Der Publikumsrat bei seiner Konstituierung 2018 – vorne links im Bild ist Tourismusvertreterin Petra Stolba, die der Publikumsrat seit 2014 auch in den gewichtigeren ORF-Stiftungsrat entsendet.

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172 Tage noch, dann wissen wir, wer Österreichs größten Medienkonzern ab 2022 führt – also Generaldirektor oder Generaldirektorin des ORF für fünf Jahre wird. Wer darüber entscheidet, ist schon klar: Eine bürgerliche, sprich ÖVP-nahe Mehrheit im ORF-Stiftungsrat wird die nächste ORF-Führung bestimmen. Aber könnte auch einer oder eine dieser Stiftungsräte ORF-Chef werden?

Der Rückzug von Petra Stolba als Geschäftsführerin der Österreich-Werbung (ÖW) mit 56 und im Oktober dieses Jahres regt zu dieser Frage zumindest an. Stolba, Absolventin von Betriebswirtschaft sowie Politik- und Kommunikationswissenschaften und seit 2006 ÖW-Chefin, ist seit 2014 Mitglied im Publikumsrat und im ORF-Stiftungsrat, wird dem ÖVP-Freundeskreis zugerechnet und hat sich in den ORF-Gremien in den vergangenen Jahren sehr auf Digitalisierungsfragen konzentriert.

Management, Strategie, Digitalisierung. Die Österreich-Werbung ist nach Stolbas Worten zum Kommunikationshaus geworden, ein großer Transformationsprozess, der zum Beispiel auch im ORF ansteht. Dem "Kurier" sagte Stolba zu ihrem Abgang aus der ÖW: "Ich bin in Management, Strategie, Digitalisierung und Kommunikation zu Hause. Da gibt es spannende Herausforderungen."

Eine spannende Herausforderung in diesen Feldern ist, ganz generell gesprochen und naturgemäß, der ORF. Ein Strategiepapier bis 2025 sieht große Umbauten vor, es definiert etwa Social Media als dritte Säule des Unternehmens etwa neben TV/Radio und Online/Streaming; zum Streaming wiederum verschiebt sich der Fokus mehr und mehr von linearem TV und Radio.

Aber könnte Stolba aus dem Stiftungsrat zum Beispiel in die ORF-Generaldirektion wechseln? Gibt es da nicht Abkühlphasen und Fristen, seit Stiftungsräte noch 2011 praktisch nahtlos nach der Stimmabgabe für Alexander Wrabetz in die Technische Direktion (Michael Götzhaber, SPÖ) und in die Tiroler ORF-Landesdirektion (Helmut Krieghofer, ÖVP) wechselten? Nur zwei Monate nach ihrer Bestellung gab sich der ORF einen Corporate-Governance-Kodex, der das untersagt.

Abkühlphasen gibt es, aber nicht für diesen Fall. Der Corporate-Governance-Kodex vom November 2011 sagt dazu nur:

"Wer zum Zeitpunkt der Bestellung des Generaldirektors Mitglied des Stiftungsrats war, darf sich innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag des Bestellvorganges des Generaldirektors nicht für eine Funktion im ORF bewerben und darf auch nicht bestellt werden. "

Ein Mitglied des Stiftungsrats kann also bis unmittelbar vor der Generalswahl am 10. August 2021 im obersten Aufsichtsgremium bleiben und dennoch zum nächsten ORF-General bestellt werden – wenn er oder sie das Mandat nur vor der Bestellung zurücklegt.

Den General mitbestellen und dann Direktorin oder Direktor werden Mitte September, wenn der Stiftungsrat die zweithöchsten Führungsjobs bestimmt, geht sich nach dem Kodex also nicht aus. Wobei: Der Kodex ist nur Soft Law, eine Selbstverpflichtung. Nach dem ORF-Gesetz – und das ist entscheidend – wäre auch eine solche Bestellung gültig, sagen sachkundige Juristen.

Und was sagt Petra Stolba dazu? Sie lacht auf die STANDARD-Frage, ob dahinter der Plan für einen Wechsel in die ORF-Führung stehen könnte, und wirkt dabei ehrlich überrascht. Und sie winkt ab: "Das habe ich nicht angedacht." Und auf Nachfrage, ob sie das ausschließt, sagt Stolba: "Das sieht meine Lebensplanung nicht vor."

Ihre neue "Herausforderung" dürfte, so klingt das jedenfalls durch, doch eher im touristischen Bereich liegen.

In den ORF-Gremien will Stolba aber jedenfalls bleiben, und wenn sie selbst ihre Mandate nicht zurücklegt, spricht dagegen auch nichts. Und sie will in den Gremien ihren Fokus Digitalisierung auch weiter besonders aufmerksam verfolgen und vorantreiben – wie schon in den vergangenen Jahren. (Harald Fidler, 19.2.2021)