von den Bedingungen im Krater. Dank Aufnahmen von Raumsonden konnte ein ausgedehntes Flussdelta identifiziert werden, in dem sich besonders viele Sedimente abgelagert haben dürften, die das Wasser über weite Entfernungen mitgeschleppt hat. "In diesen Ablagerungen könnte es Spuren von organischen Molekülen oder sogar von Leben geben." Die Untersuchung von Mineralien verspricht auch genauere Aufschlüsse über die einstigen Bedingungen in diesem See – etwa über die Zusammensetzung des Wassers und den Wasserstand.

Mithilfe eines Radars könnte Perseverance auch unterirdische Wasserreservoirs finden, so es welche gibt. Sollte es heute noch Marsbewohner geben, wäre es naheliegend, dass sie sich ebenfalls unter die Oberfläche zurückgezogen haben. Denn der Marsboden wird durch die UV-Strahlung laufend sterilisiert, Leben, wie wir es kennen, würde das nicht überstehen. Auch Mikroben nicht. Perseverance ist wie schon seine Vorgänger mit einem Bohrwerkzeug ausgestattet, für sehr tiefe Bohrungen ist er allerdings nicht ausgelegt.

Perseverance soll am Donnerstag kurz vor 22 Uhr MEZ in einem Krater auf der Nordhalbkugel des Mars landen.
Illustration: Nasa/JPL-Caltech

Premiere für Helikopterdrohne

Der etwa eine Tonne schwere Rover ist dafür ein kompaktes Forschungslabor auf Rädern. Er verfügt über sieben wissenschaftliche Instrumente und ein hochentwickeltes Kamerasystem, das der Mission bei der Orientierung und der Suche nach vielversprechenden geologischen Strukturen dient. An der 3D-Auswertung dieser Daten ist übrigens auch Technologie aus Österreich beteiligt: Das Forschungsinstitut Joanneum Research in Graz und das Wiener Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung VRVis haben gemeinsam ein Softwaretool entwickelt, das interaktive Analysen ermöglicht.

Auch ein anderes Hilfsmittel soll dem Marsrover die Arbeit auf dem Planeten ein bisschen erleichtern, wenngleich es sich dabei vorrangig um einen Test handelt. Perseverance hat eine kleine Helikopterdrohne namens Ingenuity dabei, die einige kurze Flüge absolvieren und die Umgebung des Rovers von oben fotografieren soll. Das könnte die Routenplanung verbessern – vor allem aber wäre es im Erfolgsfall das erste Mal, dass ein Fluggerät von einem anderen Planeten abhebt. In der extrem dünnen Marsatmosphäre ist ein Drohnenflug eine enorme Herausforderung, Ingenuity soll die Machbarkeit erstmals unter Beweis stellen.

Fliegender Wegweiser: Ein kleiner Helikopter soll Luftaufnahmen liefern – testweise.
Illustration: Nasa/JPL-Caltech

Probenrückführung geplant

Vorgesehen ist noch eine weitere Premiere. Die interessantesten Materialproben aus dem Marskrater sollen in speziellen Behältern gesammelt und für eine spätere Abholung an einem günstigen Platz hinterlegt werden. Gemeinsam mit der Europäischen Weltraumorganisation Esa will die Nasa Anfang der 2030er-Jahre erstmals Marsmaterial auf die Erde bringen. Noch ist die aufwendige Rückführungsmission nicht endgültig auf Schiene, die technischen Planungen laufen aber längst. Die Nasa sieht darin auch eine Möglichkeit, neue Technologien für künftige Astronautenmissionen zum Mars zu erproben.

Bis wirklich einmal Menschen den Roten Planeten erreichen könnten, gibt es noch viele Probleme zu lösen. Von den enormen medizinischen Risiken einmal abgesehen, zählen Landungen auf dem Mars generell zu den größten Herausforderungen der Raumfahrt. Die dünne Atmosphäre erschwert das Abbremsen beim Landeanflug, es braucht mehrteilige Bremssysteme, um ein Raumfahrzeug heil auf die Oberfläche zu bringen. Die Landung muss außerdem völlig autonom ablaufen, die Entfernung zwischen Mars und Erde ist für eine direkte Steuerung viel zu groß.

Andrang auf den Mars

Von diesen technischen Herausforderungen zeugt auch die gemischte Bilanz der bisherigen Marsmissionen: Von 18 Landeversuchen waren nur zehn erfolgreich – neun davon gelangen den USA. Mit Perseverance setzt die Nasa auf ein bereits erprobtes Manöver, das sich schon 2012 bei der Landung des Marsrovers Curiosity bewährt hat.

Schon in wenigen Monaten will auch China seinen Erstversuch wagen und einen Lander der Mission Tianwen-1 auf den Marsboden bringen. Als Ziele nennt Peking die Erforschung der Topografie und geologischen Zusammensetzung des Roten Planeten und seiner inneren Struktur. Im Vergleich zur Nasa hält sich die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA mit Details zum Ablauf aber bedeckt.

(Teil-)Selfie vom Mars: Die chinesische Mission Tianwen-1 hat vergangene Woche den Marsorbit erreicht.
Foto: AFP/CNSA

Ein dritter Besucher ist schon vergangene Woche auf dem Mars eingelangt: Al-Amal, die erste Marssonde der Vereinigten Arabischen Emirate, soll von einer Umlaufbahn aus das Klima des Roten Planeten erforschen und dazu beitragen, die bewegte Geschichte unseres Nachbarplaneten besser zu verstehen. (David Rennert, 18.2.2021)