Bling-Bling: Die Symbole und die Slogans der Frauenbewegung sind heute beliebter denn je.

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Es läuft gut für den Feminismus. Er taucht inzwischen auf Notizbüchern und T-Shirts als Schriftzug in goldenen Lettern und in Songtexten von Superstars auf. Medien entdecken das Potenzial feministischer Debatten, traumhafte Leser- und Leserinnenzahlen zu bringen.

Mode- und Kosmetikkonzerne bieten ihre Produkte erfolgreicher denn je unter dem Label "Selbstermächtigung" feil, Musikstreamingdienste bieten Playlists mit den "Top Feminist Songs" an, und wirklich jede und jeder im mittleren bis oberen Management weiß, dass es ohne "Diversity" kaum noch geht.

Auch die berufliche Vernetzung entlang des gemeinsamen Nenners "Feminismus" läuft hervorragend: Man macht es den "old boys’ clubs" dieser Welt nach und schmiedet entlang der Geschlechtergrenze Seilschaften – für einen leichteren, schnelleren, erfolgreicheren Weg an die Spitze. Warum auch nicht?

Immerhin könnte der geballte Feminismus in der Populärkultur, in den Medien, in Werbungen und in jedem Netzwerktreffen beruflich ambitionierter Frauen schon irgendwie und irgendwann durchsickern, sodass wir auch in unseren echten Leben etwas davon zu spüren bekommen, etwas, das weit über feministische Symbolik und feministische Ästhetik hinausgeht. Doch bisher ist nichts gesickert – und genau das ist das Problem.

Warum ausgerechnet jetzt?

Warum ausgerechnet jetzt? Warum wird Feminismus seit einigen Jahren genau von jenen umarmt, mit denen sich der Feminismus eigentlich angelegt hat? Der Schönheitsindustrie, den Mainstream-Medien, der Kulturindustrie und den Eliten. Was am Feminismus konnte zu einem derart funktionierenden Produkt umgeformt werden?

Abseits vom Label "Feminismus" gibt es viele Feminismen, mit jeweils unterschiedlichem Fokus. Diese Vielfalt bedeutet allerdings nicht Beliebigkeit, vielmehr zeugt sie von der Vielfalt feministischer Identitäts- und Interessenpolitiken, daran erinnert die Soziologin Christa Wichterich.

Feminismus muss auf der Seite derer stehen, die überlappenden Formen von Diskriminierung ausgesetzt sind. Er muss den Stimmen von schwarzen Frauen ebenso Gehör verschaffen wie jenen von Arbeiterinnen, intersexuellen Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte, Geflüchteten, Alleinerziehenden, Lesben oder Transfrauen. Er muss gegen Sexismus ebenso eintreten wie gegen Rassismus, gegen ökonomische Ungleichheit wie gegen Homo- und Transfeindlichkeit.

Es ist dieser Ansatz eines intersektionalen Feminismus, wie ihn die US-amerikanische Rechtsprofessorin Kimberlé´ Crenshaw formuliert hat, der mir sinnvoll erscheint. Und nein, es ist nicht kompliziert. Es lässt sich einfach auf die Frage reduzieren, auf welcher Seite man stehen will.

Frisch glattgebügelt, adrett und nett. Der populäre Feminismus hat sich rausgeputzt und angepasst.
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Verheißungsvolle Forderungen

Aber wie lässt sich nun daraus ein profitables Produkt machen? Die Frauenbewegung hat einige eingängige Slogans hinterlassen: "Our Bodies, Ourselves", die Forderung, über den eigenen Körper entscheiden zu können oder dass das "Private politisch" ist. Autonomie, Selbstbestimmung, Selbstermächtigung, Freiheit. Diese zentralen Begriffe des Feminismus sind auch große Versprechen des Konsumkapitalismus, der noch dazu die schnelle Einlösung dieser Versprechen in Aussicht stellt.

Oder sagen wir so: Ein T-Shirt mit dem Slogan "Girl Power" oder "The Future is Female" hilft schon mal. Es schafft ein wohliges Gefühl des Fortschritts. Und die verheißungsvollen Forderungen nach Autonomie, Selbstbestimmung, Selbstermächtigung (Empowerment!) und Freiheit liefern nicht nur Produkte, sie schaffen auch einen wunderbaren Rahmen für neoliberale Praktiken, in denen die Verantwortung für sich selbst im Vordergrund steht, während staatliche soziale Netze immer löchriger werden.

Dass der Feminismus vom Kapitalismus gekapert wurde, das sagte die israelische Soziologin Eva Illouz vor Jahren fast schon schulterzuckend, weil das in politisch-feministischen, aktivistischen und akademischen Kreisen auch längst bekannt ist. Die US-amerikanische Politikwissenschafterin Nancy Fraser hat darüber ebenso analytisch und kompromisslos geschrieben wie die britische Kulturwissenschafterin Angela McRobbie. Auch die US-amerikanische Popkultur-Expertin Andi Zeisler hat sich ebenso ausführlich dem Ausverkauf des Feminismus gewidmet. Und dieser Ausverkauf geht ungehindert weiter.

Wir müssen deshalb ganz genau hinschauen, wo sich dieser marktförmige, populäre Feminismus überall findet und wie er sich entwickelt hat. Und inwiefern wirken wir selbst dabei mit, Feminismus als Marke zu nutzen, und berauben ihn so seiner politischen Kraft? Kapitalismus und Neoliberalismus umarmen den Feminismus. Und sie tun das inzwischen so fest, dass dem Feminismus als soziale und politische Bewegung die Luft genommen wird. So fest, dass jegliche Widersprüche plattgedrückt werden und jede Vielschichtigkeit, die ihn ausmacht und seinen kritischen Geist am Leben erhält, abhandenkommt.

Verquerer Feminismus

Denn so offenkundig der Hype um Feminismus inzwischen ist, so klar ist auch, dass der realpolitische Zustand feministischer Frauenpolitik in einem großen Widerspruch zur neuen "Sexyness" des Feminismus steht. Gegen die wenig aufregenden Probleme gibt es nach wie vor keine wirkungsvolle Politik: keine gegen die hohe Frauenarmut im Alter, keine dagegen, dass in Branchen mit einem starken Frauenüberhang miese Löhne gezahlt werden; keine dagegen, dass Frauen noch immer zum größeren Teil die Arbeiten erledigen, die es in jedem Leben braucht, für die aber niemand zahlt – das Pflegen, Umsorgen, Putzen und vieles mehr.

Bei alldem gibt es keine Fortschritte. Aufgrund der Corona-Krise werden sich Ungerechtigkeiten in den allermeisten Ländern noch verschärfen. Das gilt auch für die Auswirkungen der Klimakrise: Ärmere Bevölkerungsschichten sind auch von dieser weitaus stärker betroffen. 80 Prozent derer, die wegen des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen, sind Frauen.

In all den Jahren, in denen Feminismus in die Werbung, in die Medien, in Serien und Filme eingezogen ist und immer mehr zum Label für Selbstmarketing mit politischem Touch wurde, hat sich weder die riesige Lücke von 40 Prozent zwischen den Pensionen von Männern und Frauen verkleinert, noch sind weniger Frauen durch ihren Partner ermordet worden.

Die Werbung zeigt uns heute zwar ein paar Achselhaare bei ihren Models, auf Instagram bekommen wir Menstruationsblutflecken auf Bettlaken unter dem Motto "Period Pride" zu sehen, und die Debatten in sozialen Medien strotzen nur so vor radikalfeministischem Vokabular. All das geriert sich wahnsinnig politisch. Vielleicht gibt es gesellschaftliche Veränderungen als Reaktion auf all das und wir sehen es nur noch nicht klar genug. In den immergleichen Zahlen bezüglich Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Sexualität und Herkunft drücken sie sich jedenfalls nicht aus.

In kaptitalistischen Netzen verheddert

Doch es wäre unfair, dem jüngeren politischen Engagement vorzuwerfen, dass es zwar höchst aktiv und sichtbar sei, aber bisher kaum Spuren hinterlassen habe. Zehn oder vielleicht fünfzehn Jahre auf einer weitaus größeren Bühne, als es sie bisher gab, reichen dafür nicht. Allerdings müssen wir uns fragen, ob sich Teile dieses Aktivismus schon selbst in neoliberalen und kapitalistischen Netzen verheddert haben. Auch wenn das streckenweise schmerzhaft sein kann.

Die neue Warenförmigkeit von Feminismus durchdringt klassische wie soziale Medien, die Schönheitsindustrie und die Kulturindustrie, bis hin zu unserem Verständnis von Autonomie. Begonnen hat die Vereinnahmung von politischen Forderungen wie "Autonomie" schon früh. Schon vor 100 Jahren wurden Frauen in der Werbung "als Frauen" angesprochen, was und wie sie sein sollten.

"Wir helfen dir, richtig zu sein", "wir sind auf deiner Seite", so die dahinterliegende Botschaft: die richtige Ehefrau, die richtige Hausfrau, die richtige Mutter. Heute sind die Anforderungen an die Geschlechterrollen natürlich andere, oder besser gesagt: Heute sind weitere Anforderungen hinzugekommen. Unternehmen wollen uns so sehr dabei helfen, ihnen gerecht zu werden, dass wir inzwischen kaum mehr unterscheiden können, was noch Produkt und was schon eine Bewegung ist.

Body-Positivity?

In Deutschland waren Firmen maßgeblich an einer Petition beteiligt, die letztlich zur Senkung der sogenannten Tamponsteuer beigetragen hat. Was ist davon zu halten, wenn Firmen – auch wenn es hippe Start-ups sind – Politik machen? Und was sollen wir von einem Aktivismus halten, der uns noch weitere Aufgaben, weitere Arbeit am Selbst umhängt?

Mit dem kämpferischen Ruf "Body Positivity!" erzählen uns jene Unternehmen, die uns jahrzehntelang völlig jenseitige Idealvorstellungen von Frauenkörpern eingehämmert haben, nun: "Liebe deinen Körper!" Für die Arbeit daran, wie wir diese Selbstliebe plötzlich hinbekommen, steht die Ratgeberindustrie schon Gewehr bei Fuß. Meditieren, achtsam sein, richtig atmen. So oder so: Die Arbeit bleibt. Und nicht mehr nur am schlanken Körper, sondern gleich am ganzen Selbst. Und dieser Arbeit sind keine Grenzen gesetzt.

Den größten Einfluss auf die Popularisierung von Feminismus haben wohl – wie bei anderen Entwicklungen auch – die sogenannten Neuen Medien. Geschlechterdebatten haben durch soziale Medien einen noch nie dagewesenen Stellenwert gewonnen. Allerdings liegt das nicht an einem neuen Bewusstsein für die Notwendigkeit von Gleichberechtigung, so viel sei schon verraten.

In den Medien wird Gleichberechtigung lediglich zur Debatte gestellt. Maßnahmen gegen Diskriminierung werden zum Streitthema gemacht. Feminismus kommt medial häufiger vor, das stimmt. Er kommt aber in einem krawalligen Stil vor, dem von sozialen Medien noch zusätzlich eingeheizt wird. Und soziale Medien sind ohnehin ein heikles Feld für politische Inhalte.

Die dort herrschende Ökonomie der Aufmerksamkeit ringt uns immer wieder den Griff zu unlauteren Mitteln ab: Kategorische, kantige Aussagen bringen dort mehr als Abwägung und Annäherung – überlegen oder gar zögern geht nicht. Was uns das bringt? Sehr schlampig geführte politische Diskurse und kaum Erkenntnisgewinn.

Doch darum geht es Facebook, Twitter oder Instagram auch gar nicht. Es geht darum, dass wir maximal viel Zeit auf diesen Plattformen verbringen, damit sie uns maximal viel Werbung zeigen können. Wenn Feminismus nun vorwiegend auf diesen Plattformen stattfindet, wird auch der dortige politische Diskurs davon vereinnahmt. Auch im Kontext von Feminismus werden die strikten Regeln der Kommunikation, die uns diese Plattformen vorgeben, bereitwillig befolgt.

Selbstermächtigung

Beate Hausbichler, "Der verkaufte Feminismus. Wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Label wurde". 22,– Euro / 224 Seiten. Residenz-Verlag 2021
Cover: Residenz Verlag

Wir müssen uns auch jenen Netzwerken für Frauen widmen, die sich ebenfalls verstärkt unter dem Label Feminismus zusammenfinden. Netzwerke, die sich letztendlich aber nur den Karrieren der Einzelnen verschrieben haben. Netzwerke, in denen jeder Erfolg der Einzelnen als feministischer Erfolg gefeiert wird.

Es ist genau diese Art der Individualisierung, die sich durch alle Bereiche zieht, in denen Feminismus heute so erfolgreich verkauft wird. Es geht nicht um politische Ziele für möglichst viele, sondern um den Erfolg oder auch nur um das Zurandekommen der Einzelnen. In diesem Sinne werden Autonomie und Selbstermächtigung erfolgreich zu neoliberalen Praktiken umgemodelt.

DER STANDARD

Der britischen Amerikanistin Catherine Rottenberg zufolge ist Neoliberalismus nicht nur ein ökonomisches System, das Privatisierung und Deregulierung forciert. Wir haben es vielmehr mit einer alles durchdringenden neoliberalen Rationalität zu tun, die auch den Diskurs über Feminismus erreicht hat.

Eine Rationalität, die Menschen zu unternehmerischen, Profit generierenden Akteurinnen und Akteuren macht, eine Rationalität, die eine neue Form des Individualismus kreiert, den auch der populäre Feminismus anpreist. Auch er steht in einem erschreckenden Zusammenhang mit Leistung und der Optimierung des Selbst, des eigenen, und nur des eigenen Lebens. (Beate Hausbichler, 20.2.2021)