Es gibt derzeit in Österreich kein Gesetz, in dem geschrieben steht, dass Menschen wie Sie und ich ein Recht darauf haben, vor den Folgen der Klimakrise geschützt zu werden. Aus dem bekannten Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung lassen sich keine Rechte für einzelne Personen ableiten. Hier hat der Staat Umweltschutz als ein Ziel erklärt, das allerdings – wie man auch an der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zur dritten Flughafenpiste in Schwechat gesehen hat – nicht automatisch über den wirtschaftlichen Interessen steht. Generell lassen sich aus den Staatszielen keine Rechte ableiten, denn der Staat hat sich hier nicht verpflichtet. Mit anderen Worten: Nur weil der Staat theoretisch etwas gutheißt, folgt daraus noch lange nicht, dass er praktisch handeln muss.

Eine ähnliche Situation ergibt sich aus dem bekannten völkerrechtlichen Vertrag, dem Übereinkommen von Paris, das sich in Essenz mit einem Putzplan einer Wohngemeinschaft vergleichen lässt. Alle Mitgliedsstaaten der "WG"-Welt haben sich verpflichtet, in ihrem Rahmen und nach ihren Möglichkeiten dazu beizutragen, dass die globale Erderwärmung bei 1,5 Grad und in jedem Fall weit unter zwei Grad bleibt. Wie bei einem Putzplan verpflichtet sich hier jeder selbst. Wenn eine Partei ihre Arbeit nicht macht, haben die anderen allerdings keine wirksamen Mittel, um gegen untätige Mitbewohner vorzugehen. Die Europäische Union hat zwar für sich selbst ein konkreteres Regelwerk erschaffen, allerdings ist hier das Problem, dass die Ziele der EU aus wissenschaftlicher Sicht –also bei faktenbasierter Betrachtung – derzeit nicht ausreichen, um die Pariser Ziele zu erreichen.

Eine Änderung auf EU-Ebene wird derzeit geplant und hoffentlich ein Mechanismus geschaffen, der es Mitgliedsstaaten zukünftig erschwert, mittels Zukaufs von Zertifikaten hinsichtlich der tatsächlich stattgefundenen Reduktion zu tricksen. Aus all diesen Vereinbarungen lassen sich jedoch keine Rechte von Einzelpersonen ableiten. Vertragspartner und vertraglich berücksichtigte Akteure sind hier allein die Mitgliedsstaaten.

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Es wird immer wärmer, extreme Wettersituationen häufiger – sollte es nicht rechtlich verankert werden, das Klima zu retten?
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Grundrechte verpflichten Staaten zu einer besseren Klimapolitik

Das derzeitige Klimaschutzgesetz, das keine Reduktionsziele über das Jahr 2020 kennt und daher nun bald reformiert werden soll, kennt keine wirksamen Rechts- und Beschwerdemechanismen, geschweige denn ließen sich Rechte für Individuen ableiten. Einzig und allein die Grund- und Menschenrechte, Bestandteile der österreichischen Verfassung, bieten eine Antwort. Denn das Recht auf Leben und das Recht auf Familien- und Privatleben (aus dem sich ein Recht auf Gesundheit ableitet) verpflichten den Staat, diese Rechte auch in gewissem Rahmen zu schützen. Anderenfalls wären diese Rechte de facto sinnfrei. Bei vorhersehbaren Bedrohungen des Lebens oder schädlichen Einwirkungen auf die Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden, die auch durch Umwelteinflüsse erwachsen können, muss der Staat alles in seinem Rahmen Mögliche tun, um diese Rechte bestmöglich zu schützen.

Aus der bisherigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bindenden Autorität, ist es naheliegend, dass sich aus diesen Rechten auch ein De-facto-Recht auf Klimaschutz ableiten lässt. Der Gerichtshof selbst wird sich angesichts der nunmehr anhängigen Verfahren in der nächsten Zeit zu dieser spannenden Frage äußern. Einige europäische Höchstgerichte haben bereits entschieden, dass die Grundrechte Staaten zu einer besseren Klimapolitik verpflichten. Von österreichischer Seite wird in den nächsten Wochen eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof eingebracht werden. Es wird der dritte Fall sein, der den Gerichtshof erreicht.

Kampf in Straßburg

Die Faktenlage ist spannend: Beschwerdeführer ist ein junger Österreicher, der an multipler Sklerose erkrankt ist. Wie die meisten Menschen, die unter dieser Krankheit leiden, verschlimmern sich seine Krankheitssymptome unter dem Einfluss von höheren Temperaturen. Konkret bedeutet das, dass er an Sommertagen das Haus nicht mehr ohne Rollstuhl verlassen kann. Bei kühleren Temperaturen ist das hingegen kein Problem. Er, wie viele andere auch, leidet schon jetzt unter der Tatsache, dass die Temperaturen, samt Durchschnittstemperaturen, in Österreich ansteigen. Ganz zu schweigen von den Hitzeperioden. Seine Grund- und Menschenrechte kann er in Österreich allerdings nicht wirksam einfordern. Das System bietet ihm hier keine Beschwerdemöglichkeit. Das Nichthandeln des Gesetzgebers, also die Tatsache, dass es keine Gesetze gibt, die ihm Recht auf Klimaschutz und auf wissenschaftlich notwendige Klimaziele gewähren, kann er nicht angreifen.

Theoretisch hätte er die Möglichkeit, im Rahmen eines Individualantrages die Aufhebung von klimaschädlichen Gesetzen beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Das wäre ein möglicher erster Schritt gewesen. Die Voraussetzungen hierfür werden vom Verfassungsgerichtshof jedoch so eng ausgelegt, dass er als Verbraucher und somit letztlich Adressat einer jeden Umsatzsteuer nicht einmal die umsatzsteuerlichen Begünstigungen des Flugverkehrs angreifen kann.

Mit der Entscheidung zur Klimaklage, der sich auch dieser Mann angeschlossen hat, hat der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass er keinen Beschwerdeweg für die Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen betreffend die Klimakrise eröffnen möchte. Ungeachtet dessen, dass auch dieser Weg das Rechtsschutzdefizit, das im Bereich Klimaschutz in Österreich existiert, nicht vollständig hätte lösen können.

Es bleibt uns also in Österreich derzeit nichts anderes übrig, als für eine wegweisende Entscheidung in Straßburg zu kämpfen und auf eine gute Arbeit des Parlaments auf Basis der Vorschläge des Klimavolksbegehrens zu hoffen. Unstrittig ist: Die Verfassung und die Grundrechte müssen mit den Veränderungen und den Anforderungen unserer Zeit mitwachsen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass wir alles verlieren. Auch das, woran wir derzeit mit aller Kraft festhalten. (Michaela Krömer, 24.2.2021)