Alexander Lukaschenko kommt weiter unter Druck. Viele ITler hat die plumpe Wahlfälschung für den Präsident empört. Immer mehr Unternehmen aus der IT-Branche wandern ab.

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Moskau – Es gab eine Zeit, da galt Belarus (Weißrussland) als neues Silicon Valley Osteuropas. In der GUS-Republik siedelten sich nicht nur Filialen ausländischer Tech-Konzerne wie Amazon, Google und Yandex an, sondern entwickelten sich auch hunderte eigenständiger IT-Firmen, die auf dem Weltmarkt erfolgreich sind. Die Palette reicht vom Software-Produzenten Epam über den Hersteller elektronischer Dokumente Pandadoc bis hin zum Computerspiele-Produzenten Wargaming.

Doch die IT-Branche als Boomsektor in Belarus ist Vergangenheit. Generierten die Tech-Firmen 2019 noch 35 Prozent der Exporte und acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts und waren damit für die Hälfte des Wirtschaftswachstums verantwortlich, so sind sie seit vergangenem Jahr auf Schrumpfkurs.

Schuld daran ist die Politik: Viele ITler hat die plumpe Wahlfälschung für Präsident Alexander Lukaschenko empört. Die Reaktion des Autokraten auf die Proteste hat die Unzufriedenheit nur verstärkt. Mehr als 30.000 Menschen wurden festgenommen, teilweise gefoltert und in Eilprozessen abgeurteilt. Viele Demonstranten wurden durch brutale Polizeieinsätze verletzt, mehrere getötet. Die Repressionen halten bis heute an: So drohen zwei Journalistinnen, die im November eine Demo filmten, zwei Jahre Haft.

Auch der IT-Sektor wurde zum Ziel von Repressionen. Während der Demos schaltete das Regime tagelang das Internet ab. Der von Waleri Zepkalo, einem Herausforderer Lukaschenkos, gegründete "Hightech-Park" verlor im Dezember seine Steuerprivilegien.

Druck auf IT-Unternehmer

Der Gründer der IT-Firma Bamboo Group, Wladislaw Gertschikow, wurde im Oktober festgenommen. In einem Eilverfahren wurde er zu 15 Tagen Ordnungshaft verurteilt. Ein maskierter Zeuge wollte den IT-Manager bei einer Demo gesehen haben, wie er regierungsfeindliche Losungen schrie. Weil Pandadoc Polizisten, die aus Protest ihren Dienst quittierten, finanziell unterstützte, nahm der KGB vier Top-Manager der Firma in Geiselhaft. Ihnen drohen wegen angeblichen Betrugs zehn Jahre Haft.

Pandadoc reagierte auf die Verfolgung mit der Verlegung seiner Mitarbeiter ins Ausland. Und es ist damit nicht allein: Viele IT-Unternehmen in Minsk haben zumindest einen Teil der Belegschaft verlegt: Sei es Epam, Wargaming oder Yandex. Inzwischen haben 15 Prozent aller Programmierer Belarus verlassen. Weitere 30 Prozent stehen Umfragen zufolge vor dem Absprung – das wären insgesamt 45.000 hochqualifizierte Arbeitskräfte.

Am meisten profitiert davon Litauen. Die Mehrzahl der Ausgereisten hat sich im baltischen Nachbarland niedergelassen. Die Anpassung fällt hier relativ leicht: Die Mentalität ist ähnlich, beide Länder gehörten einst zur Sowjetunion, und auch sprachlich sind die Hindernisse gering. Im Alltag ist auch in Litauen die russische Sprache immer noch weit verbreitet.

Weitere Profiteur der Auswanderung sind die Ukraine, Polen und die anderen baltischen Staaten. Weil eine schnelle Lösung der Krise nicht in Sicht ist und viele Betroffene mit langer Stagnation rechnen, ist auch die Ausreise der meisten nicht nur eine befristete Maßnahme. (ab, 19.2.2021)