Die Grünen hoffen, dass Irmgard Griss das Thema Kindeswohl im Asylbereich am Köcheln hält. Aber auch, dass der Kommissionsbericht im türkisen Lager für ein Umdenken sorgt.

Foto: APA/ Herbert P. Oczeret

Die Abschiebung zweier Schülerinnen, eines Schülers und ihrer Familien vor einigen Wochen brachte die türkis-grüne Regierung an den Rand des koalitionären Abgrunds. Der grüne Vizekanzler und Interimsjustizminister Werner Kogler versuchte mit der Einsetzung einer Kindeswohlkommission die Wogen zu glätten – auch innerparteilich. Die Leitung übernahm die ehemalige Höchstrichterin Irmgard Griss.

Am Freitag gab Griss die Mitglieder der Kommission bekannt, mit denen sie sich gemeinsam durch juristische Entscheide und Berichte arbeiten wird. Im Zentrum steht die Frage, ob das Kindeswohl in Asyl- und Bleiberechtsentscheidungen ausreichend gewürdigt wird oder es hier Nachschärfungen braucht.

Die ehemalige Nationalratsabgeordnete der Neos betont, dass die vier Mitglieder der Kommission keine persönlichen Wegbegleiter seien. "Ich habe mich erkundigt, wen es an den Unis und in den Instituten gibt", sagt Griss. Dann müsse man eine gewisse Auswahl treffen. "Das heißt aber nicht, dass andere nicht einbezogen werden, wir werden den Kontakt suchen."

Keine politisch motivierten Entscheidungen

Auch sei das Gremium parteiunabhängig. Griss übt ihre Leitungsfunktion ehrenamtlich aus. Sie bekomme schließlich eine Pension. Die anderen Mitglieder erhalten eine Aufwandsentschädigung vom Justizministerium.

In der Kommission vertreten ist Hewdig Wölfl. Die klinische Psychologin ist Geschäftsführerin der insgesamt fünf Kinderschutzzentren "Möwe". Laut eigenen Angaben betreut die Gesellschaft jährlich mehr als 4.000 Fälle von körperlichen, seelischen und sexuellen Gewalterfahrungen. Wölfl ist außerdem Vizepräsidentin der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit sowie Vorstandsmitglied der Österreichischen Kinderschutzzentren.

Wölfl möchte differenziert auf das Kindeswohl schauen und fachlich fundierte aber keine politisch motivierten Entscheidungen treffen. Und dafür sorgen, dass es klare, auf den Kinderrechten basierende juristische Kriterien gibt, die die psychosozialen Folgen des Kindes je nach Alter und Entwicklungsstand berücksichtigen. Aus Wölfls Sicht müssen auch die Asylverfahren rascher verlaufen.

"Offen und schonungslos"

Gemeinsam mit Ernst Berger, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, bietet Wölfl die Expertise aus der Praxis. Berger war zudem Kommissionsleiter einer Menschenrechtskommission der Volksanwaltschaft und Projektleiter für kinder- und jugendneuropsychiatrische Versorgung in Wien.

Helmut Sax kommt aus der Forschung. Er ist Senior Researcher für Grund- und Menschenrechte am Ludwig-Boltzmann-Institut. Sein Schwerpunkt: Kinderrechte. Erfahrungen sammelte Sax auch als ehemaliges Mitglied einer Expertengruppe des Europarats zu Menschenhandel.

Das vierte Mitglied der Kommission ist Reinhard Klaushofer. Er leitet den Fachbereich Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Uni Salzburg. Außerdem führt er das Institut für Menschenrechte an.

Die Kommission habe sie bewusst klein gehalten, sagt Griss. "Dann kann man sich leichter abstimmen und diskutieren." Wichtig war ihr vor allem, dass die Kommission den Abschlussbericht zur Jahresmitte eigenständig veröffentlichen kann. Es brauche keine Genehmigung vom Justizministerium.

Griss erwartet sich, dass der Bericht "offen und schonungslos" aufzeigt, wie es um das Kindeswohl in Österreich steht. Und dass er vielleicht Andersdenkende bewegt. Damit sie sich die Frage stellen, wie es für sie wäre, wenn sie selbst oder ihre eigenen Kinder etwa von einer Abschiebung betroffen wären. (Jan Michael Marchart, 19.2.2021)