Das Risiko, bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 schwer zu erkranken, wird zum Teil von Genen beeinflusst, die wir von den Neandertalern geerbt haben.

Foto: APA / AFP / Marco Bertorello

Eine der problematischen Eigenarten einer SARS-CoV-2-Infektion ist die große Bandbreite an Symptomen, die sie hervorrufen kann. Manche Betroffene sind völlig ohne Krankheitszeichen, andere erleiden schwere Atemwegsinfektionen, die zum Tod führen können. Die Gründe dafür sind komplex. Neben Risikofaktoren wie fortgeschrittenes Alter und Diabetes oder der Viruslast spielen auch die Gene eine gewisse Rolle dabei, ob Menschen empfänglich sind für einen schweren Verlauf von Covid-19.

Ein in diesem Zusammenhang bedeutender genetischer Faktor sitzt auf Chromosom 3 und erhöht das Risiko erheblich, dass eine SARS-CoV-2-Infektion in die Intensivstation führt. In evolutionären Zeiträumen gedacht besitzen wir diesen Faktor erst seit relativ kurzer Zeit: Internationale Forscher haben diese Risikovariante im Vorjahr als Erbe der Neandertaler identifiziert.

Schweres und willkommenes Erbe

Seit vor fast 20 Jahren ein Team um Svante Pääbo (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie) erstmals zweifelsfrei eine Vermischung zwischen Neandertaler und Homo sapiens festgestellt hat, wird an diesem genetischen Vermächtnis geforscht. Drei bis vier Prozent beträgt der Anteil am Genom der Menschen mit Wurzeln außerhalb Afrikas.

Die niedrige Zahl lässt auch auf eine vergleichsweise geringe Vermischungsrate schließen – es reicht aber für eine ganze Reihe von Einflussmöglichkeiten auf unser Wohlbefinden: Depressionen und Suchtverhalten werden ebenso mit dem Neandertaler-Erbe in Verbindung gebracht, wie Fruchtbarkeit oder Schwächen bei der Immunabwehr.

Doch unsere Verwandten haben uns vor über 60.000 Jahren nicht nur Schädliches hinterlassen. Das Team um Pääbo und Hugo Zeberg vom Karolinska Insitutet in Schweden entdeckte nun auch eine schützende Genvariante, die wir den Neandertalern verdanken.

Effizienteres Enzym

Die dafür verantwortlichen Genfaktoren auf Chromosom 12 reduzieren das Risiko bei einer Infektion schwer zu erkranken um etwa 20 Prozent. Die Gene in dieser Region werden OAS genannt und regulieren die Aktivität eines Enzyms, das virale Genome abbaut – und die Neandertaler-Variante des Enzyms scheint dabei deutlich effizienter zu sein. "Das zeigt, dass unser Neandertaler-Erbe ein zweischneidiges Schwert ist. Es hat uns Varianten beschert, für die wir den Neandertalern gleichermaßen danken und sie verfluchen können", sagt Zeberg.

Die im Fachjournal "Pnas" veröffentlichte Studie zeigt auch, dass die schützende Neandertalervariante seit der letzten Eiszeit immer größere Verbreitung fand, so dass nun etwa die Hälfte aller Menschen außerhalb Afrikas sie im Genom trägt. "Es ist auffällig, dass diese Neandertaler-Variante sich in vielen Teilen der Welt durchgesetzt hat. Sie war möglicherweise nicht nur in der aktuellen Pandemie nützlich, sondern auch bereits in der Vergangenheit", sagt Pääbo.

"Auffällig ist auch, dass zwei genetische Varianten, die wir vom Neandertaler geerbt haben, für den Verlauf von Covid-19 mit so gegensätzlichen Auswirkungen verbunden sind", so der Paläogenetiker. "Das Immunsystem der Neandertaler beeinflusst uns offensichtlich noch heute – sowohl positiv als auch negativ." (tberg, red, 18.2.2021)