720 Contact-Tracer arbeiten in Wien.

Foto: Christian Fischer

Du triffst die Leute in Lebenssituationen an, die nicht einfach sind. Vielleicht auf einer Intensivstation, oder es ist gerade ein Angehöriger gestorben, oder sie sind einfach schockiert, dass sie positiv sind", erzählt eine Ärztin, die seit bald einem Jahr für die Stadt Graz als Contact-Tracerin arbeitet. Das Team sei "supermotiviert, wir stützen uns auch in extremen Zeiten gegenseitig".

So eine extreme Zeit war etwa der November, wie die Chefin den Grazer Gesundheitsamtes, Eva Winter, weiß: "Wir hatten 100 Vollzeitäquivalente ausschließlich für ContactTracing im Einsatz. Bis zu 250 Neuinfektionen am Tag haben wir damals geschafft, aber ab 300 ist man auf der Kippe. Es gab Abende, da hab ich gedacht, wir schaffen es nicht mehr."

Das Contact-Tracing aufgegeben habe man in Graz aber nie. Derzeit könne man zwei Drittel der rund 100 Neuinfektionen in Graz pro Tag zurückverfolgen, größere Cluster gebe es jetzt in Familien und Firmen. Winter fürchtet daher, dass die Bevölkerung Lockdownregeln immer weniger mitträgt: "Das haben wir vor allem bei Clustern entdeckt, die dort waren, wo sie gar nicht hätten sein dürfen." Mittlerweile hat Graz auf 50 Vollzeitäquivalente reduziert. Es könne aber wieder aufgestockt werden.

Eine Reduktion der Contact-Tracer kommt in Wien hingegen nicht infrage. "Wir haben das Personal auf mehr als das Vierfache seit Beginn der Krise aufgestockt", heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). 170 Tracer waren es im Mai, nun hält die Stadt bei 720. Kontinuierlich werde man diese Zahl weiter erhöhen. Wie lange? "Open End."

Fünf enge Kontakte

Denn die Contact-Tracer sind ausgelastet in der Stadt. In den vergangenen 14 Tagen habe man rund 4.400 positive Befunde ausgestellt, zu den Betroffenen Kontakt aufgenommen und diese abgesondert. Aus den Infektionen entstanden etwa 22.000 Kontaktpersonen der Kategorie 1, also Menschen, bei denen eine Infektion wahrscheinlich ist – auch sie wurden unter Quarantäne gestellt. Im Schnitt bedeutet das, fünf enge Kontakte pro positiven Fall. 19.000 Personen befinden sich aktuell in Quarantäne.

Weitere rund 3.660 Kontakte der Kategorie 2 wurden in den vergangenen zwei Wochen in Wien kontaktiert. Sie werden nicht isoliert aber aufgefordert, FFP2-Maske zu tragen sowie Menschenmassen zu meiden und auf die Öffi-Fahrten zu verzichten, sagt ein Sprecher Hackers. Im Schnitt verzeichnet man in Wien 2.146 Kontaktaufnahmen pro Tag, an der Grenze sei man noch nicht: Die liegt bei 3.000.

Neben der Erhöhung des Personals setzt die Stadt Wien auf Digitalisierung. Das verwendete Programm erkenne Gemeinsamkeiten mit anderen Clustern und weise auf diese hin. Die Wiener Rückverfolgungsquote liegt bei 73 Prozent.

Grassierende Mutationen

In Salzburg, das laut der aktuellen Risikobewertung der Ampel-Kommission in der Vorwoche mit 150 noch immer die höchste Sieben-Tage-Inzidenz aufweist, werden hingegen nur 54 Prozent zurückverfolgt. Wegen grassierender Mutationen hat das Land das Contact-Tracing und die Teststrategie der Kontaktpersonen hochgefahren. Bei Mutationsfällen werde routinemäßig ein erweitertes Kontaktpersonenmanagement mit einem noch engeren Netz an Testscreenings im betroffenen Umfeld gestartet, sagt Michael Haybäck von der Stadt Salzburg.

Insgesamt werden Kontaktpersonen der Kategorie 1 am fünften Tag nach dem positiven Test ein zweites Mal getestet. Jene der Kategorie 2 werden ebenfalls einem Test unterzogen. Und: "Haushaltsangehörige von Kontaktpersonen 1 müssen jetzt außerhalb des Haushalts eine FFP2-Maske tragen", sagt Landessanitätsdirektorin Petra Juhasz.

Gleichzeitig werden nun alle positiven PCR-Proben mit einem Vorscreening auf die neuen Virusvarianten überprüft und dann zur Ganzgenom-Sequenzierung an die Ages geschickt, sagt Juhasz. "Um jede Veränderung zu erkennen und entsprechend zu reagieren." (Oona Kroisleitner, Stefanie Ruep, Colette M. Schmidt, 19.2.2021)