Bei Novomatic in Gumpoldskirchen weiß man, wie man sich in mächtigen Kreisen Gehör verschafft.

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Es waren hitzige Tage im Juli 2006 im österreichischen Parlament. Dort wurde am letzten Sitzungstag vor der Sommerpause und kurz vor der Nationalratswahl überfallsartig ein Antrag eingebracht, mit dem das Monopol der Casinos Austria im zukunftsträchtigen Onlineglücksspiel geknackt werden sollte. Auch ein gewisser Karl-Heinz Grasser war in die Nacht-und-Nebel-Aktion involviert. Beim Finanzminister der ÖVP-BZÖ-Koalition war zuvor dessen Trauzeuge Walter Meischberger vorstellig geworden, um ihm die "Liberalisierung" des Glücksspiels schmackhaft zu machen.

Konrad sprach ein Machtwort

Hinter den Plänen stand die Novomatic, die sich ein Stück vom Casinos-Kuchen abschneiden wollte. Die Aktion wurde vom damaligen Konzernchef Franz Wohlfahrt orchestriert, der dann die Telekom Austria ins Boot holte. Ein teilstaatlicher Konzern als Nutznießer sollte bei der Politik gut ankommen. Letztlich stoppte Christian Konrad das Vorhaben. Der damalige Generalanwalt von Raiffeisen – der grüne Riese war Aktionär der Casinos Austria – warf sein ganzes Gewicht in die Waagschale, um die Novelle zu vereiteln.

Novomatic setzte Walter Meischberger ein, um Karl-Heinz Grasser zu einer Liberalisierung des Glücksspiels zu bewegen.
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Die ÖVP-Abgeordneten bekamen prompt kalte Füße, die von Novomatic intern "Glücksspielmonopol Game Over" titulierte Attacke schlug fehl. Später wurde gegen Meischberger, Grasser und Wohlfahrt wegen Verdachts der Bestechung ermittelt. Teile des Lobbyistenhonorars könnten – so die These der Staatsanwälte – an Grasser weitergereicht worden sein. Das Verfahren wurde 2017 eingestellt: Trotz umfassender Befragung von Abgeordneten konnte nicht eruiert werden, wer den Abänderungsantrag verfasst und eingebracht hatte. Die meisten Auskunftspersonen hatten dazu keine Wahrnehmung.

Scheckbuchpolitik

Was bleibt, ist ein weiterer Hinweis auf die Praktiken der Novomatic, der besonders aufwendiges Lobbying nachgesagt wird. Die Dimensionen der Scheckbuchpolitik der Niederösterreicher gelten als unerreicht, die engagierten Lobbyisten als besonders einflussreich und für jede gewünschte Richtung passend.

Wie gut die politische Vernetzung ist, zeigte sich unter anderem bei einer Vergabe von drei Kasinolizenzen in Ostösterreich unter dem damaligen Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP). Obwohl die Casinos Austria favorisiert worden war, setzte sich Novomatic mit zwei von drei Spielstandorten durch. Davor hatten sich dem Vernehmen nach die damaligen Landeshauptleute Erwin Pröll (ÖVP) und Michael Häupl (SPÖ) für die Gumpoldskirchner ins Zeug gelegt.

Spindelegger dementiert

Spindelegger lässt diese aus guter Quelle stammende Darstellung dementieren und verweist zudem auf die Glücksspielzuständigkeit der damaligen Staatssekretärin Sonja Stessl (SPÖ). Die Vergabe der drei Lizenzen wurde später von Gerichten wegen Intransparenz gekippt.

Gernot Blümel hatte viele Kontakte mit Harald Neumann.
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Das Novo-Netz ist engmaschig. Der frühere SPÖ-Innenminister Karl Schlögl saß acht Jahre im Aufsichtsrat der Novomatic. EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) war im Vorstand des Konzerns tätig, der deutsche Ex-Finanzminister Theo Waigel wurde für die Aufsichtsratsspitze der Tochter Löwen Entertainment rekrutiert. Vor drei Jahren wollte der Konzern Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling in Deutschland als Aufsichtsrat gewinnen. Alfred Gusenbauer wurde häufig für den Glücksspielkonzern aktiv, wenn die Kontakte des roten Ex-Kanzlers nützlich waren.

Gusenbauers Einsätze

Gusenbauer wurde auch wegen des Steuerproblems in Italien zurate gezogen, eine Nachzahlung von bis zu 60 Millionen Euro drohte. Die Nachforderung war Gegenstand der Nachricht von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann an Gernot Blümel, die zur Hausdurchsuchung beim Finanzminister führte. Ein Novomatic-Vorstand schrieb an Gusenbauer, man prüfe, ob eher auf politischer oder Beamtenebene angesetzt werde.

Für ein besseres Entrée sollen zudem Novomatic-Zahlungen in viele Richtungen sorgen. Man sponsert so ziemlich alles, seien es kulturelle, sportliche oder karitative Einrichtungen. Parteizeitungen werden mit Inseraten bedacht, Vereine wie das FPÖ-nahe Institut für Sicherheitspolitik erhielten ebenso Kooperationszuwendungen wie das ÖVP-nahe Alois-Mock-Institut. Der frühere Pressesprecher chattete 2017 vor der Parteiübernahme durch Sebastian Kurz mit Neumann über die angebliche Intention des Unternehmers Stephan Pierer, Kleinspenden an die ÖVP verdoppeln zu wollen. Neumanns Antwort: "Wir haben noch etwas Besseres vor."

Harald Neumann war in alle politische Richtungen gut vernetzt.
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Neumann weilt derzeit in Australien, dort muss er noch aufräumen: Unter der Ägide des als extrem ehrgeizig beschriebenen Managers hat Novomatic den australischen Branchenriesen Ainsworth Game Technology (AGT) übernommen, und den gilt es nun zu sanieren. Neumann hat den Novo-Chefsessel Anfang 2020 verlassen, als die Causa Casinos/Novomatic und der Verdacht des Postenschachers und Gesetzeskaufes schon länger am Köcheln waren.

Australien als Trennungsgrund

Australien dürfte ein Grund für die Trennung gewesen sein. Unterschiedliche Auffassungen zur Strategie des Glücksspielkonzerns – weitere Expansion auf dem Weltmarkt, wie Neumann sie anstrebte, oder Konzentration auf Europa, wofür "der Professor" Graf war – sollen für den Abgang mitverantwortlich gewesen sein.

Neumann handelte sich bei der "Novo" den Ruf eines Brachialmanagers ein. Seine Mitarbeiter, die ihn vor allem aus der weiten Entfernung oder Interviews in Medien kannten, band er in seine Vorhaben gar nicht oder spät ein. Mit Novomatic-Gründer Johann Graf, der sich vom Fleischhauer zu einem der reichsten Österreicher hinaufgearbeitet hat und dem auch nicht gerade Samthandschuhmethoden nachgesagt werden, krachte Neumann oft zusammen.

Im Gegensatz zu anderen Mitarbeitern habe sich der Reserveoffizier der Miliz und Vater von vier Kindern (aus zwei Ehen) bei Meinungsverschiedenheiten keine Zurückhaltung auferlegt. Trotzdem: Neumann durfte sich über drei Schenkungen von Graf freuen, einer seiner nahen Verwandten über eine.

Blaue Freunde

Seine blauen Freunde, die er über seine zweite Frau gewonnen hat, habe er für seine Vorhaben genauso genützt wie alle anderen Mitglieder seines dichtmaschigen Beziehungsnetzes, heißt es. "Wen er gekannt hat, hat er angeredet", um zu seinen Zielen zu kommen, erklärt ein Bekannter Neumanns. Also etwa auch Blümel. Über ihn wollte Neumann einst, als er in eine Telekomaffäre involviert war, Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter einen Brief zukommen lassen. Ob es je dazu kam, ist aber nicht überliefert.

Intervenieren ließ der (frühere) Boxer, Golfer, Jäger und (heutige) Fitnesscenterkunde Neumann auch für einen nahen Verwandten, der beim Bundesheer den Lkw-Führerschein machen wollte. In dem Fall soll letztlich Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) geholfen haben. Auch sie ist eine Bekannte Neumanns – immerhin ist die Novomatic mit Sitz in Gumpoldskirchen einer der großen Arbeitgeber in Niederösterreich.

(Renate Graber, Andreas Schnauder, 20.2.2021)