Die Neuregelung könnte Alliierte dazu verpflichten, sich vergleichsweise stark an Einsätzen zu beteiligen, auch wenn sie diese kritisch sehen.

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Brüssel – Die Nato hat mit der Diskussion über Reformvorschläge von Generalsekretär Jens Stoltenberg begonnen. Bei einer Videokonferenz tauschten sich am Mittwoch erstmals die Verteidigungsminister der 30 Mitgliedsstaaten zu dem Projekt "Nato 2030" aus. Es umfasst unter anderem den Vorschlag, Maßnahmen zur Abschreckung und Verteidigung künftig zumindest teilweise aus der Gemeinschaftskasse zu finanzieren. Demnach müssten Bündnisstaaten nicht mehr alle Kosten selber tragen, wenn sie sich zum Beispiel an der Stationierung von Truppen im Baltikum oder Luftüberwachungseinsätzen beteiligen.

Frankreich kritisch gestimmt

Über den Verlauf der Beratungen wurde zunächst nicht bekannt. Aus Bündniskreisen hatte es allerdings schon im Vorfeld geheißen, dass unter anderem Frankreich den Vorschlag sehr kritisch sehe. Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ging in einer Stellungnahme zum Auftakt nur allgemein auf das Projekt ein. Deutschland habe großes Interesse daran, die Prozesse zur künftigen Gestalt der Nato voranzutreiben.

Als möglicher Grund für Frankreichs Ablehnung gilt, dass sich das Land international vor allem außerhalb der Nato militärisch engagiert – zum Beispiel im Kampf gegen Terror in Ländern wie Mali. Es würde deswegen vom neuen Finanzierungssystem vermutlich nicht profitieren. Zudem könnte die Neuregelung dazu führen, dass sich Alliierte auch dann vergleichsweise stark an Einsätzen beteiligen müssen, wenn sie diese politisch eher kritisch sehen und nur aus Gründen der Bündnisloyalität ihre Zustimmung gegeben haben.

Länder wie Deutschland könnten profitieren

In der Nato-Zentrale wird unterdessen betont, dass es nicht um die Finanzierung von Einsätzen wie in Afghanistan gehen soll, sondern nur um das militärische Engagement im Bündnisgebiet. Dort besonders aktive Länder wie Deutschland könnten unterm Strich von einer Neuregelung profitieren. Stoltenbergs Ziel ist, beim nächsten Nato-Gipfel ein abgestimmtes Reformkonzept zu präsentieren. Er soll im Lauf des Jahres stattfinden. Einen Termin gibt es noch nicht.

Weitere Vorschläge sehen vor, klarere Ziele für die Fähigkeit der Mitgliedstaaten zur Gefahrenabwehr zu vereinbaren, um die Einhaltung von Mindeststandards zu gewährleisten. Zudem will Stoltenberg zusätzliche Konsultationen einführen, um die politische Koordinierung zu stärken. Auch das derzeitige strategische Konzept der NATO soll überarbeitet werden.

Keine US-amerikanischen Alleingänge mehr

Für die USA nahm erstmals der neue Verteidigungsminister Lloyd Austin an den Beratungen teil. Er versprach, dass mit dem Machtwechsel im Weißen Haus die Zeit der amerikanischen Alleingänge vorbei ist. "Wir müssen uns abstimmen, gemeinsam entscheiden und gemeinsam handeln", schrieb er auf Twitter. Unter US-Präsident Donald Trump war das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Nato äußerst angespannt. Trump hatte mehrfach Zweifel daran geweckt, ob die USA im Ernstfall ihrer Verpflichtung zum militärischen Beistand nachkommen. Hinzu kamen die nicht abgesprochene Ankündigung eines Rückzugs von US-Truppen aus Deutschland. Zum Entsetzen der NATO-Alliierten drohte Trump sogar mit dem Austritt. (APA, 17.2.2021)