Es wird wärmer – zumindest ein bisschen. Nach einem langen Winter weckt das bei vielen Erinnerungen an Kaffee oder Spritzer in der Frühlingssonne. Aber ist das angesichts der Infektionszahlen denkbar? Und in welcher Form? Im Gesundheitsministerium wird eine Öffnung der Schanigärten im Rahmen möglicher Lockerungsschritte derzeit geprüft. Auch die Stadt Wien liebäugelt mit dem Modell. DER STANDARD hat mit Experten gesprochen.

Ein Bild fast wie aus einer anderen Zeit: Yppenplatz, Wien, Juni 2020.
Foto: Christian Fischer

FÜR: Was für eine Öffnung spricht

Es klingt verlockend: In der Sonne draußen sitzen, Freunde treffen, endlich einmal wieder auswärts essen – eine im Verhältnis zu Indoor-Aktivitäten risikoarme Öffnung der Schani- und Gastgärten könnte das möglich machen. Der Virologe Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien reagiert auf die Idee einer Öffnung der Schanigärten geradezu euphorisch: "Ja, neue Ideen braucht das Land", sagt Hutter auf Nachfrage des STANDARD, was er von dem Vorstoß halte – "mehr Mut, mehr positive Nachrichten und kreative Zugänge".

Um solche umzusetzen, müsse man weder bis Ostern warten noch fragen, ob das andere Länder machen, findet Hutter. "Wir wollen nicht, dass unsere Krankenhäuser überfüllt werden, aber wir können nicht nur auf die Zahlen starren", die angesichts der hohen Anzahl an Testungen gut seien.

Was es brauche, sind "gute Konzepte und eine gute Kommunikation mit Wirten und Gästen, wie man die umsetzen kann", meint Hutter. Wenn man der Bevölkerung nicht bald wieder etwas mehr Spielraum gebe, werde man die Menschen auch "bei den drei Hauptmaßnahmen verlieren". Hutter meint damit: Handhygiene, Abstand, Maske – denn diese Alltagsmaßnahmen würden auch "bei Mutationen wirken". Zudem sei es gefährlich, "den öffentlichen Raum gänzlich aufzugeben, dann bilden sich Schattennetzwerke – und irgendwo treffen sich die Leute doch, auch die Jugendlichen".

Der Mathematiker Norbert Mauser spricht sich ebenfalls klar für eine Öffnung der Schanigärten aus. Das Ansteckungsrisiko im Freien sei gering. Voraussetzungen sind für die Experten: Tische im Abstand von zwei Metern, nur vier Gäste pro Tisch, jeweils nur ein Gast dürfe ins Lokal, um auf die Toilette zu gehen, und auch in den Küchen müsse ein "Corona-sicheres Konzept" umgesetzt werden. All das sollte vom Markt- oder Gesundheitsamt stichprobenartig kontrolliert werden.

WIDER: Was die Kehrseiten sind

Man möchte ja kein Spielverderber sein, aber: Am Donnerstag wurden wieder fast 2000 Neuinfektionen registriert. Österreich ist zwar halbwegs stabil, doch insbesondere durch die Virusmutationen ist die Lage alles andere als sicher.

"Mögliche Öffnungsschritte für alle Lebensbereiche werden aktuell geprüft", heißt es aus dem Gesundheitsministerium auf STANDARD-Anfrage. "Dazu gehört auch die Öffnung der Schanigärten." Die Entscheidung, wann welche Schritte gesetzt werden, hänge jedoch "von der epidemiologischen Entwicklung" ab – "insbesondere von der Verbreitung der ansteckenderen Virusvarianten". Ähnliches ist von der Stadt Wien zu hören, wo schon länger über halbwegs sichere Regel lockerungen sinniert wird.

Hinzu kommt die Frage: Wäre eine reine Öffnung der Schanigärten – mit größerem Abstand zwischen den Tischen – und ohne Bewirtung in den Innenräumen für Wirte überhaupt attraktiv? Derzeit bekommen sie einen Umsatzersatz, zusätzlich sind viele Mitarbeiter in Kurzarbeit. Gerade für kleine Lokale ist unklar, ob sich ein Öffnen finanziell überhaupt lohnen würde. Der Mathematiker Norbert Mauser schränkt dar über hinaus ein: Denkbar sei das Modell für ihn nur, "wenn der Schani- oder Gastgarten durch einen Außenraum erreichbar ist". Wirte, deren Gastgärten nur durch das Lokal zu betreten sind, hätten somit Pech gehabt.

Umweltfreundlich ist die Angelegenheit auch nicht, wenn dann die Heizschwammerln aus den Gehsteigen sprießen würden. Ein Risiko wäre der Vorstoß außerdem, wenn er kurz nach der Öffnung zurückgenommen werden müsste: Sollten die Infektionszahlen wieder deutlich steigen, würde wohl erneut das gesamte öffentliche Leben lahmgelegt. Und ein Hin und Her bei Maßnahmen rüttelt am Vertrauen der Bevölkerung in Regierungsvorgaben.

(Katharina Mittelstaedt, Colette M. Schmidt, 19.2.2021)