Parteichef, Vizekanzler und nun auch als Justizminister arg gefordert: Werner Kogler.

Foto: Matthias Cremer

Achten Sie auf die Blickrichtung von Werner Kogler, wenn der Vizekanzler länger ausholt – wieder einmal. Sobald der sonst so hemdsärmelige Boss der Grünen beim Sprechen nur mehr den Boden fixiert, dann "ist der Werner so richtig ang’fressen", weiß ein Parteifreund zu berichten.

Zuletzt konnte man Kogler öfter dabei beobachten, wie er den Blick senkt – und dennoch fast stoisch bleibt. Der türkise Koalitionspartner nervt die Grünen mit Attacken gegen die Justiz.

Ständig bohren Journalisten nach, dass Kogler Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in seinen Oppositionsjahren doch längst zum Rücktritt aufgefordert hätte. Die Abschiebung von Kindern durch den türkisen Innenminister sitzt seiner Partei in den Knochen. Und die grüne Blase in den Social Media weiß sowieso besser, wie das ginge mit dem Regieren.

Kogler ist Vizekanzler, Parteichef, seit seiner Angelobung für Kunst, Sport und öffentlichen Dienst zuständig. Neuerdings sei er "fast schon ein bissl ein grüner Harald Mahrer", witzelt eine Grüne in Anspielung auf den türkisen Wirtschaftskammerpräsidenten und dessen unzählige Funktionen. Denn seit Alma Zadić in Babypause ist, hat er auch noch interimistisch das Justizressort übernommen – und muss angesichts der angriffigen Kanzlerpartei den obersten Verteidiger der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geben.

Kogler macht das, pflichtbewusst, im Fernsehen, vor Parteikollegen, den Blick mitunter starr nach unten gerichtet, und doziert darüber, für welche Verbesserungen in der Republik er und seine Grünen sorgen: Ein weisungsfreier Bundesstaatsanwalt soll kommen, die Berichtspflicht für Korruptionsjäger gelockert werden, die Parteifinanzen würden transparenter, und, und, und. Kogler, der sich in der schlimmsten Krise der Grünen zum wortgewaltigen Retter des außerparlamentarischen Rests seiner Partei aufschwang, wirkt dabei aber mittlerweile oft etwas schmähstad.

Good Cop, Bad Cop

Womöglich ist das sogar Absicht. Die Parteiarbeit – allen voran im Parlamentsklub – hat Kogler inzwischen Sigrid Maurer überlassen. Egal ob die ÖVP nächtens Kinder außer Landes bringt oder dem Finanzminister ein oppositioneller Misstrauensantrag droht: Die alles andere als konfliktscheue grüne Klubchefin ist es, die derzeit dafür sorgt, dass die grünen Abgeordneten auf Koglers Koalitionskurs bleiben. Sie ist es auch, die Kurz, Blümel und Co so richtig Saures gibt: Erst diese Woche attestierte Maurer der ÖVP "ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat".

Während die ÖVP mit ihren eigenen Problemen beschäftigt ist, wurde der kleine Koalitionspartner adoleszent und kämpferisch – oder eigentlich: vor allem eben der grüne Klub. Die aktuelle Rollenverteilung zwischen Kogler und Maurer, wie auch Grüne bestätigen: Er gibt nach wie vor den konstruktiven, lösungsorientierten Vizekanzler an der Seite von Sebastian Kurz. Maurer geriert sich gegenüber der ÖVP als böse Polizistin, die sich bei Abmahnungen kein Blatt vor den Mund nimmt.

Die Rolle des Verbinders zur Volkspartei liegt Kogler quasi im Blut. "Für diese Koalition ist er ein Glücksfall", sagt der ÖVP-Abgeordnete Reinhold Lopatka, der wie Kogler aus dem steirischen Bezirk Hartberg kommt – "für uns wie auch für die Grünen". Kogler sei mit einer starken ÖVP groß geworden, in seiner Verwandtschaft waren viele aktive ÖVPler. "Er kennt die ÖVP länger als Sebastian Kurz, der da noch gar nicht auf der Welt war", sagt Lopatka.

Grüner erster Stunde

Dabei ist Kogler natürlich ein gestandener Grüner erster Stunde. Seine Herzensthemen sind Umweltschutz und Wirtschaftsfragen. Aber, so beschreiben ihn viele: Er ist ein Pragmatiker oder zumindest einer geworden – auch wenn er seine Grundsätze hat, die er bisweilen stur verfolgt. Im Jahr 2010 filibusterte sich Kogler als grüner Parlamentarier mit Wutreden ins Bewusstsein der Öffentlichkeit: Zwölf Stunden und 42 Minuten lang prangerte er am Redepult des Nationalrats den Budgetvoranschlag der rot-schwarzen Koalition an.

Die steirische Grüne Judith Schwentner attestiert ihm ungeheure Kraft, die er entwickeln könne, wenn es darauf ankomme. "Er ist mehr als der, der zur richtigen Zeit gerade da war und deshalb Parteichef wurde", sagt sie. "Gedanken über seine Nachfolge macht sich in der Partei derzeit niemand."

In der kämpferischen Klubchefin Maurer sehe Kogler, als bald Sechzigjähriger, heute sein jüngeres Selbst, meinen manche Wegbegleiter. "Auch er war einst radikal in seinen Zugängen", sagt eine Grüne. Ein anderer meint: "Das parteipolitische Hickhack interessiert ihn nicht mehr – der Werner will in der Koalition etwas weiterbringen."

Nur Kante nach Konflikten

Doch manchmal tut so viel Pragmatismus fast schon weh. Im Frühjahr tat er seinen Willen zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland kleinlaut als "Privatmeinung" ab. Nach Demütigungen durch den übermächtigen Koalitionspartner lautete seine Losung oft, dass die Grünen ab sofort "Kante zeigen" würden. Wie lange wird das neue grüne Selbstbewusstsein unter Kogler also diesmal halten?

Fest steht, dass der grüne Chef nicht an den ständig großen Auftritten und schon gar nicht an herrschaftlichem Prunk hängt. Den regelmäßigen türkis-grünen Regierungsauftritt zur Corona-Pandemie im Kanzleramt etwa überlässt er immer öfter seinem Parteifreund, Gesundheitsminister Rudolf Anschober.

Wenn mit der ÖVP der Haussegen schief hängt wie derzeit, setzt Kogler in direkten Gesprächen mit den Türkisen "lieber auf 17-maliges Wiederholen der grünen Forderungen, keinesfalls auf Streit", wird in der Partei versichert. Es gebe einen Unterschied zwischen "dem Werner auf der Bühne und jenem in Verhandlungen". Wichtig sei Kogler, "über jene zeitliche Schwelle" zu kommen, bei der es "die Blauen in Koalition mit der ÖVP zerrissen hat".

Zur Erinnerung: Türkis-Blau hielt nicht ganz eineinhalb Jahre lang. Die türkis-grüne Koalition feierte im Jänner ihren ersten Geburtstag. Derzeit setzt Kogler seine Spitzen gegen die ÖVP nur wohldosiert ein – mal schauen, was er in einem halben Jahr tut. (Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, 20.2.2021)