Die Unterstützung durch Cyanobakterien würde eine längerfristige Mission zum Mars deutlich erleichtern.
Illustr.: Nasa

Cyanobakterien fühlen sich selbst unter den unwirtlichsten Bedingungen wohl, was ihnen in der Zukunft vielleicht eine Aufgabe in der Raumfahrt bescheren könnte: Ein Team um Cyprien Verseux vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen hat Hinweise darauf entdeckt, dass sich Cyanobakterien sogar unter Mars-Bedingungen hervorragend vermehren und damit die Basis für biologische Lebenserhaltungssysteme bilden könnten.

Eine Expedition zum Mars würde sich über Jahre hinziehen – allein die Anreise dauert je nach Planetenkonstellation mindestens neun Monate. Die Astronauten über so lange Zeit hinweg fortlaufend mit lebenserhaltenden Verbrauchsmaterialien zu versorgen, ist dabei nur eines von vielen zu lösenden Problemen. Eigentlich können langfristige Explorationsmission nur dann gelingen, wenn die wichtigsten Ressourcen auf dem Mars produziert und recycelt werden.

Eine Lösung dafür wären bioregenerative Lebenserhaltungssysteme (BLSS) auf Basis von Cyanobakterien. Auf dem Mars kommt ihr volles Potenzial zum Tragen, da sie sich vielen Extrembedingungen gut anpassen können und durch Photosynthese Sauerstoff produzieren. Diese Fähigkeit findet man zwar bei fast allen Pflanzen, aber Cyanobakterien können darüber hinaus auf Basis der Nährstoffe wachsen, die auf dem Roten Planeten vorhanden seien, so die Wissenschafter

Atmosphärisches Testlabor

Um sich Cyanobakterien auf anderen Planeten zu Nutzen zu machen, wird zunächst im Labor erforscht, wie sie auf unterschiedliche Umgebungsbedingungen reagieren: Es muss ein Kompromiss gefunden werden zwischen marsähnlichen Bedingungen und Umständen, die das Wachstum von Cyanobakterien am besten unterstützen. Mit Hilfe eines atmosphärengesteuerten Unterdruck-Photobioreaktors, dem "Atmos", arbeitete das Forschungsteam in den letzten Monaten daran, die optimalen atmosphärischen Bedingungen für das Wachstum der Cyanobakterien der Gattung Anabaena zu bestimmen und dabei zugleich die technische Umsetzbarkeit auf dem Mars zu berücksichtigen.

Cyprien Verseux unternimmt Feineinstellungen am Atmos (kurz für Atmosphere Tester for Mars-bound Organic Systems), mit dem die Produktivität von Cyanobakterien unter Mars-Bedingungen getestet wird.
Foto: ZARM/Universität Bremen

Die Erdatmosphäre setzt sich aus Stickstoff (78 Prozent) und Sauerstoff (21 Prozent) sowie jeweils einem kleinen Anteil an Argon und Kohlenstoff zusammen. Die Marsatmosphäre hingegen besteht zwar aus den gleichen Stoffen, setzt sich aber nahezu gegensätzlich zusammen, da sie hauptsächlich aus Kohlenstoff (95 Prozent) und nur kleinen Anteilen von Stickstoff und Argon besteht, sowie allenfalls Spuren von Sauerstoff enthält.

Im Experiment wurden nun in verschiedenen Durchläufen die Anteile der Gase sowie der Umgebungsdruck verändert und die entsprechende Entwicklung der Bakterien beobachtet. Ziel der Untersuchungen war es, sich so weit wie möglich der Marsatmosphäre anzunähern während gleichzeitig noch ein starkes Wachstum der Cyanobakterien erhalten bleibt.

Unerwartet starkes Wachstum

Die im Fachjournal "Frontiers in Microbiology" veröffentlichten Ergebnisse erwiesen sich als recht vielversprechend: Hauptsächlich konnten die Wissenschafter nachweisen, dass sich die Cyanobakterien hervorragend vermehrten, wenn sie einer Atmosphäre ausgesetzt sind, die der Marsatmosphäre nicht unähnlich ist – und zwar sowohl im Hinblick auf die Gase (4 Prozent Kohlenstoff; 96 Prozent Stickstoff) als auch dem atmosphärischen Druck (100 hPa). Das erreichte Wachstum hat die Erwartungen sogar deutlich übertroffen. Dies ist insofern vielversprechend, als dass es die technisch-logistische Umsetzung eines auf der Marsoberfläche befindlichen BLSS auf Cyanobakterien-Basis, einem "CyBLiSS" erheblich erleichtert.

Zum einen, da dann der Druckunterschied zwischen Innen- und Außenseite des Photobioreaktors nur gering ist und somit weniger hohe Ansprüche an die Statik der Konstruktion gestellt werden. Zum anderen, weil es möglich wäre, die benötigte Gasphase mit minimaler Verarbeitung aus der lokalen Atmosphäre zu erzeugen. Sonstige fehlende Nährstoffe für das Wachstum der Bakterien können ebenfalls vor Ort aus Marsgeröll (Regolith) gewonnen werden: Das Team zeigte, dass die Cyanobakterien in der modifizierten Atmosphäre in Wasser auf einem simulierten Marsboden ohne zusätzliche Nährstoffe wachsen konnten. Als weiteres Forschungsergebnis haben die Untersuchungen der entstandenen Biomasse gezeigt, dass diese als Substrat für nachfolgende Module von Lebenserhaltungssysteme geeignet ist, um auf dem Mars weitere Ressourcen zu generieren. (red, 21.2.2021)