Historiker Peter Pirker wirft in seinem Gastkommentar einen kritischen Blick auf die Geschichte des Heeresgeschichtlichen Museums und empfiehlt: "Wer sich mit Militärgeschichte beschäftigen will, die braun-schwarzen Anfänge des Bundesheeres wären ein lohnendes Thema."

Das waren noch Zeiten, als ein gewisser Zatschek das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) leitete. Und dann ein Allmayer-Beck. Echte Kerle, nicht wie deren Nachfolger und die heutigen neurotischen Schwachmatiker, die sich von einer mit allen gramscianischen Wassern gewaschenen Linken ein militärfeindliches Kuckucksei nach dem anderen ins Nest legen lassen. Linke Siege auf der ganzen Linie! Doch der letzte Militärhistoriker Michael Hochedlinger – sekundiert nur noch von der Kronen Zeitung – ficht unerschrocken für das HGM, selbst wenn es in Österreich keine militärhistorische Forschung gibt ("Geistiger Musikantenstadel"). Bumsti!

Die Gewalt des Krieges wird im HGM nicht adäquat gezeigt, kritisiert Kommissionspräsident Wolfgang Muchitsch.
Foto: APA / Herbert Neubauer

Blickt man in den Amtskalender der Republik, dann ist zu lesen: Seit der Einrichtung des Verteidigungsministeriums 1956 werkt dort eine militärwissenschaftliche Abteilung, die sich der kriegsgeschichtlichen Forschung widmet, neben dem HGM, die eine eigene Anstalt bildet. Doch Hochedlinger fürchtet, dass die Habsburgermonarchie unter der Fuchtel linker Historiker(innen?) zum Opfer einer "Historical Correctness" wird, wie schon die NS-Zeit.

Historical Correctness?

Man kann ihn beruhigen: Das braune Ei ins HGM hat ÖVP-Verteidigungsminister Ferdinand Graf gelegt, als er im Jänner 1957 Heinz Zatschek zum Direktor machte. Zatschek, in Wien residierender Sudetendeutscher, war ein überzeugter Nationalsozialist, der, vom Chef des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, protegiert, 1941 an der germanisierten Universität Prag eine Professur für Mittelalterliche Geschichte erhalten hatte und nach Heydrichs Ermordung durch tschechische Widerstandskämpfer in der "Reinhard-Heydrich-Stiftung" mit der Frage der Eindeutschung der Tschechen befasst war.

Die Beseitigung der zweiten von Zatschek insinuierten Bedrohung der Sudetendeutschen, nämlich der Juden, hatte Heydrich bekanntlich schon in die Wege geleitet und dafür viele Österreicher als Henker gewonnen. Einen weiteren "Erbfeind" ortete Zatschek in England. Die Wehrmacht sollte es richten: "All unser Glaube an das Reich der Deutschen begleitet unsere stolze Wehrmacht in ihrem harten Kampf" (1942). Bis zuletzt hetzte er mit antisemitischen Vorträgen junge Soldaten zum Kampf auf. In seinen Kreisen war die BRD noch in den 1950er-Jahren das "Reich" und das Bundesheer die "neue Wehrmacht" (nachzulesen bei Karel Hruza).

Edles Soldatentum

Auch Zatscheks Nachfolger, der ehemalige Wehrmachtsoffizier Johann Christoph Allmayer-Beck, war nicht imstande, sich von der Wehrmacht zu lösen. Klar, Veteranen suchten Sinn im offensichtlich Katastrophalen und fanden ihn im Museum bei der stillen Betrachtung von sauberen Uniformen und polierten Waffen. Sie wollten keine Kommentare lesen. Der Katholik Allmayer-Beck realisierte das Prinzip der Identifizierung auch in der Geschichtsschreibung, indem er die Wehrmacht austrifizierte.

Er stellte die Waffentaten der Ostmärker umstandslos in eine Kontinuität von 300 Jahren edlen österreichischen Soldatentums und ließ weg, was nicht dazupasste. Beispielsweise die Barbarei des Josef Brauner von Haydringen, seines Vorgängers im Kriegsarchiv, der als Kommandant der 187. Reservedivision 1943/44 in Kroatien seine Soldaten auf der Jagd nach Partisanen Zivilistinnen und Zivilisten niedermetzeln ließ und sie, die 18- bis 19-jährigen Bauernsöhne, zu völlig verwahrlosten Wracks degradierte. Um das zu sehen, muss man die Berichte der Mediziner der Division lesen, nicht jene der Kommandanten – aber macht das ein "echter" Militärhistoriker? Und kommt das je in ein Museum, wie Hochedlinger es sich vorstellt?

Abgeschottet von Kritik

Als das Verteidigungsministerium sich in den 1960er-Jahren mit der Neubenennung von Kasernen beschäftigte, schlug Allmayer-Beck vor, den Fliegerhorst Langenlebarn nach Alexander Löhr zu benennen – jenem Löhr, der als Befehlshaber der deutschen Luftwaffe 1941 Belgrad in Grund und Boden bombardieren ließ. Auch hatte Allmayer-Beck nichts dagegen, eine Klagenfurter Kaserne nach dem Generalmajor der Wehrmacht Alois Windisch zu benennen – bis heute aktuell. Verdienste in der k. u. k Armee und im ersten Bundesheer dienten als Vorwand, verurteilte Kriegsverbrecher zu rehabilitieren, und so verschmolz im Bundesheer der Nationalsozialismus mit dem autoritären Katholizismus zu einem strengen Österreich-Patriotismus mit deutschnationaler Grundierung. Ist das die konservative Tradition, der Hochedlinger nachtrauert?

"Die retrospektive Autoaggression verbeißt sich an so gut wie allen Relikten vergangener Jahrhunderte." Historiker Michael Hochedlinger im Gastkommentar

Von Beginn an schottete sich das Heer gegenüber Kritik ab. So verabsäumte es das HGM seit dem Ende der Veteranengesellschaft, eine neue Funktion für sich zu finden. Hochedlingers kuriose Beschwerde über eine "linke Hegemonie" führt uns jedoch zu einer grundlegenden Frage: Wenn er, nach 65 Jahren militärwissenschaftlicher Abteilung und HGM unter dem Dach des Verteidigungsministeriums, behaupten kann, dass es in Österreich keine militärhistorische Forschung gibt – wäre das nicht ein schlagendes Argument dafür, beides außerhalb des Ministeriums neu aufzustellen?

Das Londoner Vorbild

Hochedlinger beklagt sich ferner über den Provinzialismus der Kommission, die das HGM begutachtet hat, und führt das Imperial War Museum (IWM) in London ins Treffen. Auch das ist ein guter Hinweis. Wenn er die Themse überschritten hat, wird er wissen, dass das IWM eine unabhängige öffentliche Einrichtung mit einem selbstständigen Forschungsbetrieb und einem großartigen, für jeden Menschen zugänglichen Archiv ist. Es wird von einem Stiftungsrat gelenkt und beschäftigt sich mit militärischer Gewalt in einer breiten sozialhistorischen (und das bedeutet unter anderem gendergerechten und inklusiven) Perspektive. Der Holocaust ist ein zentraler Bestandteil der permanenten Ausstellung. Das IWM ist faktisch das Gegenteil des HGM.

Und noch etwas ist klar: Wer sich mit Militärgeschichte beschäftigen will, die braun-schwarzen Anfänge des Bundesheeres wären ein lohnendes Thema. Dafür muss man bloß dort recherchieren, wo Hochedlinger sitzt: im Staatsarchiv. (Peter Pirker, 19.2.2021)